19.12.2024

Das Jammern geht weiter

Das Leben ist eine Baustelle
Szene aus Wolfgang Beckers Das Leben ist eine Baustelle...
(Foto: X Filme)

Filmförderung: Rot-Grün knickt ein vor der FDP, so dass ein Filmfördergesetz kommt, das schlechter ist als keines – und außer den Jubelpersern jubelt keiner

Von Rüdiger Suchsland

»Wer den Sumpf trocken­legen will, sollte nicht die Frösche fragen.« – Chine­si­sches Sprich­wort

Lange hatten sie gebangt – als ob der Untergang des Abend­landes am Film­för­der­ge­setz hing – und gejammert, dass das FFG nicht kommen würde, überlegt, wie man Druck machen könnte und welche Promi­nenten viel­leicht doch noch für ein Film­för­der­ge­setz öffent­lich sprechen könnten.
Jetzt ist es wohl da, nach langem Hin und Her, und das Jammern geht weiter.

Denn nach über­ein­stim­mendem Urteil vieler verschie­dener Stimmen aus der Branche – sowohl auf der Seite der Macher und Film­schaf­fenden wie auch auf Seiten der Verwerter – ist der Kompro­miss, der in aller­letzter Minute am heutigen Mittwoch vom Kultur­aus­schuss des Bundes­tages aus heraus verhan­delt wurde, mehr als faul, so faul, dass er zum Himmel stinkt. Oder wie einer, der es wissen muss, formu­lierte: »Ein Desaster auf allen Ebenen.«

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Wobei man gleich sagen muss, dass jeder etwas anderes zu kriti­sieren hat, und der Kompro­miss deshalb viel­leicht doch nicht so schlecht ist. Aber schlecht genug.

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Der Druck der Industrie hat es möglich gemacht. Die Lobbys waren sehr aktiv. Und am Ende freuen sich wieder wie schon am Anfang die großen Produ­zenten am meisten.

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Die Grünen melden: »um den Start für diese umfas­sende Reform der Film­för­de­rung zu ermög­li­chen haben wir auf den letzten Metern der Verhand­lungen zur Findung eines mehr­heits­fähigen Kompro­misses die Strei­chung des Diver­si­täts­bei­rats und weitere Anfor­de­rungen für eine nach­hal­tige und diverse Film­för­de­rung hinnehmen müssen. Die Strei­chung dieser wichtigen gesell­schafts­po­li­ti­schen Anfor­de­rungen war von der FDP als Bedingung zur Zustim­mung gestellt worden.«

Rotgrün ist also einge­knickt und opfert eines der Lieb­lings­pro­jekte von Claudia Roth. Ande­rer­seits muss man erstmal überhaupt Filme produ­zieren, bevor sie viel­leicht auch noch nach­haltig und divers sein können.

Ich gebe zu: Mich hat bisher noch niemand über­zeugen können, wozu man einen solchen Diver­si­tätsrat und Diver­si­täts­listen braucht – aus meiner Sicht ist die unter­neh­me­ri­sche Hand­lungs­frei­heit der Film­schaf­fenden bereits heute durch zu viele Auflagen, Büro­kratie und kunst­ferne poli­ti­sche Vorgaben einge­schränkt. Und das ist kein Argument für die FDP sondern dafür, dass sich die anderen Parteien auf die Kunst­frei­heit besinnen.

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Es muss übrigens auch noch der Bundesrat zustimmen und da braucht es nur eine Gegen­stimme.

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Es ist schon eine große Ironie: die Grünen sind die im Kultur­be­trieb wohl belieb­teste deutsche Partei. Allen­falls die Linke kommt auf ähnlich viele Sympa­thien, die Sozi­al­de­mo­kraten und die FDP sind schon weiter hinten. Und gerade unter der ersten Kultur­staats­mi­nis­terin, die diese Partei stellen kann, wird die Axt in einer Weise an die deutsche Kultur gelegt, wie es in der Geschichte der deutschen Demo­kratie ohne Beispiel ist.

Und ausge­rechnet die Partei die unter den demo­kra­ti­schen am wenigsten mit diesem Parteien aus dem Kultur­lager rechnen kann, die Union stand lange für so etwas wie einen bürger­li­chen Kultur­be­griff. Also die Einstel­lung, dass man sich die Kultur leisten muss, auch wenn der Großteil des Betriebs aus Leuten besteht, die einen niemals wählen und manche auf den ganzen Betrieb nur blicken wie auf ein großes Narren­haus. Hofnarren wohl­ge­merkt.

Zu der Ironie gehört auch, dass ausge­rechnet das, was sich viele aus diesem Kultur­be­trieb so wahn­sinnig wünschen, nämlich Diver­sität, jetzt nach hinten zu ihren Ungunsten zuschlägt: Dass also ausge­rechnet der erste in Tansania geborene Kultur­se­nator in einem führenden lokalen Bereich – falls man die provin­zi­elle und miefige Berliner Haupt­stadt­kultur »lokal« nennen möchte – wie ein Pendant zu seiner grünen Kollegin im Bund auftritt. Zwei Elefanten im Porzel­lan­laden, zwei Kultur­fremde, aus dem Pop und der seichten Muse kommen, und sich so verhalten, als hätten sie mit Kultur nichts am Hut. Die sehr vieles kaputt machen, was nicht leicht wieder zu errichten ist.

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Das Leben ist eine Baustelle nannte der gerade leider zu früh verstor­bene Wolfgang Becker seinen schönsten Film.
Das mag ein Trost sein, und ein weiterer ironi­scher Witz.

Natürlich geht es nicht um solche Ironien. Und auch wenn man schnell so etwas wie eine klamm­heim­liche Freude empfindet, dass manche allzu naiven Träume eines bestimmten Teils der Kultur­szene hier ihnen jetzt übel auf die Füße fallen, so kann man doch nicht glücklich sein mit dem, was gerade geschieht. Die Zers­törung der deutschen Kultur durch den Pop.