21.03.2002

»Ich bin ein Fan von Videospielen«

Paul W.S. Anderson
Paul W.S. Anderson (rechts)

Regisseur Paul W.S. Anderson über Resident Evil

Nach dem furiosen Debut Shopping legte Paul Anderson 1994 mit Mortal Combat seine erste Video­spiel-Adapt­a­tion vor. Es folgten Event Horizon und Soldier, achtbare B-Movies, mit denen der junge Brite zugleich seine Virtuo­sität im Umgang mit Genre-Mustern und tech­ni­schen Mitteln bewies. Bereits 1992 gründete der damals erst 27jährige Paul W.S. Anderson seine eigene Produk­ti­ons­firma „Impact Studios“.
Mit Paul Anderson sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: War es schwer, oder gar gefähr­lich, einen Film nach einem Video­spiel zu drehen?

Paul W.S. Anderson: Gefähr­lich nicht, aber schwierig. Dies ist nach Mortal Combat mein zweiter Film nach einem Video­spiel. Was ich dabei gelernt habe: Die Fans sind sehr leiden­schaft­lich. So hatten wir sehr viel Druck, auch einen guten Film zu machen. Sie hätten uns umge­bracht. Wir mussten auf das Niveau den Spiels kommen – das sehr gut ist, und das ich selbst sehr mag. Der Flop von Final Fantasy war Warnung genug: Ein Film, der das Niveau des Spiels nicht einmal annähernd erreichte. Ein schlechter Film!
Eine solche Verfil­mung muss einer­seits dem Spiel gerecht werden, ande­rer­seits als Film für sich genommen funk­tio­nieren. Ein cooler Science-Fiction-Horror­film sein.

artechock: Können Sie mir etwas über die Faszi­na­tion des Spiels erzählen?

Anderson: Ja, ich mag es sehr. Ich bin ein Fan von Video­spielen. Ich bin regel­recht süchtig geworden, habe es drei Monate lang unun­ter­bro­chen gespielt, und war dann ein bisschen ausge­brannt: unrasiert, schwarze Augen, roter Kopf. Das Spiel ist einer­seits erschre­ckend, ein gutes Spiel, ande­rer­seits selbst wieder bein­flusst von Filmen, von Romero etwa. Daher war das Spiel für mich auch die Chance, einen Film im Geist der 70er-Jahre zu machen.

artechock: Wie waren die Dreh­ar­beiten für Sie?

Anderson: Ich hatte mehr Spaß, als bei irgend­einem Film zuvor. Zum einen, weil die beiden Haupt­dar­stel­le­rinnen sich wirklich ange­strengt hatten. Zum anderen hat die Geschichte zwei tolle starke Frau­en­cha­rak­tere. Die tradi­tio­nelle Rolle für Frauen in Action­filmen ist, am Rande zu stehen und Bruce Willis zuzu­gu­cken: »Ah, mach das nicht!« zu schreien und zu weinen. Ich dachte, es müsste Spaß machen, die Rollen umzu­kehren.

artechock: Wollen Frauen denn den Bruce Willis-Part?

Anderson: Schauen Sie sich doch Sigurney Weaver in Alien an. In meinem Film ist es etwas anders. Es sind nicht Frauen, die sich wie Männer benehmen, sondern Frauen, die Frauen bleiben, aber sich anders benehmen. Milla Jovovich und Michelle Rodriguez waren die ersten beiden Darsteller, die ich gecastet habe.

artechock: Was unter­scheidet Sie von Romeros Art, Filme zu machen?

Anderson: Er richtete sich an ein kleines Publikum. Wollte als Arhouse-Regisseur respek­tiert werden. Seine Filme wurden auch Komödien. Er hat so über­trieben, dass es amüsant wurde. Das war clever, er wollte, dass es Komödien wurden. Und er hatte Schwie­rig­keiten mit der Zensur. Ich fand, man müsste einen Film machen, der etwas main­strea­m­iger sein würde, und so mit der Zensur keine Probleme haben würde.
Es gibt da zwei Wege: Entweder man macht es wie Paul Verhoeven. Der dreht ganz viel, was er dann wieder raus­schmeißen muss: Blut, Blut, Nacktheit. In Total Recall gibt es miserabel geschnit­tene Szenen. Der Grund: Er drehte sehr blutige, gewalt­tä­tige Momente, die er dann im Nach­hinein raus­schneiden musste.
Oder man denkt vorher nach und dreht nur das, was man zeigen darf. Etwa in der Szene, als ein Körper zerhackt wird: Wir zeigen dass als Reflexion im Fenster, das war scho­nender.

artechock: Das war inspi­riert von Cube, oder?

Anderson: Ja, klar. Ich bin ein großer Genre-Film. Ich habe alles gesehen. Cube fand ich ziemlich flach, Cube wollte „Kunst“ sein, das war ein Film für erwach­sene Europäer. Viel Blut, viel dumme Tonef­fekte – immer diese schlür­fenden Geräusche. Aber ein Kinder-Main­stream-Publikum würde nur lachen und sich lang­weilen. Offen gesagt: Ich fand ihn auch nicht originell. Das kenne ich alles aus ein paar Road­runner-Cartoons – da war ich etwa drei Jahre alt. Solch einen Film wollten wir definitiv nicht machen.

artechock: Denken Sie schon an Resident Evil II?

Anderson: Ja, aber ich versuche, nicht zu sehr daran zu denken.

artechock: Manche nennen Sie einen SF-Trash-Regisseur. Stört Sie das?

Anderson: Wie sollen Sie mich sonst nennen: Arthouse-Typ? Ich mache, was ich mache. Ich bin ziemlich gut darin. Ich liebe Science-Fiction, und wenn es anders wäre, würde ich nicht solche Filme machen. Keiner hat mich dazu gezwungen – das würde auch gar nicht funk­tio­nieren.

artechock: Was mögen Sie daran?

Anderson: Ich mag es, künst­liche neue Welten zu kreieren. Ich mag Produc­tion-Design. Das ist super: Als Architekt braucht man Jahre, um ein einziges Haus zu bauen. Und ich darf den ganzen Scheiß in einem Monat machen.

artechock: Haben Sie nie davon geträumt, die Goldene Palme in Cannes zu gewinnen, oder einen Oscar? Mit Ihren bishe­rigen Filmen dürfte Ihnen das kaum gelingen.

Anderson: Ich träume nach wie vor davon. Wissen Sie: Science-Fiction oder Fantasy gilt als zweit­rangig. Aber Peter Jackson wird mit Der Herr der Ringe da jetzt einiges erreichen.
Und so viel Respekt habe ich für den Oscar nicht. Wenn die Leute wüssten, was da hinter den Kulissen abgeht...
Kurzum: Ich bin noch nicht soweit, einen Oscar zu gewinnen, ich bin noch nicht so weit, ein ernst­haftes künst­le­ri­sches Statement über die Welt abzugeben. Aber ich hoffe, ich werde noch lange Zeit Filme machen. Und ich glaube nicht, dass ich in zehn Jahren noch Resident Evil machen werde. Ich will so was nicht immer machen.