Being the Movies |
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Surrender Dorothy |
Sicher sind Filmfeste auch dazu da, daß sich die Großen der Branche ausgiebig selbst feiern können, sicher gehört der Hauch von Glamour dazu, geht es kaum ohne berühmte Namen und deren begierig erwartete Filme. Viel wichtiger aber sind Filmfeste – zumindest mir – weil sie die Möglichkeit bieten, ganz unerwartete Entdeckungen zu machen. Kleine, völlig unbekannte Filme, die man im regulären Kinoprogramm meist nie zu sehen bekommt, Filme, denen man sich ohne Erwartungen
nähert, bei denen alle Möglichkeiten offen sind – hoffnungsvolle Begegnungen im Dunkeln.
Meist verläßt man sie mäßig bewegt, manchmal milde oder schwer enttäuscht, business as usual. Aber hin und wieder, da finden sich all jene Hoffnungen, die man jedesmal aufs Neue hegt, wenn sich der Vorhang öffnet und die ersten flackernden Bilder die Leinwand erhellen, erfüllt; ganz selten auch finden sie sich übertroffen. Dann erlebt man all das wieder, was man im Kino oft so lange
vermissen hat müssen, ist begeistert von der Frische des Gebotenen oder dessen Ideenfülle, von dessen Gewagtheit oder Tiefe oder dessen emotionaler Wirkung.
Die Entdeckung des Filmfests München 1998 war für mich Surrender Dorothy, das Debut des jungen Amerikaners Kevin DiNovis. Was mich an diesem Film über den Aushilfskellner Trevor, der sich den drogenabhängigen Lanh zur Idealfrau »Dorothy« formt, so hingerissen hat, können Sie in meiner Kritik nachlesen.
Und dann nichts wie
ab ins Werkstattkino, denn dort ist (vom 20. bis zum 26. November 98) der bereits mehrfach preisgekrönte Surrender Dorothy (Gewinner u.a. des diesjährigen Slamdance und des New York Underground Festivals) erstmals auch außerhalb eines Filmfests zu erleben. Und damit haben Sie nicht nur Gelegenheit, einen der sehenswertesten
Filme des Jahres zu entdecken (oder wiederzusehen) und einen Filmemacher zu unterstützen, der dies mehr verdient als Michael Bay oder Roland Emmerich – sondern Sie können dann auch, wenn Kevin DiNovis dereinst hoffentlich selbst verdientermaßen zu jenen Großen der Branche zählt, sagen: »Ich war ja von Anfang an dabei.«
Ganz nach Belieben davor oder danach aber lege ich Ihnen die Lektüre des folgenden Gesprächs ans Herz, das ich während des Filmfests mit Kevin DiNovis führte – einem vom Kino Besessenen, der nicht nur in seinem Film Interessantes zu sagen hat.
artechock: Was für einen Background hast Du?
Kevin DiNovis: Mein Background ist überhaupt nicht das Kino – ich meine formell. Ich habe Literatur studiert, an der State University von New Jersey. Ich war wirklich ziemlich enttäuscht, daß ich mich für Literatur entscheiden mußte, weil ich schon immer in Richtung Film wollte – seit ich mich erinnern kann, seit ich um die 6 Jahre alt war. Ich wußte nicht, was Filme waren, ich wußte nicht, daß es Leute gibt, die sie machen, ich wußte nur, daß sie existierten, und was immer sie waren, das wollte ich sein. Das war die Art, wie ich es ausdrückte – being the movies; was Filme waren, wollte ich sein.
Und ich dachte, das bedeutete Schauspielerei, ich dachte, daß man eine Figur in dem Film sein mußte, wie Chief Brody, der den Hai jagt. Und so wollte ich lange Zeit eine Karriere als Schauspieler verfolgen. Ich machte bei meinem örtlichen Theater mit, und als ich in der High-School war, nahm ich an all den Schulaufführungen teil; ich studierte Schauspielerei formell, und erst als ich in der High-School einen Kurs in Filmwissenschaft belegte...
Wir sahen jede Woche einen Film auf 16mm, und der Professor erzählte uns nie vorher, was er zeigen würde, es war immer eine Überraschung; man kam Montags rein, und dann sagte er es dir und gab dir eine Einführungsvorlesung. Und dann am Dienstag, Mittwoch, und manchmal Donnerstag, je nachdem, wie lang der Film war, sahen wir den Film in Abschnitten, und am Freitag hatten wir dann eine kritische Diskussion darüber, die meist eher eine Vorlesung von ihm war – aber er war FASZINIEREND, fesselnd... Er sah so viel in den Filmen, und er machte mich richtig aufgeschlossen dafür, worum es im Kino eigentlich geht. Und wo ich mich bis dahin immer auf die großen Hollywood-Blockbuster konzentriert hatte, wie z.B. Jaws (Der weiße Hai), Towering Inferno (Flammendes Inferno) und all diese verrückten Filme davor, fing ich nun an, richtig in die Geschichte des Kinos einzusteigen, Renoir, Deutscher Stummfilm-Expressionismus... ich wurde einfach überschwemmt mit diesem neuen Eindrücken... Und von diesem Punkt an wußte ich: Das war’s, das Filmemachen, das hinter der Kamera.
Aber überall wo ich hinkam, waren nur verschlossene Türen. Zu diesem Zeitpunkt war ich nicht der Einzige, und jedes Kind in Amerika wollte zur Filmschule. Und ich las einen Artikel in Newsweek oder so, wo es hieß, daß es statistisch schwieriger war, in eine Filmschule wie NYU oder Columbia hineinzukommen, als in Harvards BWL-Programm. Also kam ich natürlich nicht rein, und ich entschied mich für Literatur – aber die Ironie ist, daß es im Rückblick
wahrscheinlich das Klügste war, was ich überhaupt hätte tun können. Denn ich lernte Narrative, Erzählen; zwar nicht filmisches Erzählen, aber ich konnte es anwenden. Ich konnte nehmen, was ich in der Literatur gelernt hatte und es parallel übertragen. Und es half jede Menge. Meine Schwächen sind selbstverständlich hauptsächlich technische – ich weiß immer noch nicht, wie man eine Kamera richtig bedient. Aber der Job des Regisseurs, stellte sich heraus, sieht so aus:
Ich soll die Kamera überhaupt nicht anfassen.
Ich bin immer noch ziemlich eingeschüchtert vom technischen Aspekt des Ganzen. Ich habe Angst vor der Kamera, sie ist ein Rätsel für mich.
artechock: Ich glaube, das ist der eine Punkt, wo der Film noch besser sein könnte – der visuelle Aspekt.
DiNovis: Wenn wir ihn in Farbe gemacht hätten, ha?
artechock: Nein, überhaupt nicht. War das eigentlich eine ästhetische Entscheidung, oder wegen des Budgets?
DiNovis: Halbe-halbe. Anfangs war es eher budgetmäßig, aber es stellte sich heraus, daß es gar nicht viel teurer gewesen wäre, es in Farbe zu machen in 16mm. Es kostet ungefähr gleichviel, das Material zu kaufen und entwickeln zu lassen. Das Production Design, das Ambiente und die Atmosphäre zu erzeugen, hätte etwas mehr Vorbereitung erfordert und möglicherweise mehr Geld. Das Innere von Trevors Appartment, davon haben wir Farbfotos, Standfotos, aber es sieht furchtbar aus in Farbe. In Schwarzweiß sieht es... nicht surreal, aber wie aus einer anderen Welt aus; fast wie eine Geisteslandschaft, ein Mindscape.
Schwarzweiß ist der Film auch aus zwei künstlerischen Gründen: Erstens mochte ich die binäre Opposition – eine Art Universum zu erschaffen, das nur diese binäre Farb-Opposition erlaubte anstatt des ganzen Farbspektrums. Und auch, weil die Welt, die diese Charaktere sich erschaffen und bewohnen sehr spezifische ist; ich wollte sie vom Gewöhnlichen entfernen. Es ist fast einfacher für das Publikum, damit zurechtzukommen, wenn es auf diese Art etwas weiter weg gerückt ist.
artechock: Ich glaube, es war eine sehr gute Entscheidung, in Schwarzweiß zu filmen, da Farbe soviel mit Gefühlen zu tun hat. In Farbe wäre es viel schwieriger gewesen, diese Kontrolle über die Enotionen des Publikums aufrechtzuerhalten.
DiNovis: Ja, und man muß sich darüber bewußt sein, man kann nicht einfach drauflosfilmen. Und wir waren in einer Situation, wo wir großteils genau das machen mußten. Wir hatten nicht die Zeit oder das Geld, ein Farbschema zu kreiren und wirklich bewußt zu manipulieren. Wenn ich ihn in Farbe gemacht hätte – ich hatte eine Farbversion im Kopf – und... hast Du Ma vie en rose gesehen? Ich mochte dies stilisierte Art, und DAS wäre es gewesen, worum ich mich bemüht hätte, wenn ich den Film in Farbe gemacht hätte... nicht gerade MTV, aber sehr primäre Farben und sehr künstlich, eine häusliche Hyperrealität.
artechock: Wie hast Du eigentlich die Finanzierung für den Film zusammenbekommen?
DiNovis: In Stufen. Wir fingen klein an, und ich dachte mir... na ja, ich war immer... ich möchte nicht sagen arm, aber ich bin nicht reich, ich hatte nie viel Geld – erst kürzlich ist mir klar geworden, daß ich noch nie mehr als $10.000 im Jahr verdient habe. Erst mal sah ich, daß eine Menge Leute in meinem Alter und jünger ohne jede Erfahrung im Film Filme machten. Es sind nicht die großartigsten Filme, aber das mußten sie auch nicht sein. Die Erwartungen, die das Publikum an einen solchen Film herantrug – sie waren nachsichtiger mit diesen Filmen.
Und mir wurde klar: Wow, ich kann eine Menge mehr Risiken eingehen, wenn ich es einfach jetzt mache. Ich kann eine Story machen, die ich, selbst wenn ich ein etablierter Regisseur gewesen wäre, vor zehn, zwanzig Jahren nicht hätte machen können. Aber ich kann es für 25 Riesen machen – und das war die Zahl, die ich von Clerks hatte; die hatten den Film für $25.000 fertiggestellt. Also dachte ich, okay, cool, wenn die’s geschafft haben, kann ich das auch. Und wir filmten ihn für 25 und entwickelten ihn für 25.
Wo wir das Geld herhatten? Anfangs hatte ich Kreditkarten, und ich benutzte sie alle, und das brachte uns ungefähr auf 15, und dann die übrigen 10, da kam mein Produzent sozusagen an Bord, Richard Goldberg, und er trieb Geld in kleinen Raten auf. Seine Eltern gaben ihm $1000, eine Tante von ihm gab ihm $2000, und dann fragten wir alle unsere Freunde – wir machten eine Liste aller unserer Freunde, und jeden dieser Freunde baten wir um $25 – wenig genug, daß sie sich verpflichtet fühlten, es uns zu geben, aber dann sagten wir: »Was wir von Dir zusätzlich möchten...« – Laß uns sagen, Du wärst ein Freund von mir – selbst wenn ich Dich nicht besonders gut kennen würde, würde ich Dich fragen, »Könntest Du uns $25 für diesen Film geben?«, und Du würdest sagen »$25, was soll’s, dafür hab' ich meinen Namen im Abspann,« richtig? Aber dann würden wir sagen: »Kannst Du eine Liste machen von 20 Leuten, die Du kennst, denen Du sehr nahe bist, und die – wenn es Dir nicht unangenehm ist – um $25 bitten?« Und einige Leute sagten, nein, das wäre ihnen unangenehm, und einige sagten ja. Und für jeden, der ja sagte, waren das $25 mal 20 – wir brachten eine Menge Geld zusammen auf diese Art.
artechock: Zum Titel: Surrender Dorothy ist natürlich ein Zitat aus The Wizard of Oz (Das zauberhafte Land) – hat Dein Film einen Bezug dazu, oder hast Du den Titel einfach gewählt, weil er cool klingt?
DiNovis: Das war der erste Grund – ich liebte seinen Klang. Tatsächlich habe ich an den Titel erst gedacht, nachdem ich After Hours (Die Zeit nach Mitternacht) gesehen hatte; in einer Szene in After Hours sagt Rosanna Arquette, daß ihr Ehemann, wenn sie Sex haben, »Surrender Dorothy« schreit, und ich liebe diese Szene. Und dann sah ich, daß es eine Menge Bands gab, mir liefen all diese Punk Bands über den Weg, die „Surrender Dorothy“ hießen. Ich liebe, wie der Titel klingt – und er paßte wirklich sehr gut zu der Story, an der ich arbeitete.
Aber als ich daraufhin zu The Wizard of Oz zurückkam, fing ich an, all diese Dinge zu sehen: Diese Art idealisierte Weiblichkeit, die Dortohy verkörpert, zu dem fast alles, was mit ihr zu tun hat gehört... sie ist dieses Mädchen das erwachsen wird, sie ist an der Schwelle zur Pubertät, sie ist ein bißchen zu alt, um diese Kleidung zu tragen... Diese ganze Vorstellung, daß ihr empowerment durch diese höchst femininen ruby slippers erfolgt. Ich weiß nicht, ob es viel feministische wissenschaftliche Arbeiten zu The Wizard of Oz gibt, aber da wäre großartiges Material für eine feministische Lesart des Films.
Und mich hat auch sehr interessiert, wie in The Wizard of Oz die angeblich „wirkliche“ Realität in Schwarzweiß ist, was ein Publikum nicht mit Realität assoziiert, während der Teil in Oz in Farbe ist – es ist fast so, als wäre Oz privilegiert in dem Film, die Fantasiewelt ist privilegiert.
Ich liebe die Vorstellung von wettstreitenden Versionen von Realität. Trevor und Lanh, zum Beispiel: Ihre Realität ist, daß Lanh eine Frau ist, oder daß er zu einer Frau werden wird. Eine Frau – nicht ein Typ, nicht eine Frau, die ein Mann war, sondern ein wahrhaftes weibliches Wesen. Und das ist ihre Realität. Sie einigen sich darüber – hat dies dann weniger Berechtigung als die Realität, über die sich die Gesellschaft im Großen geeinigt hat? Ich liebe das... Ich glaube nicht an – und das ist verrückt, Du wirst mir das vorwerfen – ich glaube nicht an objektive Realität. Ich halte es mit den Sophisten, die drei Maximen haben: Sie sagen »Es gibt keine objektive Realität«. Und dann qualifizieren sie diese Aussage und sagen »Und selbst wenn es sie gäbe, würde das nichts ändern, weil wir sie nicht kennen könnten«. Und dann sagen sie: »Aber selbst wenn wir könnten, würde das nichts ändern, weil wir sie nicht kommunizieren könnten.«
artechock: Was mich an Surrender Dorothy so beeindruckt hat, ist, daß er nicht einfach oberflächlich zu provozieren versucht, wie all diese typischen Filme, die angeblich so schockierend sind, bei denen aber doch alle von vornherein genau wissen, auf welches Spiel sie sich da einlassen. Dorothy dagegen ist auf einer sehr tiefen Ebene alles andere als ein „sicherer“ Film.
DiNovis: Es ist Teil der „molekularen“ Struktur des Films, der „molekular-genetischen“ Ebene des Films, wenn man überhaupt so einen Begriff auf etwas anwenden kann, das völlig künstlich ist. Ich glaube ein Teil des Problems mit einem Film wie Doom Generation ist, daß Du genau merkst, wie gewiße Knöpfe gedrückt werden, es ist alles recht offensichtlich, und wie Du sagst: Man geht rein und weiß auf was man sich einläßt, und man geht raus, OK, man hat bekommen, was man erwartet hat.
Nein, mir ging es mehr darum, unsere fast angeborenen Wahrnehmungen dessen, was beispielsweise Geschlecht, Männlichkeit, Weiblichkeit, was Beziehungen sind zu nehmen und sie zu untergraben. Aber nicht auf eine offensichtliche Weise.
Ich versuche beispielsweise, gegen all diese Codes zu spielen, diese Art von 50er Jahre Vision der idealen Beziehung, als Männer zu Hause Unterhemden trugen und Fernsehen schauten und die Frau kochte, putzte, das Geschirr
spülte, »Wie war die Arbeit?« fragte, und diese Art von Dingen.
artechock: Was mir auch an dem Film gefällt ist dieses Gefühl von Normalität, das Unspektakuläre – diese manchmal fast Gleichgültigkeit, mit der die Charaktere diese von außen betrachtet so bizarren Dinge tun
DiNovis: Sie entschuldigen sich nicht für das, was sie tun, und sie analysieren es nicht.
artechock: Und der Film selbst enthält sich so weit wie möglich einer moralischen Wertung dessen, was da vorgeht. Er ist sehr lakonisch.
DiNovis: Du kennst Jim Jarmuschs frühe Sachen, Stranger Than Paradise zum Beispiel, wo man – teils aus Budgetgründen, aber auch noch aus viel wichtigeren – diese statische Kamera hast, dieses mise-en-scène wo alles innerhalb einer Einstellung stattfindet. Ich liebe auch die Rhythmen von Stranger Than Paradise – ich meine, er war langweilig, er langweilte mich zu Tränen, aber auf eine seltsame Art hielt er mich auch völlig gefangen. Ich hatte nie etwas derartiges gesehen.
Was ich mache, ist teilweise eine Art Hommage daran, nicht eine völlig gelungene. Aber zum Beispiel die Szenen mit Trevor und Lanh vor dem Fernseher... Ihr Leben ist statisch, und ich wollte, daß die filmische Technik auf subtile Weise da hinkommt, diese Stasis ihres Lebens.
Außerdem: Die Charaktere selbst sind sich völlig unbewußt der Implikationen dieser Beziehung, die sie da schmieden. Sie haben nicht das Vokabular oder die Erfahrung zu artikulieren, was da vor sich geht. Die einzige Art, wie sie wissen, darüber zu reden ist »Ich bin nicht schwul, ich bin keine Tunte« – »Ich weiß, daß Du das nicht bist«. Sie haben überhaupt keine Möglichkeit, das zu analysieren. Eine Menge von Independent-Filmen – zumindest amerikanischer Independent-Filme – sind über-analytisch. Wie Clerks und so, wo man Charaktere kriegt die reden, reden, reden, und die alles analysieren. Ich mag – ich möchte nicht sagen dümmere Charaktere, aber Charaktere, die mehr einfach existieren... Nehm DeNiro – fast jede Figur, die DeNiro spielt, ist zum sprachlichen Ausdruck unfähig, und gerade das ist es, was es so eloquent macht, die Tatsache, daß er nicht artikulieren kann. The Deer Hunter (Die durch die Hölle gehen), mit dem ich eine Menge Probleme habe, aber sein Charakter dort sagt: »This is this. This is not something else. This is this.« Was sagt das? Es sagt gar nichts – aber zugleich sagt es alles.
artechock: Hast Du Takeshi Kitanos Hana-Bi gesehen? Das ist ein großartiges Beispiel, welche Kraft es haben kann, wenn alles Wesentliche unter der Oberfläche bleibt, wenn man das Wichtigste nicht ausspricht, nicht aussprechen kann, weil es so groß ist.
DiNovis: Film ist ein großartiges Medium für Minimalismus in dieser Hinsicht. Hinsichtlich der Schauspielerei ist es beispielsweise so: Pete Pryor, der Trevor spielt, hatte eine Menge Erfahrung vom Theater und weniger im Film, und deswegen hatten wir diese Art Regel, als wir mit Surrender Dorothy angefangen haben. Und zwar, daß man im Theater versucht, zum Publikum zu projezieren, man muß es groß machen, um es in einem großen Saal rüberzubringen, so daß es auch die hinterste Reihe mitbekommt, und deswegen versucht man im Theater zu zeigen. – Im Film versucht man, zu verstecken. Die Idee war – für uns beide: Sei Dir bewußt, daß Du das Publikum und den Charakter nicht wissen lassen möchtest, was du wirklich denkst – Du versuchst, es zu verstecken. Und diese Qualität... was immer sie tut, irgendwie kommt das rüber. Es ist... aaaaaah! – es scheint so viel mehr elliptisch.
artechock: Dein Film zeigt ja generell viel mehr Zurückhaltung und Kontrolle als andere heutige Filme – und speziell Independent- und Debutfilme.
DiNovis: Danken wir Gott dafür, denn dadurch kann auch ein mängelhafter Film wie dieser herausragen. Ich mag Subtilität. Und auch da wieder: Es ist etwas, das das Kino wirklich gut macht. Es gibt diesen sehr berühmten Film mit Greta Garbo, Queen Christine, und die letzte Einstellung ist diese Großaufnahme von ihr, und da hat sie hat diesen Blick... Und der wurde besprochen ich glaube in dieser Doku über Kameramänner, Visions of Light, und der Regisseur sagte: Ich befahl ihr, ihren Kopf ganz zu leeren. Ich befahl ihr, an überhaupt gar nichts zu denken. Und das Publikum liest so viel in diesen Blick hinein. Und das liebe ich an Filmen, daß Filme das können.
artechock: Surrender Dorothy spielt ja sehr schön mit vertrauten Erzählstrukturen...
DiNovis: Ja, man baut diese Dinge auf, und dann untergräbt man sie. Wir sind beispielsweise daran gewöhnt, das Opfer als Protagonisten zu bekommen, es ist immer die Geschichte des Opfers. Aber hier ist Trevor ein klein wenig privilegiert, es ist Trevors Ziel, das sozusagen den Film motiviert. Lanh wird aufgebaut als jemand der nur ein Katalysator für Trevor ist, um seinen Traum zu verwirklichen. Aber was viele Audiences wollen ist, es umzudrehen und zu sagen, nein... Sie wollen hinter Lanh stehen, weil sie sich dort wohler fühlen; Trevor ist zu befremdend für sie, um sich hinter ihn zu stellen – aber der Film, in struktureller Hinsicht, privilegiert Trevor. Trevor IST der Protagonist, er ist die treibende Kraft, das Thema des Films ist nicht, ob Lanh entkommt oder nicht, sondern ob Trevor sein Mädchen bekommt oder nicht. Und wenn er das tut, ist es eine Happy End. Ironischerweise – und hoffentlich ist da sehr viel Ironie... Meistens sind die Leute, die den Film nicht mögen, die Leute, die die Ironie nicht sehen – sie interpretieren alles als geradeheraus. So, als wäre das meine Sicht der Welt oder sowas, und sie spüren nicht die Ironie darinnen. Ich glaube, daß ist ein wichtiger Bestandteil.
artechock: Wenn Dir ein Film ganz unzweideutig die Identifikation mit dem Opfer ermöglicht, ist man meistens sehr schnell wieder in sicheren Gewässern...
DiNovis: The Burning Bed (Das brennende Bett) ist so ein sicherer Film, weil er diese Erwartungen aufbaut und das Erwartete dann auch liefert, und man kann sich gut fühlen wegen seiner Gedanken. Wenn man mit einem Thema zu tun hat, das wichtig ist, wie domestic abuse, Mißbrauch in Partnerschaften, dann glaube ich ist das solch ein schlechter Dienst gegenüber Leuten, die wirklich in solch einer Position sind. Es ist so... anstatt wirklich etwas zu fühlen, können wir ins Kino gehen und eine Art sicheres, künstliches Erlebnis haben, damit wir dann wieder in unser tägliches Leben zurückkehren können und uns gereinigt fühlen, uns über uns wieder gut fühlen können. Das möchte ich nie machen, ich möchte herausfordern, ich möchte... gefährlich sein. Leute später immer noch mit sich selbst über diese Sachen diskutieren lassen.
artechock: Das erreichst Du ja beispielsweise dadurch, daß Du nicht – wie in einem schlechten Propagandafilm – die Probleme, um die es geht, einfach so platt darstellst, sondern sie in den Subtext des Films verwebst, wo man sie mehr emotional erfährt und sich ihnen gegenüber weniger gut distanziert-reflektierend verhalten kann.
DiNovis: Ohne, daß ich den Film wie hier auf dem Festival präsentiere und am Anfang und am Ende selbst darüber spreche würden Leute vielleicht gar nicht sagen: »Das ist ein Film über domestic abuse«, denn er ist es zunächst ja nicht – es ist ein Film über diese zwei Typen und eine wirklich verkorkste Beziehung. Und dann kommen manche Leute raus und sagen: »Oh, es ist ein Film über unterdrückte Homosexualität, oder unterdrücktes sexuelles Verlangen,« und das ist ihre Lesart, und sie gehen damit weg, und das ist in Ordnung. Der Film soll viele Dinge sein, nicht einfach nur eine Art von vorgestanzter Idee.
Und die andere Sache ist: Die besten quasi naiven amerikanischen Filme... Du hast vollkommen recht, in Amerika gab es all diese Pro-Kriegs-Filme, oder Pro-Nationalismus-Filme, zum Beispiel während des Zweiten Weltkriegs, und unweigerlich waren sie furchtbar. Sie sind wirklich schlecht. Man kann sie sich heute ansehen, und es tut einfach weh. Ronald Reagan war in einigen davon, als junger Schauspieler... Aber die guten, die Frank Capra Filme, diese quasi naiven... da ist alles Story. Und man ist sich fast völlig unbewußt all dieser kulturellen Grundannahmen, die da sehr stark verstärkt und fortgeschrieben werden – man braucht jemand, der eine wissenschaftlichen Aufsatz oder einen Essay darüber schreibt, damit man’s mitkriegt. Es ist so subversiv.
artechock: Dein Film hat auf einer Ebene aber auch diesen Aspekt einer sexuellen Fantasie. Es gibt diese erotischen Untertöne, und man hofft als Zuschauer dauernd, daß man sich nicht irgendwann dabei ertappen muß, wie man etwas von dem, was da vorgeht, anziehend findet.
DiNovis: Es gibt ein Magazin, das heißt „Forced Womanhood“, „Zum Frausein gezwungen“, und es ist ein Porno-Magazin, das sich dieser lüsternen sexuellen Fantasie widmet von einem Mann, der einen anderen Mann zur Frau macht. Und wenn es ein eigenes, monatliches Magazin gibt, das sich dem widmet, dann ja... es könnnte sehr leicht in so etwas abdriften. In der Tat hat das jemand bei einer Vorführung in New York zur Sprache gebracht. Der Mann kam zu mir und sagte: Der Film spielt so gut in diese etablierte Fantasie hinein. Dabei: als ich anfing, den Film zu schreiben, wußte ich davon gar nichts.
Ich habe einen Freund, und ich habe zu ihm mal gesagt: Finde mir ein tatsächlich existierendes Porno-Magazin über ein Thema, an das ich noch nie gedacht habe – und zwar nicht nicht daran gedacht, es zu tun, sondern einfach nicht daran gedacht in meiner Vorstellung – all diese Möglichkeiten – es gibt so viele seltsame Dinge, die fetischisiert werden können. Er brachte ein Magazin zurück namens „Pregnant & Bound“ (Schwanger & Gefesselt) (lacht). Es gibt so viele bizarre Abartigkeiten... nicht Abartigkeiten – ich sollte dieses Wort nicht verwenden... bizarre Vorlieben. Eine größere Zahl an Leuten im Publikum fänden es wahrscheinlich viel mehr nach ihrem Geschmack, wenn Lanh wirklich eine Frau wäre, und es würde in dieses Collector-Ding hineinspielen... Jemand verglich den Film mit The Collector, und das ist in gewißer Hinsicht ein sexy Film, oder eine in gewißer Hinsicht sexy Vorstellung – Eine Frau zu nehmen, und sie gefangenzuhalten.
artechock: Ein Stück weit kann man auch verstehen, warum Lanh diese ganze Sache so lange mitmacht: Die Vorstellung, für nichts mehr in seinem Leben selbst verantwortlich sein zu müssen, alles von jemandem geordnet zu bekommen, in diesem System von festen, durchschaubaren Regeln zu leben, hat auch etwas anziehendes an sich.
DiNovis: Es ist schwierig anzudeuten, daß das Opfer in dieser Art von Beziehung vielleicht in gewißer Weise mitschuld ist an dem Mißbrauch. Man kann nicht einfach sagen »Oh, er mag es, und deswegen...«, weil das eine unzulässige Vereinfachung ist. Aber andererseits es einfach zu leugnen, wie es The Burning Bed tut, erweist der Sache auch keinen Dienst, weil das auch ungenügend ist, weil da definitiv mehr vor sich geht. Weil jemand, der zum Opfer gemacht wird, und das absolut nicht mag... wird irgend einen Weg finden, um da rauszufinden und nicht zurückzukehren. Aber das braucht Kraft, Kraft und Charakter.
artechock: Das Wesentliche ist einzusehen, daß diese Art von „Mitschuld“ die ganze Sache nicht im Geringsten entschuldigt. Nur weil da etwas in der Persönlichkeitsstruktur des Opfers als einer der Faktoren den Mißbrauch erst ermöglicht, heißt das doch keineswegs, daß es weniger schlimm und verwerflich ist, wenn ein Täter diese Persönlichkeitsstruktur ausnutzt. Zumal ja auch die Frage ist, wie das Opfer überhaupt zu dieser Persönlichkeit kommt – wer sie ihm oder ihr beigebracht hat.
DiNovis: Ja, das ist die Art, es auszudrücken. Das ist sehr wahr. Ich habe eine Menge über Serienkiller gelesen, die ihre Opfer »testen«. In ihrer Vorstellung wissen sie, wonach sie suchen, sie wissen, was sie tun wollen – offensichtlich weiß es das anvisierte Opfer nicht – aber was sie machen ist, sie verwickeln das Opfer in ein Gespräch oder spüren sie aus, und sie entwickeln dieses fast angeborene Gespür für »Das ist eine Frau, die nicht kämpfen wird. Das ist eine Frau, deren Schicksal es ist, ein Opfer zu werden.« – die sich selbst in diesem Licht sieht. Eine stärkere Frau meidet er, da fängt er gar nicht an damit. Und es gibt diesen Aspekt davon. Die Frau in einer solchen Situation MÖCHTE nicht so enden, und sie SOLLTE es nicht, auf keinen Fall – aber gleichzeitig gibt es da etwas, das jemand, der das ausnutzen möchte, spürt oder spüren könnte und nutzen könnte.
artechock: Du hast ja Lanh, das Opfer, selbst gespielt, nachdem der eigentlich vorgesehene Schauspieler ein paar Tage vor Drehbeginn einfach abgesagt hat – und es gibt einige Szenen in dem Film, da meint man: Das muß doch auch dem Schauspieler nahegehen, da muß doch eine Grenze zum bloßen Spielen überschritten sein. Gab es Momente, wo Dir etwas zu nahe kam?
DiNovis: Nicht so sehr, weil ich mich um soviel sorgen mußte mit dem anderen Hut, den ich aufhatte. Ich mußte wirklich in der Lage sein, da jeden Moment schlagartig herauszutreten und mich um banale Dinge zu kümmern, wie daß das Lagerhaus nicht fertig war, oder der Wagen... Pete/Trevor hat den Zündschlüssel gleich am ersten Tag verkeilt – er schob den falschen Schlüssel ins Zündschloß des Autos, ich weiß nicht, wie er den da reingebracht hat, aber er kriegte ihn nicht mehr raus, also sprang der Wagen nie an, wir mußten den Wagen anschieben und kuppeln, um ihn zu starten... – Ich war so beschäftigt mit Sachen wie dieser, daß es schwer war für mich, in diese Art Rolle richtig vertieft zu werden.
Aber was wir machten, als mir klar wurde, daß ich die Rolle spielen würde: Wir stellten den kompletten Drehplan um. Es waren drei Wochen; die erste Woche drehten wir überhaupt keine Szenen mit mir, wir machten nur Trevor und den anderen Typen, Dennis – alles, wo ich nicht drin vorkam, sodaß die Crew sich an mich als Regisseur allein gewöhnen und damit wohlfühlen konnte. Die zweite Woche dann drehten wir alle meine Szenen als Lanh, nicht als Dorothy, und nun konnten sie sich mit mir vor der Kamera, als Schauspieler, anfreunden. Und es war dann erst in der dritten Woche, daß wir die Garderobe rausholten und die Strapse anzogen und so, und zu dem Zeitpunkt war die Atmosphäre schon sehr angenehm... Es war wie eine Party, zu der jeder zurückkommen wollte und ein Teil davon sein wollte. Und die Crew war großartig – sie haben sogar... an einem Punkt haben die Gaffer, diese großen, muskulösen Typen, die immer bei den Scheinwerfern rumturnten und so, die haben einen „Drag-Day“, einen „Transvestiten-Tag“ ausgerufen und kamen auch in Kostüm, und sie hatten Spaß. (lacht)
artechock: Hör' ich da Echos von Ed Wood?
DiNovis: Ja (lacht), das gab es auch, jede Menge Witze über Ed Wood... Was auch gut war für mein Selbstvertrauen, weil ich mir dachte: Ganz egal, was ich mache, wenigstens habe ich die Ed Wood-Masche. Wenn’s wirklich völlig daneben geht, dann kann ich vielleicht so tun, als ob es absichtlich war. (lacht)
Weißt Du, was lustig ist? Auf dem Independent-Level ist es viel einfacher... die Leute sind viel nachsichtiger wenn du richtig kühn versagst. Wenn du vom höchsten Sprungbrett runterspringst und einen Bauchplatscher hinlegst – das Publikum würde das LIEBEN. Obwohl du versagt hast, obwohl du furchtbare Arbeit geleistet hast – besser als einen hervorragenden Sprung vom niedrigsten Brett vorzuführen. Sie lieben ein Spektakel, und wenn du mit großer Geste danebenhaust, dann sind sie dir viel wohlgesonnener, als wenn du auf einem kleineren Level versagst.
artechock: Gibt es denn viele Leute, die den Film nicht kapieren oder ihn nicht mögen?
DiNovis: Zumindest in Amerika ist alles noch sehr puritanisch, was Sex angeht. Und in den ersten fünf Minuten gibt es in dem Film eine Szene, wo ein Typ masturbiert, mit einer Gabel im Mund. Da verlieren wir dann schlagartig einen guten Prozentsatz unseres Publikums. Dabei hoffe ich, daß es elegant gemacht ist- der Film springt einem nicht ins Gesicht damit.
Ich sehe Surrender Dorothy immer als einen Film am Rand an, oder möglicherweise als einen Kultfilm – er hat ein kleines Publikum, aber dieses kleine Publikum ist viel fanatischer für ihn, als ein größeres Publikum es je gegenüber einem enorm erfolgreichen Blockbuster ist.
artechock: Hast Du den Film schon in Frankreich gezeigt? – Ich kann mir vorstellen, daß er dort er sehr gut ankommen würde.
DiNovis: Oh, ich würde es dort wahnsinnig gerne damit versuchen. Schon als wir den Film machten, selbst als er noch in Drehbuchform war, sagten immer alle: Ah, Deutschland, Deutschland – die Deutschen würden diesen Film lieben. Und ich dachte: Hmm, das ist etwas seltsam, ich frage mich warum? Und sie sagten: Oh, die stehen vielmehr auf Kino, die stehen vielmehr auf Kino, das herausfordernd ist – Kino, das nicht nur Oberfläche ist.
artechock: Bei Surrender Dorothy hatte ich den Eindruck, daß da wirklich jemand am Werk ist, der ganz genau weiß, was er tut, und der enormes Talent fürs Kino hat. Es war nicht einer dieser Independent-Filme, die nur deshalb so ausgefallen und schön erscheinen, weil die Macher nicht die Möglichkeiten oder Fähigkeiten hatten, den eigentlich gewollten Mainstream-Film hinzukriegen. Kannst Du Dir vorstellen, eines Tages ins Mainstream-Kino zu wechseln und zu versuchen, einen großen Film zu machen, der deswegen nicht weniger intelligent und vielschichtig ist?
DiNovis: Ich würde es versuchen so gut ich nur könnte. Um noch mal weit zurück zu gehen – ich wuchs auf mit Jaws und Poseidon Adventure, und deshalb habe ich auch Ideen für diese Hollywood Filme, deren Konzept sich mit fünf Worten beschreiben läßt. Und wenn ich einen Film sehe wie... oh, Gott, Godzilla, dann irritiert es mich wirklich, daß dieser Mann eine Chance bekommen hat, Godzilla zu machen und sie versaut hat. Wie kann man nur bei Godzilla danebenliegen? Da kann man nichts falschmachen – da liegt doch alles für einen bereit. Und trotzdem ist es solch ein Kinderkram geworden, daß es echt verstörend war.
Ich glaube daß Spielberg – hin und wieder – dem nahe kommen kann, daß er einen großen Big-Budget Sommer-Blockbuster macht wie Jurassic Park und dennoch gute Qualität abliefert... Was ich damit meine ist – Du kennst Jurassic Park? – diese Exposition über die Dino-DNA, mit diesem kleinen Cartoon-Typ... das ist die brillanteste expositorische Szene, die ich je in einem Film gesehen habe. Er kriegt all diese langweilige Information rüber, in einem glaubwürdigen Kontext – denn es ist ein Vergnügunspark, klar, die fahren da durch und bekommen das erklärt... Vielleicht geht das nicht viel über das technische, das Problemlösungs-Level hinaus, und in einem solchen Film braucht man vielleicht auch nicht mehr Tiefe. – Aber: Ja, ich würde denken daß ich, selbst in einen Weltraum-Action-Film da hinein etwas packen könnte. – Es versuchen, einen Weg auzutüfteln, um dem Formelhaften subversive Elemente einzuflößen.
Das schwierige für mich im Moment ist: was kommt als nächstes? Wozu habe ich vernünftigerweise Zugang? Weil ich natürlich kein Geld mehr habe, überhaupt keins, schlimmer als das – vorher hatte ich noch Kreditkarten, jetzt habe ich auch keine Kreditkarten mehr. (lacht) Jetzt ist die Frage: Wie kriege ich diesen nächsten Film gemacht? Und der erste Schritt ist immer ein Drehbuch, aber es ist so: Was möchte ich mich ganz widmen? Möchte ich einen weiteren von diesen wirklich dunklen, potentiell befremdenden Filmen machen, den die meisten Leute nicht mögen werden, und einige Leute ganz enorm mögen werden? Oder möchte ich versuchen, etwas ein bißchen mehr im Mainstream zu machen – aber dann reden wir über ein wesentlich höheres Budget, und dann ist es viel schwieriger, dieses Geld zusammenzubekommen.
Ich mag Welles; ich mag die Vorstellung, daß es ihn vielleicht zwölf Jahre kostet, einen Film zu machen, aber er brachte die Schauspieler zusammen und drehte an Wochenenden, was immer er tun muß... Ich mag The Trial (Der Prozeß) sehr gerne. Ich mag auch Derek Jarman, einfach wegen der Kühnheit – daß er diese Kostümfilme machte, aber er machte sie so stilisiert, mit einem derart minimalen Budget... Ja, ich denke vielleicht etwas in der Art.
Jemand sprach davon, daß Surrender Dorothy meine filmische Visitenkarte sei, und in gewißer Weise... Die Hollywood-Mentalität ist so... alles, was Du darüber gehört hast, ist wahr. The Player ist keine Satire, es ist ein Dokumentarfilm, wirklich. Man trifft diese Leute, und...
gottseidank habe ich Sinn für Humor, und ich gehe in diese Meeting – ich treffe Agenten und so – und ich gehe in diese Meetings und weiß, man kann im Prinzip das Meeting danach bewerten, wie weit man mit seinem Getränk kommt. Die geben einem ein Limo oder so, und wenn du dazu kommst, das Limo ganz auszutrinken, dann war es ein gutes Meeting... Es ist wirklich übel.
Aber wie ich immer wieder sage: Es ist ein Leben, keine Karriere. Ich hätte Priester werden können, wenn ich den
inneren Zwang verspürt hätte, die Berufung »Ich muß Priester werden, es gibt nichts anderes, was ich tun muß« – dann hat das völlig seine Berechtigung. Und niemand würde es mir ankreiden, daß ich Sex aufgeben würde und Geld, und Gehorsam gegenüber allem außer Gott. – Es ist etwas hoch gegriffen, das mit Film zu vergleichen, aber ich denke, mit jeder Art von Kunst oder kreativem Unterfangen, Schreiben, Kritik, was immer, fühlst du die Liebe dazu, den inneren Zwang, es zu tun.
– Und deswegen, mit oder ohne Hollywood, ist es mein Ziel, einen weiteren Film zu machen. Wenn ich dafür zehn Jahre brauche – fein; wenn es mir nie vergönnt ist, einen zweiten zu machen – auch gut, solange ich bei dem Versuch sterbe, ihn auf die Beine zu bringen. Ich muß meinem Potential gerecht werden.