»Ich glaube nicht an die Kraft der Gedanken« |
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Josef Hader in Silentium | ||
(Foto: Senator) |
Josef Hader ist der vielleicht bekannteste Kabarettist Österreichs. Seit seinem 1991 gemeinsam mit Alfred Dorfer geschriebenen Stück INDIEN, das zwei Jahre später verfilmt wurde, ist Hader auch als Autor berühmt. Nachdem er ab 1994 über Jahre hinweg sein Kabarett-Programm „Privat“ zum meistgesehenen in Österreich (350 000 Zuschauer) gemacht hat, trat er in den nächsten Jahren in einigen Filmproduktionen auf, etwa in Der Überfall oder Gelbe Kirschen. Im Jahr 2000 spielte Hader erstmals den Privatdetektiv Simon Brenner, bei der sehr erfolgreichen Verfilmung von Wolf Haas' Krimi Komm, süßer Tod unter der Regie von Wolfgang Murnberger. Mit Silentium ist nun ein weiterer Krimi von Haas verfilmt worden. Wieder mit dem gleichen Dreier-Team. Und wieder hat Hader neben der Darstellung von Brenner auch am Drehbuch mitgearbeitet.
Mit Josef Hader sprach Thomas Schöffner.
artechock: Ist Simon Brenner Österreichs morbide Antwort auf James Bond?
Josef Hader: Ein Österreicher kann wahrscheinlich mit der Eigenschaft morbide etwa so viel anfangen, wie ein Fisch mit dem Begriff nass. Aber der Brenner hat natürlich schon eine lange amerikanische Tradition: diese runtergesandelten Privatdetektive, die aus dem letzten Loch pfeifen. Das ist wohl eine amerikanische Erfindung. Brenner ist halt ein bisserl statischer, weniger beweglich und ein wenig schlechter gelaunt die ganze Zeit.
artechock: Wie muss man sich die Arbeit am Drehbuch vorstellen, das sie ja zu dritt geschrieben haben? Wolf Haas achtete auf seine Geschichte, Wolfgang Murnberger brachte das Visuelle ins Spiel, und Sie waren zuständig für den Spaß?
Hader: Nach Komm, süßer Tod wollte Wolf Haas keine Drehbuchfassungen mehr schreiben. Er fand es deprimierend, dass entweder etwas schlechter wird als im Roman – oder besser. Aber beides gleich deprimierend. Also haben der Wolfgang Murnberger und ich alternierend Fassungen geschrieben, wobei wir für alles zuständig waren und grundsätzlich die Fassung vom anderen in die Tonne geworfen haben. Wolf Haas war der Jolly Jocker, der vermittelt hat und aus der Distanz dann Ideen entwickelte.
artechock: Am Ende wurde das Drehbuch gegenüber dem Roman sehr verändert. Hat Wolf Haas das als Zugeständnis an den Film akzeptieren müssen?
Hader: Ich glaube nicht, dass eine Drehbuchfassung, die näher am Buch gelegen wäre, Wolf Haas mehr Spaß gemacht hätte. Außerdem ist an Silentium das besondere, dass er aus fünf ganz großen Dialogen besteht, in denen die Geschichte weiter getrieben wird. Das war nicht der Film, den wir machen wollten.
artechock: Der Film hat sehr viel Handlung. Vielleicht werden manchmal sogar zu viel Handlungsstränge angelegt, worunter die Dramaturgie dann leidet. Wurde das billigend in Kauf genommen, oder war es Stilmittel?
Hader: Das war das Problem, wenn Wolf Haas, Wolfgang Murnberger und ich zusammen gearbeitet haben, dann haben alle sehr viel Ideen. Andererseits sind wir sehr freundliche Menschen, die ungern auf etwas verzichten. So passiert, dass vielleicht drei, vier Ideen zu viel drinnen sind. Dies ist uns auch bewusst. Letztlich sagten wir, lieber zu viele als zu wenig Einfälle. Aber ich bin schon entschlossen, dass wir da beim nächsten Mal entschiedener zur Sache gehen.
artechock: Wessen Idee war denn die Radikalisierung von Sex und Gewalt im Gegensatz zum Roman?
Hader: Das ist die ästhetische Kompetenz von Wolfgang Murnberger. Der sagt, die Kinocenter sind voll von Mainstream Filmen, wo pro Film fünfhundert bis fünftausend Menschen umgebracht werden. Und Gewalt oder der Tod sind dabei niemals etwas Schlimmes. Er will bei Silentium zeigen, dass Gewalt nicht so lustig ist. Dass es unangenehm ist, wenn man sie erleidet. Aber auch unangenehm, wenn man zuschauen muss. Deshalb lässt er die Kamera manchmal zehn, fünfzehn Sekunden länger drauf, als man es normalerweise machen würde.
artechock: Das Thema des Kindermissbrauchs, das Sie ja mit Silentium noch vor dem Skandal in St. Pölten abgedreht hatten, scheint ausführlicher als im Roman.
Hader: Das liegt wohl an den Bildern. Man sieht halt die Duschszenen, und die sind ziemlich einprägend. Im Buch reden sie dagegen seitenlang darüber. Es ist die Kraft des Visuellen.
artechock: Wie sieht es denn mit dem Realismus aus, etwa im Vergleich zu Komm, süßer Tod?
Hader: Was die Schilderung eines Milieus angeht, ist Komm, süßer Tod natürlich der realistischere Film. Silentium will dagegen ein wenig fiktiv sein. Er versucht, ein bisschen Mythos hineinzubringen, das Ganze zu überhöhen, ein bisschen Gruselmärchen zu erzählen.
artechock: Wie ist die harsche Kritik an der katholischen Kirche einzuordnen? Sie waren ja selbst als Jugendlicher in einem erzbischöflichen Knabeninternat.
Hader: Wenn man sich dazu im Milieu auskennt, kann man natürlich kleine Bosheiten noch schöner machen. Dann hat man natürlich auch ein Gefühl für bestimmte religiöse Symbole, und dafür, wo Tabus zu Hause sind. Man kann immer dort die beste Satire machen, wo man daheim ist. Mir geht es da mehr um die Lust an der eigenen kleinen Bosheit. Persönlich habe ich da eigentlich nichts aufzuarbeiten, speziell am Katholischen. Also irgendwelche Defekte, die ich gekriegt habe, weil ich mit zehn Jahren in ein Internat gekommen bin. Und ob dies alles aufgewogen werden kann dadurch, dass ich schlecht Klavierspielen gelernt habe, oder im Chor gesungen habe, was ich jetzt fürs Kabarett oft brauchen kann. Wie da die Bilanz ausschaut, dass möchte ich nicht beurteilen. Ich habe aber noch viele Freunde in dem Milieu. Auch Erzieher. Das Wichtigste ist aber vielleicht, dass es die Siebziger Jahre waren. Und die Siebziger waren so ziemlich seit Bestehen der katholischen Kirche die beste Zeit, wo man in der Kirche hat erzogen werden können. Insofern ist da bei mir keine tief sitzende Aggression. Eher die Enttäuschung, in welche Richtung sich die Kirche seit dieser Zeit entwickelt hat. Die sich dann in kleinen Gemeinheiten in Silentium artikuliert.
artechock: Andere würden dies vielleicht als Blasphemie bezeichnen. Etwa in der Szene, wo Brenner wie Jesus das Kreuz schleppt.
Hader: Versuchen Sie mal ein Kreuz zu tragen. Als Einzelner alleine. Sie können versuchen eine Methode zu finden, die nicht die klassische ist – es haut nicht hin. Es ist einfach die einzige mögliche und bequemste Form, ein Kreuz zu tragen, in dem man es so auf die Schulter nimmt. Ich halte es für einen sehr engen Begriff von Blasphemie. Weil ich spuck nicht darauf oder so. Ich trage es nur zum Reparieren. Weil es wurmstichig ist. Und die Kamera steht dort, dass man lachen muss. Da muss man schon stark im konservativen Eck stehen, um das als Gotteslästerung zu sehen.
artechock: Oder die Szene, in der Brenners ermordeter Mitbewohner mit geöffneten Armen blutig von der Decke herab baumelt, also wie ein umgekehrt Gekreuzigter aufgehängt ist.
Hader: Das ist mir gar nicht aufgefallen. Ich bin da eher von den Dreharbeiten geprägt. Der Schauspieler ist ein Freund von mir. Er wiegt ungefähr 120 Kilo. Man hat im oberen Stock extra einen Kran aufgebaut. Trotzdem hat es der Kran nicht geschafft, ihn ganz hängen zu lassen. Also haben wir gesagt, er soll sich mit der Schulter am Tisch abstützen. Natürlich musste er dafür auch die Arme ausbreiten. Blasphemisch ist für mich dagegen, wenn man religiöse Symbole in einer Art und Weise behandelt, die signalisiert, das man sie gering schätzt.
artechock: Wo meint es Silentium dann wirklich ernst?
Hader: Für mich ist vielleicht die ärgste Szene in unserem Film, wenn der Priester in seinem Milieu der latenten unausgelebten Sexualität derartig ohne Gefühl sein kann, um gegenüber Brenner die Entjungferung der jungen Mädchen mit den Worten zu entschuldigen: »Denen macht es eh Spaß, nach dem zweiten oder dritten mal« In dieser Szene wird auf drastische Art darauf hingewiesen, dass andauernd irgendwelche Priester ihren Kommentar abgeben, sich aber überhaupt nicht mit Sexualität auskennen. Vieles anderes ist im Film dagegen doch zauberhaft, etwa wenn der Junge beim Friedensgruß mit der abgeschnittenen Hand in die Kirche kommt. »Wir reichen einander zum Zeichen des Friedens die Hände« ... Das ist ja fast liebevoll.
artechock: Das werden aber vielleicht ein paar Zuschauer gar nicht verstehen. Muss man für SILENTIUM! nicht einiges an Vorwissen mitbringen?
Hader: Man hat immer sehr verschiedene Möglichkeiten etwas zu verstehen. Man kann sagen, es ist ein spannender Film, oder mich interessieren die Figuren-Konstellation, oder mich interessiert jeder noch so kleine symbolistische Witz über die katholische Kirche. Und man bringt niemals all das beim Zuschauer an, was man sich selber gedacht hat. Umgekehrt ist es so, dass die Zuschauer irrsinnig viel finden, was man selber gar nicht gedacht hat. So funktioniert künstlerische Vermittlung. Man kann Silentium jederzeit verstehen, oder irgendwelche kirchliche Dinge zu wissen. Dann ist es halt fremd und geheimnisvoll für einen. Letztendlich ist Silentium ein Unterhaltungsfilm. Es ist kein gesellschaftskritischer Film, das ist er nebenbei. Es ist kein satirischer Film über die Kirche, das ist er nebenbei. Er ist eine Mischung aus verschiedenen Genres, aus Thriller, Komödie, Groteske, und kann für verschiedene Menschen alles mögliche sein.
artechock: Gilt dies auch für die Modellflugzeug-Sequenz, in der an Hitchcocks Der unsichtbare Dritte angespielt wird?
Hader: Genau. Das kann man entweder wissen, dass das ein Film-Zitat ist, oder man findet es einfach spannend, witzig oder absurd. Das ist ganz wichtig für mich, weil mich interessiert keine Kunst, kein Kabarett-Programm, kein Film, kein Roman, wo man unglaublich viel wissen muss, um es zu verstehen. Das geht mir, ganz ehrlich gesagt, am Arsch vorbei. Wahrscheinlich weil ich kein wirklich Intellektueller bin. Ich glaube nicht an die Kraft der Gedanken.
artechock: Könnte man Sie wie die Opernstars in Silentium auch ködern oder erpressen, um Sie für einen Film zu gewinnen?
Hader: Mich kann man Gott sei Dank nicht erpressen! Weil ich mach' ja keine heilige Kunst. Also ich bin nicht in Vorabendserien. Auch nicht im Hauptabendprogramm. Erpressen Sie mal jemand, der geschmacklose Programme macht. Vielleicht damit, dass er Weihnachten ganz normal feiert. Das könnte vielleicht klappen.