09.11.2000

»Schnelle Autos fahren, schießen, etc.«

Richard Roundtree und Samuel L. Jackson
Onkel und Neffe Shaft: Richard Roundtree und Samuel L. Jackson

Samuel L. Jackson im Gespräch

Samuel L. Jackson hat es als einer von wenigen schwarzen Schau­spieler geschafft, zu einem beliebten Hollywood-Star zu werden. Stück für Stück hat er sich aus Rollen­kli­schees heraus­ge­ar­beitet, heute kann er souverän mit ihnen spielen. So auch in John Single­tons Shaft: Mit der Rolle des Privat­de­tek­tivs John Shaft übernahm Jackson den Part einer Ikone des schwarzen Blax­ploita­tion-Kinos der frühen 70er. Außerdem ist Jackson gerade in William Friedkins Rules of Enga­ge­ment (Rules – Sekunden der Entschei­dung) in den deutschen Kinos zu sehen.

Das Gespräch mit ihm führte Rüdiger Suchsland.

artechock: Sie spielen „Shaft“, den Held des schwarzen Blax­ploita­tion-Kinos. Was haben Sie für ein Verhältnis zu dieser Figur?

Samuel L. Jackson: Zunächst einmal ein ganz persön­li­ches: Ich hab mir den Typ früher im Kino und im Fernsehen angeguckt. Ganz allgemein habe ich immer gerne solche Sachen gesehen: ein Held, der die Welt wieder in Ordnung bringt. Das war dieser Shaft natürlich auch. Aber noch viel wichtiger: unter all diesen good guys war da plötzlich einer, der so angezogen war, wie ich selber, der so redete, wie ich selber – das war etwas wirklich neues.

artechock: Shaft war also deswegen so attraktiv, weil er ein schwarzer Held war?

Jackson: Klar. Überlegen Sie sich mal: Davor mussten wir Schwarzen uns immer mit Helden iden­ti­fi­zieren, die Weiße waren. Heute ist die Hautfarbe eines Helden nicht so wichtig. Ich habe viele weiße Fans, und man mag auch Lawrence Fishburne oder Jackie Chan. Damals waren solche Fragen aber auch von poli­ti­scher Bedeutung. Das war die Zeit der Schwar­zen­be­we­gung und ihres Kampfes um Gleich­be­rech­ti­gung. Dagegen gab es massive Gegen­ten­denzen von konser­va­tiven Weißen. Martin Luther King wurde ermordet. Und die Kino­helden waren Typen wie James Bond: ziemlich konser­va­tive Weiße Typen, Schlau­meier, die immer viele Frauen abbekamen. Es gab sogar einen 007-Film, in dem die Bösen alles Schwarze waren. Dass so etwas nichts mit Politik und Rassismus zu tun hatte, kann mir keiner erzählen.

artechock: Von der Hautfarbe einmal abgesehen: Was reizte Sie an John Single­tons Film Shaft?

Jackson: Dass er ein cooler Typ ist. Dass er alle Frauen bekomme [Lacht] – nein, im Ernst: So cool ist der neue Shaft gar nicht. Er ist ein Held unserer Tage, also viel verletz­li­cher als der frühere, in sich gekehrt, einer, der erst einmal zu sich selbst finden muß. Er ist schon lässig, aber ande­rer­seits auch wieder nicht, weil er sehr impulsiv ist.

artechock: Egal wie cool John Shaft ist: Sie selbst gelten als supercool. Wie machen Sie das, was ist ihr Geheimnis?

Jackson: Ich wundere mich auch immer wieder, wenn die Kids zu mir kommen und schwärmen: Du bist sooo cool, du bist der Coolste. Als ich in ihrem Alter war, inter­es­sierten mich Leute um 50 überhaupt nicht. Wenn ich mich im Spiegel anschaue, dann sehe ich auch nicht so aus wie die 51-Jährigen in meiner Jugend aussahen. Ich habe keine Ahnung, was es ist. Wenn ich es defi­nieren und in eine Flasche abfüllen könnte, würden ein paar Leute es jeden Abend über sich gießen, bevor sie in die Clubs gehen. Ich habe etwas erreicht, darauf beruht eine gewisse Lässig­keit und Selbst­ver­trauen.
Früher war ich viel unsi­cherer. Ich hatte nicht den Erfolg, den ich glaubte zu verdienen, und meine Karriere bewegte sich nicht so schnell wie ich es wollte. Ich kam dann mit roten Augen und Bierfahne zu Vorstel­lungs­ge­sprächen. Das war sehr uncool, auch wenn ich mir toll vorkam. Ich musste damit aufhören. Und das tat ich dann. Von da an ging alles sehr schnell.

artechock: Sie sind heute einer der best­be­schäf­tigten Schau­spieler Holly­woods. Ist die Gagenhöhe noch wichtig für Sie ? Oder was bestimmt Ihre Rollen­aus­wahl?

Jackson: Geld ist nicht unwichtig. Es sagt sich immer leicht: »Für mich spielt das keine Rolle«, wenn man schon viele Millionen hat. Ganz so ist es aber nicht. Natürlich ist die Heraus­for­de­rung das Entschei­dende, die Passion, die man fühlt. Sonst würde ich nicht auch sehr viele Angebote ablehnen.

artechock: Sie sind nicht zuletzt mit Inde­pen­dent-Produk­tionen berühmt geworden. Sie haben bei Tarantino gespielt.

Jackson: Ja, ich bin selbst ein Inde­pen­dent. Nach meiner Erfahrung sind Inde­pend­ents viel enga­gierter. Sie arbeiten voller Leiden­schaft und Emotion. Und sie nehmen ein viel größeres Risiko auf sich, weil sie kein Riesen-Studio im Rücken haben. Das überträgt sich zuerst auf die Schau­spieler, dann auch auf das Publikum. Die Rollen in Inde­pen­dent-Filmen sind viel inter­es­santer.
Mit Tarantino zu drehen hat sehr viel Spaß gemacht. Er ist ein großer Künstler, er genießt den Prozeß des Filme­ma­chens sehr. Und er erlaubt uns Akteuren, ihn ebenfalls zu genießen. Sein Enthu­si­asmus ist größer, als der der aller­meisten Filme­ma­cher. Er ist fair, offen, er reagiert auf das, was ein Schau­spieler tut – ein sehr genauer Beob­achter. Es ist eine Freude.

artechock: Hatten Sie, als Sie Pulp Fiction gedreht hatten, irgend­eine Vorstel­lung von dessen späterem Erfolg?

Jackson: Ehrlich gesagt: Ich las das Drehbuch sehr genau. Ich mochte es, aber hielt es nur für ein bestimmtes Publikum geeignet. Dass es so viele anspre­chen würde, hatte ich nicht geglaubt.

artechock: Was ist Ihr Ziel als Schau­spieler?

Jackson: Es macht schon Spaß, in typischen Hollywood-Mons­ter­pro­duk­tionen mitzu­spielen. Wie Die Hard. Man darf schnelle Autos fahren, schießen, etc. – Ich bin mit solchen Filmen aufge­wachsen, und mag sie sehr sehr gern. Ich wollte so etwas immer machen, und jetzt habe ich es endlich geschafft. Als Kinder haben wir das immer in den Straßen gespielt: »Bang, Bang, Bang«.
Solche Filme sind durchaus große cine­ma­to­gra­phi­sche Erfah­rungen. Das ist ein Teil der Film­ge­schichte. Aber ein Schau­spieler zu sein, bedeutet mehr. Es gibt viele Kollegen, die machen sich ein gutes Leben, indem sie fort­wäh­rend den gleichen Typ spielen, immer und immer wieder. Sie sollen tun, was sie tun müssen. Aber mein Ziel ist das nicht. Ich will eine größere Breite an Charak­teren spielen.

artechock: Würden Sie sagen, daß Sie einer sind, der es geschafft hat, „weiße Rollen“ zu spielen? Ist Ihre Hautfarbe im heutigen Hollwood noch sehr beschrän­kend?

Jackson: Nun, ich lese ein Script, und wenn es mich inter­es­siert, dann nehme ich die Rolle – egal, ob das ein Schwarzer oder Weißer ist. Aber ganz klar: wenn man ich fragt, dann will man einen Schwarzen. Die Figur in Jackie Brown war schwarz, auch die in True Romance.
Aber das ist ok. Ich lese viele Scripts, die rassen­spe­zi­fisch sind, aber es gibt auch viele, die sind es nicht. Manchmal muß man natürlich jemanden über­zeugen, daß man eine Rolle auch als Schwarzer spielen kann.

artechock: Gibt es Rollen, die Sie aufgrund Ihrer Hautfarbe nicht bekommen haben?

Jackson: Ja. Aber es gibt auch Rollen, die ich nur deshalb bekam. Als Weißer hätte ich nicht Shaft spielen können. [Lacht]

artechock: Was denken Sie über explizit schwarzes Kino wie das eines Spike Lee? Bei der Pres­se­kon­fe­renz auf der 97er-Berlinale haben Sie ihn heftig ange­griffen. Jetzt spielen Sie bei Singleton.

Jackson: Spike Lee möchte uns schwarzen Schau­spie­lern vorschreiben, welche Rollen wir zu spielen haben, und welche nicht, das hat mich sehr gestört. Aber ich verdanke Spike Lee auch viel. Spike Lees Kino spricht nur ein bestimmtes, sehr kleines Publikum an. Auf mich wirkt er wie ein Dino­sau­rier. Singleton dagegen denkt freier. Er macht Kino für ein breites Publikum. Wenn man das will, muss man sein Thema so erweitern, dass man viele Menschen anspricht. Es gibt eine neue Gene­ra­tion von Regis­seuren und Autoren, die einfach gute Geschichten schreiben. Sie handeln von Schwarzen, aber es sind keine „Schwar­zen­filme“. Das hat sich in den letzten zehn Jahren entwi­ckelt.

artechock: Bruce Willis, mit dem Sie befreundet sind, hat gele­gent­lich das „abge­ho­bene“ Dasein eines Holly­wood­stars beklagt. Wie geht es Ihnen damit?

Jackson: Das kommt auf einen selber an. Es gibt wenige Freunde von früher, die ähnlichen Erfolg haben, wie ich. Und gegenüber neuen Bekannten bin ich sehr vorsichtig. Ich weiß nicht, ob Sie mit mir Kontakt haben wollen, weil ich berühmt bin, oder weil sie einen Job wollen. Natürlich hat man keinen normalen Job. Aber ich habe nach wie vor auch Freunde, die ich seit 20 Jahren kenne, wir passen auf unsere Kinder auf, und verbringen Thanks­gi­ving zusammen. Meine Familie und ich sind sehr boden­s­tändig. Ok, ich habe Erfolg, aber ich weiß auch, wie es früher war. Ich weiß immer noch, was es heißt, hungrig zu sein. Und ich lebe durchaus einen moderaten, konser­va­tiven Lebens­stil. Natürlich habe ich an größeres Haus und einen größeren Wagen, aber wir sparen weitaus mehr, als wir ausgeben.

artechock: Sind Sie ein poli­ti­scher Künstler?

Jackson: Nicht mehr so, wie mit Anfang 20, da habe ich an der Univer­sität demons­triert. Ich bin kein Aktivist. Ich denke nicht, daß meine Meinungen wichtiger sind, als die anderer, bloß weil ich eine öffent­liche Figur bin.

artechock: Aber Ihre Worte haben mehr Gewicht.

Jackson: Ja, aber es gibt auch Leute, die drehen gleich den Fernseher aus, weil sie andauernd einen von diesen Hollywood-Typen sehen, der ihnen sagt, was sie denken sollen. Das versuche ich zu vermeiden. Ich will niemandem sagen, was sie denken sollen. Aber immerhin kann ich sagen, was ich denke. Aller­dings macht es wenig Sinn, wenn jeder sagt, was er über Obdach­lose oder die Menschen­rechte in China denkt. Wenn einer 20 Millionen Dollar im Jahr verdient, und sich um Obdach­lose sorgt, soll er ihnen doch lieber 10 Millionen abgeben. Und nicht sagen, was sie tun und lassen sollen.

artechock: Haben Sie das denn schon gemacht?

Jackson: Also ich habe noch nie 20 Millionen verdient! Aber in der Tat unter­s­tützen meine Frau und ich ein Projekt, um die Erzie­hungs­chancen für schwarze Kinder zu verbes­sern. Viele meiner Freunde sind nicht erfolg­reich. Sie wollen keine Almosen, und ich gebe ihnen auch keine. Aber ich kann ihnen viel­leicht einen Job besorgen. Im Kern habe ich mich nicht verändert. Ich mache nichts Außer­ge­wöhn­li­ches, ich hänge mit den gleichen Leuten rum, schaue Foot­ball­spiele – ich bin der Gleiche geblieben. Es gibt nur einige, die das nicht ertragen. Die verschwinden.