USA 2000 · 99 min. · FSK: ab 16 Regie: John Singleton Drehbuch: John Singleton, Shane Salerno, Richard Price Kamera: Donald E. Thorin Darsteller: Samuel L. Jackson, Vanessa L. Williams, Jeffrey Wright, Christian Bale u.a. |
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Who is the man... | ||
(Foto: UIP) |
Buschige Koteletten, Muskeln, die sich unterm schwarzen Rollkragenpulli abzeichneten, coole SprücheAnfang der 70er war John Shaft der neue Supermann des schwarzen Kinos. Richard Roundtree verkörperte den New Yorker private eye, eine idealisierte Figur, die Retter und Rächer vereinte, deren Coolness kein stoisches Aushalten der schlechten Welt bedeutete, sondern lässige Überlegenheit. Ein Heros besonderer political correctness war Shaft dabei nie, der sexistische, gewalttätige und zu zynischen Sprüchen neigende Macho fungierte eher als schwarzes Pendant zu all den weißen Rotsehern, die dort einmal richtig aufräumten, wo sich die Polizei schon lange nicht mehr hintraute. Aber für seine brothers hatte Shaft immer ein offenes Ohr und ein großes Herz.
30 Jahre später lässt ihn nun John Singleton wieder auferstehen. Der Regisseur, der sich mit Filmen wie Boyz 'n the Hood und Rosewood als gut beobachtender, aber auch pathetischer, gelegentlich arg moralisierender Vertreter schwarzer Anliegen einen Namen machte, probiert hier einmal etwas anderes: einen weitestgehend mainstreamigen Actionfilm mit einem schwarzen Helden. Klassisches Popcorn-Kino einerseits, auf der Welle der 70’s-Retros mitsurfend, doch dadurch, dass hier Rassenfragen in ganz anderer Weise verhandelt werden, auch eine Form, die unzweifelhaft vorhandenen politischen Botschaften des Regisseurs auf andere Weise unters Volk zu bringen (und ein anderes Publikum anzusprechen).
»Too black for the uniform, too blue for the brothers« auch der neue, von Samuel L. Jackson mit routinierter Präsenz gespielte Shaft leidet unter dem Dilemma seines Urbildes. Kein Remake, sondern manchmal selbstironische- Fortsetzung knüpft Shaft an das genussvolle Zelebrieren der Überlegenheit des schwarzen Mannes an, weiß aber immer um die sozialen Grenzen dieses Heldentums. Will er Verbrecher jagen und »seine Leute« nicht verraten, muss er sich offenbar als Einzelkämpfer durchschlagen. Zum New York Model des Bürgermeisters Guiliani verhält sich das ambivalent: einerseits verkündet Shaft die rechts-libertäre Message, dass die Gesetze ja eh nur dafür sorgen, dass die Verbrecher zu schützen, und verlässt, als wieder mal der Mörder eines Schwarzen davonkommt, die Polizei, um sich privat an seine Fersen zu heften. Außergesetzliche Gewalt, provozierte Taten und gefälschte Beweise sind hier mitunter legitime Methoden des good guys, anders gehe es nicht wird suggeriert, denn die Polizei ist überfordert und überdies korrupt. Diese Diagnose ist, ebenso wie die zynische Grundierung vieler Dialoge, mehr als bloße Pose und Herbeizitieren alter Stimmungen. »It’s Guiliani time!« ruft Shaft sarkastisch und bestätigt damit, dass es nicht nur um Fantasien des Unterhaltungskinos geht.
Zugleich verflüssigt Singleton die Perspektiven, zeigt wie Shaft auch Weiße beschützt, zeigt auch in aller Härte schwarze Amerikaner als Opfer (aber nicht wehrlose) und macht zum Thema, dass sich Schwarze gerade im New York Guilianis in bestimmten Vierteln längst nicht mehr sicher fühlen können, und sei es, weil ihnen eine falsche Bewegung schnell eine Polizeikugel einträgt. Diese andere Seite liegt auch im Aufzeigen alltäglicher Rassismen, im Portrait des weißen Mörders. Christian Bayle spielt diesen WASP-Yuppie in direkter Anknüpfung seiner Rolle in American Psycho. Sein Panzer aus arroganter Kälte ist da Gegenbild zur Coolness Shafts.
Viel mehr als 1971 ist der ein Outsider, kein Held der Straße mehr, der immer und überall ansprechbar ist, sondern ein lone rider der Großstadt. Im wehenden langen Ledermantel, der an die urbanen Samurais des asiatischen Kinos erinnert, kommuniziert er wenig, gebraucht Worte als Mittel, um Distanz zu schaffen. Doch so ganz funktioniert die reine Form nicht. Seine Integrität bekommt Shaft gerade durch den impulsiven Bruch mit der Maske der Unangestrengtheit. Wenn er (verdient)
zuschlägt, wenn er seinen Polizeimarke in die Holzwand schleudert wie einen mittelalterlichen Morgenstern, dann kann er seine Verletzlichkeit nur noch als Konsequenz tarnen.
Sein größtes Gegenbild findet Shaft allerdings im Gangster Hernandez (großartig: Jeffrey Wright). In der Figur des ununterbrochen quasselnden, großspurigen Latinos trifft sich das schwarze Kino der Gegenwart mit dem weißen: diese moralische cucaracha ist der Inbegriff alles Verachteten. Erst ihm
gegenüber kann Shaft seine herrscherlichen Gesten völlig ausleben, seine überlegene Lakonie, mit der er auf eine Welt reagiert, in der die Sprache für Lüge steht. Nur wer schweigt, lügt nicht.
Nun also Shaft. Bei der steten Suche der Filmstudios nach verwertbarem Material hat man schließlich den schwarzen Superheld des 70er Jahre Blaxploitation entdeckt. Dem talentierten John Singleton übertrug man die Regie, Samuel L. Jackson ist die perfekte Wahl für den neuen Shaft, die restliche Darstellerriege umfaßt alte Kultfiguren (Richard Roundtree) ebenso wie neu (Busta Rhymes) und Isaac Hayes durfte seinen Funkklassiker nach einer kleinen Modernisierung auch wieder beitragen. Gute Voraussetzungen also und das Ergebnis ist überaus amüsante Unterhaltung auf der Höhe der Zeit mit Action, coolen Sprüchen und harten Typen.
Natürlich darf man diesen Shaft nicht mit dem Original vergleichen, weil dieses aus einer ganz anderen Zeit stammt und mittlerweile einen Kultstatus besitzt, der ohnehin nicht zu überbieten ist. Ich habe grundsätzlich auch nichts gegen Fortsetzungen wie diese und sehe darin nicht die Blasphemie, die manche Puristen dahinter vermuten. Dass mich der neuen Shaft trotzdem vielfach enttäuscht, liegt weniger an der geboten Unterhaltung, als vielmehr an den Tendenzen in der Filmindustrie, für die dieser Film exemplarisch steht.
Im Vorspann zu Comicverfilmungen ließt man oft den Hinweis »Based on the character created by...«. Beim aktuellen Shaft (wie z.B. auch bei Mission:Impossible) müßte es dagegen heißen »Based on a song by...«. Wenn selbst der Regisseur Singleton in einem Interview offen zugibt, dass ihm bei der Neuverfilmung vor allem das Lied, der Mantel und ein guter Schauspieler wichtig waren, dann muss einem das doch zu denken geben. Da drängt sich der Verdacht auf, dass es hier keineswegs, wie von den Produzenten gerne kolportiert, um die Fortsetzung der Shaft-Serie geht, sondern dass einem beliebigen Actionfilm zwecks Gewinnsteigerung ein altbewährtes Label aufgedrückt wird. Dass diese Trademark mit dem neuen Produkt nichts außer einem Titelsong und einer Lederjacke gemeinsam hat, scheint dabei niemanden zu stören.
Der in diesem Zusammenhang gerne gebrachte Verweis auf James Bond hinkt schon deshalb, weil um Bond von Anfang an ein einheitlicher Kult mit geschüttelten Martinis, trickreichen Autos, Mr. Q und Mr. M gemachte wurde und diese Eigenschaften die Figur des 007 in jedem neuen Film sofort vertraut wirken lassen. Den neuen Shaft dagegen versucht man vom alten so weit als möglich abzugrenzen (was etwa wurde aus der »Sexmachine«), was darin gipfelt, dass man ihn sogar körperlich vom Original unterscheidet (der neue Shaft ist der Neffe des Originals). Das ist zwar logischer als ein ewig junger Bond, aber wenn man schon so gewissenhaft ist, dann sollte der Film nicht Shaft sondern Shaft’s Nephew heißen.
Weit schlimmer als dieser Etikettenschwindel ist in meinen Augen jedoch die Nivellierung des schwarzen Kinos, die in Shaft vorgeführt wird.
Die Wirkung des ersten Shaft und der folgenden Welle schwarzer Filme, die man unter dem Begriff Blaxploitation zusammenfaßte, wurde und wird oft falsch verstanden. Das auch jetzt wieder gerne zitierte »neue Selbstbewusstsein
der Afroamerikaner«, für die Shaft, Superfly und & Co. standen, wird vielfach rein gesellschaftlich, politisch ausgelegt und das ist ein entscheidender Fehler. Diese Filme waren reine Unterhaltung, die für ein neues kulturelles Selbstbewußtsein standen und gerade das macht sie so interessant.
Vergleicht man etwa den ersten Shaft mit In der Hitze der Nacht mit Sidney Poitier als FBI-Agenten Virgil Tipps, versteht man wie unpolitisch Shaft eigentlich war und zugleich wie weit sich seine Ästhetik vom üblichen Hollywoodkino abgrenzte.
Diese rein schwarze Sichtweise im Kino
war ebenso ungewohnt und spannend wie der italienische Blick eines Scorseses auf Hell’s Kitchen oder der jüdische Blick Woody Allens auf Manhattan.
Nach dem Abklingen des Blaxploitation waren es lange Zeit eigentlich nur Spike Lee und Mario van Peebles, die die Fahne des Black Cinema hochhielten, bis Anfang der 90er Carl Franklin und vor allem die Hughes Brüdern und John Singleton mit ihren sogn. Hood-Movies neuen Wind in das Kino brachten.
Von diesem Inspirationsschub ist heute wenig übrig geblieben. Filme wie Familiensache, Scary Movie oder eben auch der neue Shaft lassen nicht mehr erkennen, dass ihre Regisseure schwarz sind. In Amerika wird diese Tatsache als wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung und Normalisierung im Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen gewertet. So wünschenswert diese Annäherung im gesellschaftlichen Sinne auch ist, so tragisch ist sie im filmischen.
Durch diese Verallgemeinerung wird der neue Shaft austauschbar und könnte ohne Verlust der Glaubwürdigkeit ebensogut von Bruce Willis oder Mel Gibson verkörpert werden. Dass der Film peinlich bemüht ist, die multikulturelle Mischung eines Tommy Hilfiger Werbespotts einzuhalten (ein schwarzer und ein weißer Bösewicht, ein schwarzer und ein weißer korrupter Polizist, eine schwarze und ein weißer guter Polizist usw. usf.) mag zwar politisch korrekt sein, ist schlußendlich aber genauso unrealistisch, wie das eindimensionale Nur-Schwarz bzw. Nur-Weiß der früheren Jahre.
Shaft war einmal der schwarze James Bond, dessen Eigenständigkeit so erfolgreich war, dass der echte Bond, der naturgemäß ein sehr sensibles Barometer für filmische Trends ist, diesem Genre 1973 mit Live And Let Die seine Reverenz erwies (unvergessen Yaphet Kotto als Mr. Big). Heute, da Shaft nur ein James Bond in schwarz ist (ein kleiner aber feiner Unterschied), kann sich Bond diese Anerkennung guten Gewissens sparen.