Ponkie geht ins Kino |
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Die Münchner Filmkritikerin Ponkie hier im Theatiner |
Das Gespräch führte Dunja Bialas
Ponkie ist eine Institution. Die 1926 geborene Münchnerin wurde überregional bekannt durch ihre regelmäßige Kolumne in der „Abendzeitung“ „Ponkie sieht fern“. Ponkie, eigentlich Ilse Kümpfel-Schliekmann, geht jedoch auch leidenschaftlich ins Kino. Sie hat als Filmkritikerin die gesamte Nachkriegszeit begleitet, den Aufbruch des deutschen Films nach dem „Oberhausener Manifest“ erlebt. Das Gespräch über Ponkie als Filmkritikerin und Kinoliebhaberin findet an einem schummrigen Nachmittag in ihrem Häuschen in einem Münchner Vorort statt. Auf einem weichen Polster schläft die eine ihrer beiden schwarzen Katzen, es wird Tee und Gebäck gereicht. Ponkie sitzt hellwach in ihrem Sessel, mit dunkler Brille, die zu ihrem Markenzeichen wurde, um ihre empfindlichen Augen zu schützen. Sie spricht ein sehr schönes Münchnerisch.
artechock: Am Mittwoch geht die Herbst-Filmreihe des Münchner Kulturforums in den Kinos Münchner Freiheit zu Ende, für die Sie die fünf Filme ausgewählt haben. Wie kam es dazu?
Ponkie: Edith Welser-Ude ist die Schirmherrin des Kulturforums, Christian Ude ist auch Mitglied, beide haben das Kulturforum vor Jahren angeleiert. Theo Hinz, der bis in die 80er Jahre Geschäftsführer beim „Filmverlag der Autoren“ war, betreut die Filmreihe. Er hat mich gefragt, ob ich die Filme diesen Herbst vorstellen möchte. Ich kann Ihnen die Filme, die man spielen sollte, listenweise geben. Es gibt so viele gute Filme, ich habe einmal eine Aufstellung gemacht allein von Berlinale-Filmen, die nie wieder aufgetaucht sind im normalen Kinoprogramm. Filme, die nicht schlecht waren! Das ist manchmal ungerecht, welche Filme ins Kino kommen und welche nicht. Das alles ist sowieso ungerecht. Denn nicht jeder gute Film bedeutet auch ein gutes Geschäft. Und ein weniger guter Film macht dann ein sehr gutes Geschäft.
artechock: Und jetzt haben Sie eine Auswahl von Filmen getroffen, von denen Sie möchten, dass das Publikum sie wieder sieht.
Ponkie: Es ist eine winzige Auswahl von einer langen Liste. Maximilian Schell hat mir mal eine Liste von Filmen gegeben, die man immer wieder sehen sollte. Seine Liste war endlos lang!
Was ich immer gerne anleiern würde, sind Retrospektiven mit den Filmen von Ingmar Bergman, Federico Fellini und Luis Buñuel, die die Filmgeschichte geprägt haben. Das wäre auch in Bezug auf die Nationalität interessant: Schwedische Filme sind anders
als spanische. Hinter den Filmen von Buñuel oder Fellini stecken andere Mentalitäten, sie beziehen sich aber im Grunde auf die gleichen Themen.
artechock: Mit welchen Filmen sind Sie groß geworden?
Ponkie: Nach dem Krieg hatten wir eine Durststrecke von zwölf Jahren zu überbrücken. Die Verleiher haben die ganzen Amerikaner-Filme, die Engländer- und Franzosen-Filme erst nach dem Krieg in die Kinos gebracht. Wir waren Nachsitzen! Wir haben nachgeholt, was wir zwölf Jahre lang nicht sehen konnten.
artechock: In welche Kinos sind Sie damals gegangen?
Ponkie: Die Theatiner Filmkunst und das Kino von Fritz Falter in der Occamstraße waren unsere „Stammsitze“. Das waren sehr harte Holzsitze!
artechock: Und da haben Sie dann Ihre Leidenschaft fürs Kino entdeckt.
Ponkie: Die hat sich besonders entwickelt in den Uni-Jahren. Die Trade-Shows der Theaterbesitzer waren voll mit Studenten, die in dieser Zeit ihre Vorlesungen geschwänzt haben. Wir haben geschwänzt, das muss man zugeben. Um ins Kino zu gehen!
artechock: Es war ja die Blütezeit des Kinos, noch bevor es das Fernsehen gab.
Ponkie: Ja, aber es war auch die Blütezeit des deutschen Films. Das hat uns geärgert. Es war die Zeit von Heimatschnulzen, den typischen Verdrängungsfilmen. Das waren „heile Welt“ und Familienschmonzetten. Das hat uns überhaupt nicht interessiert. Die ausländischen Filmreihen dagegen waren damals schon sehr begehrt.
artechock: Wie fing es dann mit der Filmkritik an?
Ponkie: Ich habe seit 1956 regelmäßig Filmkritiken für die „Abendzeitung“ geschrieben. Angefangen hatte ich bei den „Berliner Filmblättern“ mit Kurzkritiken. Das entwickelte sich von selber, und plötzlich war ich in einem Fahrwasser drin, aus dem kommt man gar nicht mehr raus. Und will auch gar nicht mehr raus! Als ich bei den „Filmblättern“ begonnen habe, war meine Tochter gerade ein Jahr alt. Da war ich eine Zeitlang in Berlin. Ich bin wieder nach München zurück, weil es dem Chefredakteur der „Filmblätter“ lieber war, einen Korrespondenten in München zu haben. Berlin war ja nicht nur eine geteilte, sondern auch eine eingeschlossene Stadt. Da war es angenehmer, „draußen“ zu sein. Ich habe es längst vergessen und verdrängt: Diese ewigen Bescheinigungen, die man haben musste, wenn man sich in der Stadt bewegen wollte! Man brauchte immer Passierscheine und den ganzen Behördenkack.
artechock: Wie war Ihre erste Zeit zurück in München?
Ponkie: In München hat mich der damalige Feuilletonchef der „Abendzeitung“ angerufen, der meine Kurzkritiken aus den „Filmblättern“ kannte. Es sind im Grunde immer die Zufälle und die Bereitschaft dafür, dass sich etwas entwickelt, was einen weiterführt.
artechock: Filmkritik und Kritik generell war ja eine männerdominierte Domäne. Wie haben Sie das selbst erfahren?
Ponkie: Ich weiß nur noch: In Berlin gab es die Karena Niehoff. In München gab es den Papst überhaupt, den Gunter Groll in der „Süddeutschen“. Von seinen Kritiken ist jetzt eine Jubiläumsausgabe erschienen, er wäre letztes Jahr hundert geworden.
artechock: Waren Sie gleich als Filmkritikerin akzeptiert? Die „Abendzeitung“ stand ja im Ruf, sehr auf den Boulevard zu gucken.
Ponkie: Ich hab als Filmkritiker angefangen und es hat sich dann entwickelt, dass ich auch Glossen geschrieben habe, zu allen möglichen Themen. Die sind auch als Buch erschienen.
artechock: Das Glossenhafte ist all Ihren Texten anzumerken. Ihre Kurzkritiken sind immer sehr pointiert.
Ponkie: Das ist ein Nebeneffekt. Das ist der Zwang. Sie haben wenig Platz, es muss aber alles drin enthalten sein, was man wissen muss über den Film. Dadurch entwickeln sich Formen der Kurzkritik. Wenn man kürzer schreiben muss, muss man genauer schreiben. Auf den Punkt. Sagen wir mal: Das hat sich auch ganz gut eingebürgert. Wer hat schon noch Zeit, lange Riemen zu lesen. Es ist erwünscht, dass die Kritiken relativ kurz und pointiert sind.
artechock: Was ja immer sehr viel Humor und sehr viel Witz bei Ihnen hat…
Ponkie: Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Ironie wird meistens missverstanden, oder gerne missverstanden. Ich habe viele Leserbriefe gekriegt, wenn einer die Ironie nicht verstanden hat. Oder nicht verstehen wollte! Ich hatte mal als ersten Satz geschrieben: »Dumm wie der Leser ist, will er dieses und jenes so haben.« Und dann hat sich ein Leser beschwert, dass ich den Leser grundsätzlich als dumm bezeichne. Damit muss man rechnen, dass man das dann wieder über die Ohren kriegt. Satire ist Glücksache!
artechock: Dennoch sind Sie meist bei diesem unterschwelligen Witz geblieben. Gab es Momente, wo es Ihnen in Ihren Texten ganz ernst wurde und Sie sich sagten: Da kann ich jetzt nicht satirisch herangehen?
Ponkie: Es gibt immer Filme, die einen tief berühren. Zum Beispiel die Filme von Tarkowsky. Bestimmte Filme haben einen Ernst, auf den man unbedingt eingehen muss. Die kann man nicht abtun oder bewitzeln. Das geht nicht immer, muss auch nicht sein.
artechock: Konnten Sie sich aussuchen, welche Filme Sie besprechen?
Ponkie: Ja, das konnte ich aussuchen. Es war natürlich so, dass man bei deutschen Erstaufführungen keine Wahl hatte, das musste man machen. Der deutsche Produzent Luggi Waldleitner hat sich dann immer gern beschwert, nicht nur beim Feuilletonchef, sondern sogar beim Chefredakteur: Dass es eine Unverschämtheit sei, was ich geschrieben habe. Das war die Zeit von Schwarzwaldmädel oder Die dritte von rechts. Das waren deutsche Revuefilme. Oder die Paukerfilme, die jetzt im Fernsehen noch aufgebraucht werden. Dort erscheinen sie manchmal als Sonntagnachmittagsprogramm. Und da kann man dann sehen: Es waren Filme zur Verdrängung von Wirklichkeit. Die waren dann leider nicht komisch. Das ist ohnehin die Frage, was man komisch findet.
artechock: Rückblickend kann man das oft schwer einordnen. Dann sind die Filme mit einem 60er-Jahre-Mief umgeben, den man gar nicht mehr so genau deuten kann.
Ponkie: Man könnte denken: Vielleicht war man zu streng. Aber bei manchen Filmen, die ich heute wieder sehe, weiß ich: Es hat schon gestimmt, was wir damals darüber geschrieben haben. Es galt aber auch: Filme, die verrissen wurden, haben dann manchmal ganz gute Geschäfte gemacht.
artechock: Sie haben für das Kulturforum auch Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns ausgewählt. Er repräsentierte eine andere Form des deutschen Kinos, noch vor Alexander Kluge und dem Aufbruch unter dem „Oberhausener Manifest“.
Ponkie: Ja, Staudte war einer der frühen. Besonders bemerkenswert war, dass er mit seinem Privatvermögen gebürgt hat. Und dass er alles verloren hat. Am Schluss saß er in einer leeren Berliner Wohnung, weil alles verpfändet war. Weil seine Filme das Geschäft nicht gemacht haben. Auch Rosen für den Staatsanwalt ist ganz stark angefeindet worden, auch aus Justizkreisen. Der Film ist zwar berühmt geworden, das große Geschäft aber hat er nicht gemacht.
artechock: Staudte genießt heute ein sehr großes Renommee…
Ponkie: Staudte ist ein Klassiker! Ähnlich ist es mit den Filmen von Peter Lilienthal. Es sind Filme, die hoch geehrt werden, die viele Preise bei Festivals kriegen, die aber nicht viel Gewinn gebracht haben.
artechock: Und die Rolle der Filmkritik?
Ponkie: Die Filmkritiker haben versucht, diese Filme hochzuschreiben, sie bekannt zu machen. In München haben schon in den 70er Jahren die Filmclubs viele ausländische Filmreihen organisiert, polnische, georgische oder ungarische. Die Filme hätte man nie kennengelernt, wenn es diese Reihen nicht gegeben hätte. Da gab es die Möglichkeit für die Kritiker, diese Filme populär zu machen.
artechock: Und da gab es dann auch den Publikumszuspruch?
Ponkie: Manchmal hat es geklappt. Manchmal lag es aber auch an den Filmemachern selbst. Viele Regisseure haben mit populären Filmen angefangen, und konnten dann was anderes machen. Vittorio de Sica zum Beispiel, der vor Fahrraddiebe ein erfolgreicher Komödienregisseur war. So konnte er es sich leisten, einen Film wie Fahrraddiebe zu machen, einen Film, der nicht gehen konnte, der dann aber ein großer Erfolg wurde. Fellini hat auch so angefangen, mit populären Filmen, bis er dann „Fellini-Filme“ machen konnte!
artechock: Das deutsche Kino hat sich dann ab dem „Oberhausener Manifest“ stark gewandelt.
Ponkie: Mit dem Oberhausener Manifest kamen die intellektuellen Filme, die „schwierig“ sind. Alexander Kluge hat relativ früh eingesehen, dass man nicht Filme gegen das Publikum machen kann. Man muss es schon mitnehmen.
artechock: Von den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests waren ja viele aus München. Hatten Sie persönlich Kontakt zu dieser Gruppe?
Ponkie: Nein. Das habe ich vom Gunter Groll gelernt, dass man sich da fernhalten muss. Wenn irgendein Freund von ihm einen Film gemacht hat, dann hatte er mindestens ein halbes Jahr keinen Kontakt mehr mit ihm gepflegt, weil es nicht gut ist, wenn man zu nah dran ist. Es passierte auch, dass Kritiker von Künstlern gewatscht wurden. Auch von den Schamonis habe ich mich absolut ferngehalten. Ich hatte ein paar Schauspielerfreunde, aber das System ist, sich da rauszuhalten aus den Cliquen. Man muss nicht jeden Abend im Simpl in der Türkenstraße sitzen, wo die immer alle saßen. Da konnte man Gift drauf nehmen: Da hockten die immer! Es war nicht so gut, wenn man sich da auch hineingemischt hat. Dazu gibt es ja den wunderschönen Film von Helmut Dietl, Rossini.
artechock: Aber da sollen Sie ja das Modell für die im Film auftauchende Reporterin Charlotte sein.
Ponkie: Das stimmt leider gar nicht. Er hat ja eine Gesellschaftsjournalistin beschrieben, eine Klatschreporterin. Aus dem Metier habe ich mich rausgehalten! Es war genau das Gegenteil der Fall.
artechock: Aber mit Helmut Dietl waren Sie schon näher bekannt?
Ponkie: Ja, den haben wir mit seinen Münchner Geschichten hochgeschrieben. Bei dem Dietl sahen wir ganz früh: das ist ein Besonderer. Und auch wenn so jemand mal einen schwächeren Film macht, dann sieht man den mit anderen Augen als bei einem, der sowieso nur Käse macht. Das ist angemessen. Volker Schlöndorff sagte mal in einem Interview: »Man muss auch mal daneben hauen können!« Es ist dann nicht gerecht, wenn er gleich geschlachtet wird.
artechock: Das mit dem deutschen Film ist ja eine sehr zweischneidige Sache…
Ponkie: Ja, wir lagen ständig in Fehde mit bestimmten Regisseuren, die deutsche Heimatfilme gemacht haben. Familienschnulzen waren das, von einer sehr unangenehmen Art. Heile-Welt-Scheiße war das. Da gab es natürlich immer Gegenbewegungen, wie der Filmverlag der Autoren. Die haben dann wiederum auch die Kehrtwende zu den Oberhausenern gemacht, um wieder Filme fürs Publikum und nicht gegen es zu machen.
artechock: Sie wurden ja dann sehr bald die Fernsehkritikerin Münchens. Wie kam es dazu?
Ponkie: Das war eine eher praktische Angelegenheit. Wenn man kleine Kinder hat, dann kann man nicht so viel ins Kino rennen, und dann ist die Arbeit am Fernseher „vernünftiger“ (lacht). Bis in die 70er und 80er Jahre bin ich aber noch jedes Jahr zur Berlinale gefahren. Der Kinofilm war schon das Wesentliche. Auf der anderen Seite hatte das frühe Fernsehen, so zum Beispiel das „Kleine Fernsehspiel“ seine eigene Qualität. Es war anspruchsvoller, weil rings um Heinz Ungureit ein Bildungs- und Kulturanspruch vertreten wurde. Sie wollten kein „Kino für die Dummen“ machen. Dass die Dummen bedient wurden, das kam erst mit den Privatsendern auf. Solang es nur die zwei Programme gab, lag Ehrgeiz im Fernsehmachen. Und heute müssen sich die öffentlichen Sender anstrengen, um sich abzuheben von dem Quatsch, den die privaten Anstalten verkaufen.
artechock: Sie schreiben ja heute noch drei Mal pro Woche für die „Abendzeitung“ Ihre Kolumne „Ponkie sieht fern“. Ist das immer noch ein voller Beruf für Sie?
Ponkie: Das kann man nicht so ablegen. Zum Vergnügen sehe ich nur ganz selten fern, Loriot zum Beispiel. Der ist ja durchs Fernsehen erst richtig populär geworden. Das schätze ich dann fast so hoch ein wie Literatur. Ins Kino schaffe ich es nur noch selten, ab und zu gehe ich noch in Erstaufführungen. Dazu muss der Film aber schon sehr anziehend sein. Ich bin ja immer wegen des Films ins Kino gegangen, es war nie ein gesellschaftlicher Anziehungspunkt für mich. Wenn man bei einer Premiere war, hatte man den Film meist schon in einer Pressevorführung gesehen. Theo Hinz und andere sagen, man müsse Film in einer Menge sehen, in einem großen Auditorium, wo bis zum letzten Platz alles besetzt ist. Es ist wahrscheinlich schon ein bisschen elitär, wenn man Film nur als Kunstwerk betrachtet. Er gehört ja auch zum Gesellschaftsbild, weil er im Grunde ein Spiegelbild ist. Filme sind alle Spiegelbilder, sie sind alle Ausdruck einer Gesellschaft: ob Film noir oder Neo-Realismus. Was für eine Welle ist jetzt gerade im Kommen?
artechock: Ist das vielleicht die Blockbuster-Welle? Sehen Sie Fack ju Göhte, um auf dem Laufenden zu bleiben?
Ponkie: Nein, ist das ein Punk-Ableger? Bei den neuen Filmen juckt es mich nicht so, sie zu sehen.
Man muss mal abwarten, wie weit sie sich vorarbeiten können, bis zum Grimme-Preis. Wenn sie nominiert werden, ist das fast schon wie ein Ritterschlag. Der geht auf Qualität, ganz egal, in welchem Medium sich das abspielt.
artechock: Und die Filme von Til Schwaiger? Honig im Kopf mit Didi Hallervorden?
Ponkie: Didi Hallervorden ist ein ganz großer Künstler, mit seinem Kabarett-Theater „Die Wühlmäuse“. Ab einem bestimmten Zeitpunkt aber hat er sich gesagt: Davon kann man nicht leben. Und dann hat er diese schreckliche „Didi“-Figur erfunden. Das ändert nichts daran, dass er gut ist. Das sind die Zugeständnisse, die ein guter Schauspieler oder auch politischer Kabarettist macht, um leben zu können. Da habe ich schon Verständnis dafür.
artechock: Es gibt ja einige Regisseure, die mit Filmen fürs Fernsehen ganz große Qualität geschaffen haben, und auch im Kino zu sehen sind, wie Edgar Reitz und seine Filmreihe Heimat. Vor zwei Jahren brachte er Die andere Heimat ins Kino.
Ponkie: Es gibt Regisseure, die können es sich „leisten“, so einen Film zu machen. Den Film habe ich auf Arte gesehen. Ich glaube nicht, dass man den Film im Kino zu einem großen Erfolg machen kann. Aber das ist jetzt schon wurscht, weil der Klassiker bereits eingeführt worden ist. Edgar Reitz hat ein paar Filme gemacht, wie Die Reise nach Wien, das waren sehr ordentliche Filme. Aber das merkte man später, wenn man die alten Filme wieder sah: Er hat die ganze Zeit nur auf diesen einen großen Wurf hingearbeitet. Und der große Wurf, das war seine Heimat.
artechock: Und wie ist es mit Dominik Graf, der viele Fernsehfilme macht, und zwischendurch immer wieder einen Kinofilm?
Ponkie: Bei ihm ist es schwierig. Er hat das ganz große Thema noch nicht gefunden.
artechock: Wie sehen Sie denn als Film- und Fernseh-Kritikerin Ihre eigene Rolle und die Macht von Kritik?
Ponkie: Die Zuschauer wollen immer entweder eine Bestätigung ihrer eigenen Meinung lesen oder sie wollen sich aufregen. Insofern ist die Fernsehkritik genauso wie die Filmkritik auch einfach nur „Lesestoff“. In dem sich der Leser spiegelt. Entweder ist der Filmkritiker für ihn ein Idiot, oder er hat gesagt, was er selber denkt. Der Produzent Karl Spiehs hat mal zum Helmut Fischer gesagt, das war noch vor seiner Zeit als „Monaco Franze“, als er öfter Kritiken bei der „Abendzeitung“ geschrieben hat, wegen des Gelds (lacht), da hat der Karl Spiehs zu ihm gesagt: »Mei, hoffentlich hast meinen Film verrissen. Weil, wenn du den lobst, dann kann ich ihn vergessen.« Der Karl Spiehs hat Klamotten gemacht. Er hat die gute Kritik gefürchtet, das war für ihn der Schlüssel für Langweiler.
artechock: Und wie ist es heute?
Ponkie: Es muss irgendeine Ordnung hineingebracht werden in diese Qualitätstreppe. Es ist aber auch eine Frage der Form. Man muss so schreiben, dass der Leser hängen bleibt, dass er weiterliest. Man muss sie auch für sich lesen können, ohne den Film. Über Fritz Langs Das indische Grabmal gab es mal eine Kritik, die aus nur einem Satz bestand: »Hier ruht Fritz Lang.« (Lacht.) Das ist natürlich gemein, aber es ist auch komisch. Insofern arbeitet auch die Filmkritik mit Gags.
Gunter Groll: Die Kunst der Filmkritik: 110 Filmkritiken, neu gelesen. Schürenverlag 2015, 244 S., 19,90 Euro
Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen (Hg.): Karena Niehoff. Feuilletonistin und Kritikerin. edition text + kritik (2006), 242 S., 19,80 Euro
Ponkie: Wo bleibt das Positive? Ponkies Glossen, Schneekluth Verlag 1997, 110 S., antiquarisch