»Alles andere, als Geschichtsunterricht…« |
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Regisseur Stefan Ruzowitzky am Set von Die Fälscher |
Stefan Ruzowitzky wuchs in Deutschland auf, ist aber Österreicher. Nach seinem Erfolg mit Die Siebtelbauern drehte er in Deutschland und England Genrefilme (Anatomie, Anatomie 2, All the Queen’s Men), zumeist nach selbstverfassten Drehbüchern. Auf der Grenze zwischen Autorenfilm und Industriekino bewegt sich auch sein Film Die Fälscher über eine Fälscherwerkstatt in einem Nazi-KZ.
Mit dem Regisseur sprach Rüdiger Suchsland.
artechock: Beruhen die Ereignisse in Ihrem Film wirklich auf Tatsachen?
Stefan Ruzowitzky: Ja, rund um die Fälscherwerkstatt gab es unglaublich bizarre, groteske Dinge, die ein Drehbuchautor sich nie trauen wurde, zu erfinden: Von der Operettenmusikberieselung über den Pingpong-Tisch bis zu den bunten Remmidemmiabenden. Von den ganzen Details ist sehr wenig erfunden.
artechock: Was war ihr Hauptanliegen?
Ruzowitzky: Ich erinnere mich daran, als ich noch Schüler war: Da gab es irgendeinen Korruptionsfall in der Politik, den meine Großtante mit den Worten kommentiert hat: »In der Politik gibt es keinen Anstand mehr seit 1945.« Da habe ich mir gedacht: Das ist doch falsch. Aber gerade wenn man in Österreich lebt, begegnet man einem Umgang mit der Vergangenheit, der noch um einiges unsauberer ist als der in Deutschland. Da gibt es oft diese Grundhaltung: »Ja, das mit den Juden war schon eine schlimme Sache, aber im Prinzip war nicht alles schlecht damals…« Figuren wie Haider sagen das auf der politischen Bühne und es schadet ihnen nicht einmal. Aber das Wesen und die logische Konsequenz der NS Ideologie ist der Holocaust. Das System war von Grund auf korrupt und verbrecherisch – keine Frage.
artechock: Mein Eindruck Ihres Films ist: Sie hätten eigentlich am liebsten einen Abenteuerfilm machen wollen. Ist das richtig?
Ruzowitzky: Einen Abenteuerfilm vielleicht nicht, aber ich wollte auf alle Fälle einen Film machen, den man gerne ansieht und trotzdem nachdenklich verlässt – alles andere, als Geschichtsunterricht. Gerade bei diesem Thema ist es wichtig, dass man einen Film macht, der gut rezipierbar ist. Und dass man sich nicht von vornherein auf die Fahnen schreibt: weil das Thema so schrecklich ist, wird auch das Publikum gequält. Gerade weil man diese Geschichte erzählen muss, muss man sie auch so gut und spannend und mitreißend wie möglich erzählen. Ich hätte mich nie getraut, einen »normalen KZ-Film« zu drehen.
artechock: Was ich mit Abenteuerfilm sagen will: Die Figuren haben zwei Seiten, stehen moralisch nicht alle auf der sicheren Seite. Sie haben Genre-Filme gemacht. Warum gibt es außer Ihnen niemanden, der diese klassische deutsche Tradition, Politisches in Form von Horror-, Serienkiller- und Kriminalfilmen zu erzählen, wie das zum Beispiel Fritz lang getan hat, aufgreift?
Ruzowitzky: Ich glaube dass hier sehr viel mit einem speziell deutsch-österreichischen Denken zusammenhängt, nach dem Kunst und Kultur etwas Elitäres zu sein hat. Was massenkompatibel ist, oder nur im Verdacht, ist suspekt. Was der Putzfrau gefällt, kann nichts Gutes sein. Erst wenn das Populäre so alt ist, dass es sich die Putzfrau nicht mehr ansieht, dann kommt es plötzlich in Museum und in den Kanon.
artechock: Ist das ein Erbe der Nazikultur, die den Unterhaltungsfilm politisch missbraucht und damit auch das Massenkino geschändet haben? Denn wenn es aus Amerika kommt, gucken sich die gleichen Leute solche Filme an…
Ruzowitzky: Darüber muss ich nachdenken. Kann sein.
artechock: Auch Sie machen ein paar Zugeständnisse ans moralisch Korrekte: Am Ende darf die Hauptfigur die Beute nicht behalten.
Ruzowitzky: Es wäre natürlich ganz falsch, das KZ irgendwie als moralische Besserungsanstalt erscheinen zu lassen. Am Ende soll schon klar sein: Die Hauptfigur hat mit bürgerlicher Moral nichts am Hut.
artechock: Ist im Fall der NS-Zeit alles erlaubt? In Deutschland wurde zuletzt viel über NS-Komödien diskutiert…
Ruzowitzky: Ich halte Tabus eher für falsch. Ich glaube, dass man sich dem Thema auch über eine Komödie nähern darf. Was immer wichtig ist, ist dass man sich der Tatsache bewusst bleibt, dass der Nationalsozialismus etwas sehr Politisches ist, und nicht so etwas Folkloristisches wird. Das Wesen und die logische Konsequenz der NS Ideologie ist der Holocaust. Wenn man dort am Ende hinkommt, kann der Weg dazu sehr vielfältig sein.
artechock: Gab es Vorbilder für den Film, vielleicht auch im negativen Sinn: Wie Sie es gerade nicht machen wollten?
Ruzowitzky: Dafür wie ich es gerade nicht machen wollte, gab es viele Vorbilder: Ich wollte weg von den optischen Klischees: entsättigte Farben, Blaugrau, das sieht oft wie schicke Werbeästhetik aus. Auch finde ich jede Mainstreamglätte hier unangemessen: Wenn alles perfekt ausgeleuchtet ist. Der Film sollte wie eine Reportage wirken, etwas Direktes haben
artechock: Wie kommt es, dass Sie als Österreicher fast nur in Deutschland arbeiten? Österreich hat doch derzeit eine fast lebendigere Filmszene als Deutschland…
Ruzowitzky: Das gilt fürs Arthousekino, aber nicht für das Kino, was ich mache. In Österreich sind die Budgets zu klein für vieles, was ich mache. Zudem bin ich »gelernter Deutscher«, ich bin hier aufgewachsen. Ich »ticke« etwas anders, als der klassische misanthropische Österreicher. Nach meinem nächsten Film drehe ich einen Kinderfilm, danach will ich Science-Fiction machen – nichts mit Marsmenschen, sondern über eine gesellschaftliche Utopie.