USA 2007 · 157 min. · FSK: ab 16 Regie: Ridley Scott Drehbuch: Steven Zaillian Kamera: Harris Savides Darsteller: Denzel Washington, Russell Crowe, Cuba Gooding jr., Josh Brolin, RZA u.a. |
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Prototyp des Amerikanischen: Denzel Washington |
Dieser Film versetzt uns zurück in die 70er Jahre, die Mode mit ihren Schlaghosen und Pastellfarben wirkt seltsam vertraut in ihrer Fremdheit, und als Modedroge der Stunde ist das LSD der Hippieära von Härterem abgelöst worden: dem Heroin. Auch Drogenhandel ist ein Geschäft, das im Westen nach den Grundsätzen des Kapitalismus funktioniert. Frank Lucas heißt der Drogenbaron von New York, und dass er von Denzel Washington gespielt wird, ist die erste von mehreren hervorragenden Entscheidungen des Regisseurs Ridley Scott. Denn Washington, immerhin 52, hat in seiner Karriere schon viele amerikanische Helden gespielt, und die Welt mehrfach vor dem Untergang bewahrt, er wirkt einfach ungemein sympathisch, und zieht auch hier wieder alle Register seines Charisma, dass man ihn irgendwo auch ein Stück lieben muss. Und doch wissen wir schon nach den ersten Minuten, dass wir ihm nicht trauen sollten, ihn nicht lieben dürfen, dass er doch der Bad Guy des Films ist, ein Schreibtischtäter, der Tausenden den Tod bringt, und damit Millionen verdient, der mit der gleichen Ungerührtheit einen Menschen niederschießt, wie er Visitenkarten austauscht. Von dieser Spannung lebt der Film.
Ridley Scott (Alien, Blade Runner, Gladiator) gehört zu den Großen im zeitgenössischen Kino. Wenn er eine Rolle mit diesem Darsteller besetzt, weiß er um die Wirkung, die folgt. Und wenn er seinen Film American Gangster nennt, dann geht es dem Briten eben auch um einen Prototypen Amerikas und des Amerikanischen. Lucas ist auch ein prototypischer Kapitalist: Denn sein Erfolg beruht auf einer Mischung aus Skrupellosigkeit – er ließ das Heroin aus Fernost vor allem in den Särgen toter Vietnam-Soldaten in die USA schmuggeln: von »cadaver connection« sprach man seinerzeit – und kaufmännischer Intelligenz: Er konnte seine Ware billiger anbieten als die Konkurrenz, weil es ihm gelang, teure Zwischenhändler auszuschließen.
Der Film, der Lucas' Aufstieg und Fall nachvollzieht, geht auf reale Geschehnisse zurück: Die direkte Vorlage lieferte ein Magazinartikel, das Drehbuch stammt Steven Zaillian, der u.a. bereits Schindlers Liste und Gangs of New York schrieb. Im Grunde erzählt American
Gangster vom Amerikanischen Traum, seiner Desillusionierung und seiner immer noch vorhandenen Wirkungskraft. Denn Lucas machte Karriere im Drogenmilieu, weil er die Fundamentaltugenden des amerikanischen Geschäftssinns verinnerlicht hatte: Der Kunde hat immer recht; der Händler liefert, was der Kunde will; zu besseren Preisen, als die Konkurrenz, und passt dabei auf, dass er nicht über den Tisch gezogen wird. Lucas ist fleißig, ordentlich, kleidet sich
vorzüglich, er ist seiner Frau treu und kümmert sich um Freunde und Familie. Ein netter Mann, an dem nichts auszusetzen ist – eigentlich.
Denn zugleich zeigt der Film, was harte Drogen tun: Wie sie die Polizei korrumpieren, wie sie Menschen zugrunderichten, wie sie wenige Menschen unverschämt reich machen, und viele bitterarm.
Der Film ist großartig besetzt: Chiwetel Ejiofor spielt Lucas' Bruder, und Russell Crowe spielt unter seinem Lieblingsregisseur endlich wieder einmal eine ernstzunehmende Rolle, jenen Anwalt und Polizei-Detektiv Richie Roberts, der Lucas jahrelang ein Duell liefert, und am Ende zur Stecke bringt (und in der Wirklichkeit sogar später vor Gericht verteidigte). Der ist ungewaschen und verschwitzt, feist und unsympathisch, eine Ratte, die sich durch Dreck nagt und ihre Beute, hat sie sie einmal gewittert, nicht mehr loslässt – getrieben von hehren Motiven. Auch das ist eine besondere Erfahrung, die Wiederum Scotts Besetzungsentscheidung, wie seiner Inszenierung zu verdanken ist: Ein Charakter, der für Moral und Mitleid steht, und uns Zuschauern trotzdem bis zum latent Ende unangenehm bleibt: Obwohl wir wissen, wie der Film nach aller Hollywood-Dramaturgie-Logik auszugehen hat, sympathisieren wir mit Lucas/Washington, hoffen, dass er davon kommt.
Scott inszeniert dieses Duell zweier Ungleicher voller formaler Brillanz in der Tradition großer Mafiathriller wie Howard Hawks Scarface, und zeigt dabei das Innere einer Gesellschaft, die moralisch wie ökonomisch zutiefst korrupt ist, in der Gewalt den Ton angibt, die offen von Rassismus geprägt ist. Das ist zwingend aktuell, unterhaltsam und stilistisch faszinierend.