American Gangster

USA 2007 · 157 min. · FSK: ab 16
Regie: Ridley Scott
Drehbuch:
Kamera: Harris Savides
Darsteller: Denzel Washington, Russell Crowe, Cuba Gooding jr., Josh Brolin, RZA u.a.
Prototyp des Amerikanischen: Denzel Washington

Ein netter Mann – eigentlich

Dieser Film versetzt uns zurück in die 70er Jahre, die Mode mit ihren Schlag­hosen und Pastell­farben wirkt seltsam vertraut in ihrer Fremdheit, und als Modedroge der Stunde ist das LSD der Hippieära von Härterem abgelöst worden: dem Heroin. Auch Drogen­handel ist ein Geschäft, das im Westen nach den Grund­sätzen des Kapi­ta­lismus funk­tio­niert. Frank Lucas heißt der Drogen­baron von New York, und dass er von Denzel Washington gespielt wird, ist die erste von mehreren hervor­ra­genden Entschei­dungen des Regis­seurs Ridley Scott. Denn Washington, immerhin 52, hat in seiner Karriere schon viele ameri­ka­ni­sche Helden gespielt, und die Welt mehrfach vor dem Untergang bewahrt, er wirkt einfach ungemein sympa­thisch, und zieht auch hier wieder alle Register seines Charisma, dass man ihn irgendwo auch ein Stück lieben muss. Und doch wissen wir schon nach den ersten Minuten, dass wir ihm nicht trauen sollten, ihn nicht lieben dürfen, dass er doch der Bad Guy des Films ist, ein Schreib­tisch­täter, der Tausenden den Tod bringt, und damit Millionen verdient, der mit der gleichen Ungerührt­heit einen Menschen nieder­schießt, wie er Visi­ten­karten austauscht. Von dieser Spannung lebt der Film.

Ridley Scott (Alien, Blade Runner, Gladiator) gehört zu den Großen im zeit­genös­si­schen Kino. Wenn er eine Rolle mit diesem Darsteller besetzt, weiß er um die Wirkung, die folgt. Und wenn er seinen Film American Gangster nennt, dann geht es dem Briten eben auch um einen Proto­typen Amerikas und des Ameri­ka­ni­schen. Lucas ist auch ein proto­ty­pi­scher Kapi­ta­list: Denn sein Erfolg beruht auf einer Mischung aus Skru­pel­lo­sig­keit – er ließ das Heroin aus Fernost vor allem in den Särgen toter Vietnam-Soldaten in die USA schmug­geln: von »cadaver connec­tion« sprach man seiner­zeit – und kauf­män­ni­scher Intel­li­genz: Er konnte seine Ware billiger anbieten als die Konkur­renz, weil es ihm gelang, teure Zwischen­händler auszu­schließen.

Der Film, der Lucas' Aufstieg und Fall nach­voll­zieht, geht auf reale Gescheh­nisse zurück: Die direkte Vorlage lieferte ein Maga­zin­ar­tikel, das Drehbuch stammt Steven Zaillian, der u.a. bereits Schind­lers Liste und Gangs of New York schrieb. Im Grunde erzählt American Gangster vom Ameri­ka­ni­schen Traum, seiner Desil­lu­sio­nie­rung und seiner immer noch vorhan­denen Wirkungs­kraft. Denn Lucas machte Karriere im Drogen­mi­lieu, weil er die Funda­men­tal­tu­genden des ameri­ka­ni­schen Geschäfts­sinns verin­ner­licht hatte: Der Kunde hat immer recht; der Händler liefert, was der Kunde will; zu besseren Preisen, als die Konkur­renz, und passt dabei auf, dass er nicht über den Tisch gezogen wird. Lucas ist fleißig, ordent­lich, kleidet sich vorzüg­lich, er ist seiner Frau treu und kümmert sich um Freunde und Familie. Ein netter Mann, an dem nichts auszu­setzen ist – eigent­lich.
Denn zugleich zeigt der Film, was harte Drogen tun: Wie sie die Polizei korrum­pieren, wie sie Menschen zugrun­de­richten, wie sie wenige Menschen unver­schämt reich machen, und viele bitterarm.

Der Film ist großartig besetzt: Chiwetel Ejiofor spielt Lucas' Bruder, und Russell Crowe spielt unter seinem Lieb­lings­re­gis­seur endlich wieder einmal eine ernst­zu­neh­mende Rolle, jenen Anwalt und Polizei-Detektiv Richie Roberts, der Lucas jahrelang ein Duell liefert, und am Ende zur Stecke bringt (und in der Wirk­lich­keit sogar später vor Gericht vertei­digte). Der ist unge­wa­schen und verschwitzt, feist und unsym­pa­thisch, eine Ratte, die sich durch Dreck nagt und ihre Beute, hat sie sie einmal gewittert, nicht mehr loslässt – getrieben von hehren Motiven. Auch das ist eine besondere Erfahrung, die Wiederum Scotts Beset­zungs­ent­schei­dung, wie seiner Insze­nie­rung zu verdanken ist: Ein Charakter, der für Moral und Mitleid steht, und uns Zuschauern trotzdem bis zum latent Ende unan­ge­nehm bleibt: Obwohl wir wissen, wie der Film nach aller Hollywood-Drama­turgie-Logik auszu­gehen hat, sympa­thi­sieren wir mit Lucas/Washington, hoffen, dass er davon kommt.

Scott insze­niert dieses Duell zweier Unglei­cher voller formaler Brillanz in der Tradition großer Mafi­a­thriller wie Howard Hawks Scarface, und zeigt dabei das Innere einer Gesell­schaft, die moralisch wie ökono­misch zutiefst korrupt ist, in der Gewalt den Ton angibt, die offen von Rassismus geprägt ist. Das ist zwingend aktuell, unter­haltsam und stilis­tisch faszi­nie­rend.