USA 2022 · 98 min. · FSK: ab 12 Regie: Aitch Alberto Drehbuch: Aitch Alberto Kamera: Akis Konstantakopoulos Darsteller: Max Pelayo, Reese Gonzales, Eva Longoria, Kevin Alejandro, Luna Blaise u.a. |
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Auf der Suche nach der eigenen Identität... | ||
(Foto: Capelight Pictures/Central) |
Was am Ende dieses berührenden Films über die wachsende und sich verändernde Freundschaft zweier Teenager in Texas an der mexikanischen Grenze bleibt, ist ein komplexes, ein wunderbares Gefühl der Ambivalenz. Erwachsen werden ist grausam und eine nicht enden wollende Niederlage, erwachsen werden ist schön und kann ein Versprechen sein. Es hängt wie so vieles im Leben von den richtigen oder falschen Zufällen ab.
Der Zufall in Aitch Albertos Verfilmung von Benjamin Alire Sáenz’ Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums, einem mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Young-Adult-Roman, ist die Begegnung zweier Außenseiter in einem Schwimmbad im migrantisch geprägten, texanischen El Paso. Doch selbst diese zufällige Begegnung ist erst einmal noch kein Versprechen, sind beide Jungen, Aristotle »Ari« Mendoza (Max Pelayo) und Dante Quintana (Reese Gonzales), doch so unterschiedlich, dass eine Freundschaft kaum möglich scheint. Denn ist Ari ein »klassisches« Einwanderungskind mit einem Bruder im Gefängnis, einem schweigenden Vater, einer liebevollen Mutter und einer großen Wut im eigenen Bauch, ist Dante all das nicht, wohnt er in einem reichen Haus, sind seine Eltern Bildungsbürger und folgt ihr Sohn ihrem Beispiel mit einem spielerischen Interesse.
Doch manchmal kann man sich Freundschaft sowenig wie die Liebe aussuchen und finden Ari und Dante in der brütenden Hitze der texanischen Sommerferien zusammen, besuchen sich gegenseitig und verändern sich gegenseitig, entdeckt jeder andere Seiten in sich, die durch die Präsenz des Gegenübers getriggert werden. Jeder lernt etwas. Der eine das Sprechen und Schwimmen, der andere das Schweigen und das Lieben. Dabei gibt es Bilder, wie das Schwimmenlernen, die an Barry Jenkins Moonlight erinnern, Momente der Verzweiflung, die sich wie Jason Reitmans Juno ansehen. Und dann ist es ein Film, der mit seiner erst unausgesprochenen und dann sehr klar artikulierten Zärtlichkeit auf Lukas Dhonts großartigen Film Close zu referenzieren scheint.
Doch Aitch Alberto folgt strikt der literarischen Vorlage von Benjamin Alire Sáenz, in der das Schweigen und Mobbing nicht zum Tod wie in Close führt, sondern die jugendlichen Protagonisten den vielleicht größten Schatz entdecken, auf den man im Leben stoßen kann: das miteinander Reden, die konsequente Suche nach der eigenen Identität. Das Schönste in diesem so klugen wie emotionalen Film ist deshalb die Beobachtung dieses langsamen Lernprozesses, der gerade nicht in dem vielleicht zu Anfang erwarteten queeren Coming-Out endet, sondern über Pausen, Hindernisse und Verletzungen sehr überraschend in etwas ganz Anderem.
Das ist ein fast schon mutiges, sehr unkonventionelles Versprechen und auch durch die hervorragenden Hauptdarsteller aufregendes, vereinnahmendes Kino, mehr noch, als Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums auch eine Geschichte über Migration und die vielseitigen Möglichkeiten der Assimilierung erzählt. Es ist ein Amerika, wie es nur selten im Kino zu sehen ist, mit einen ethnografisch gnadenlosen, aber dann doch auch zärtlichen Blick, der durch die überragende Kamera von James Laxton – der für seine Arbeit an dem bereits erwähnten Moonlight für den Oscar nominiert wurde und auch in Barry Jenkins Miniserie THE UNDERGROUND RAILROAD mit seiner Bildsprache überrascht hat – eine besondere, flimmernde Betonung erhält und den Film auch auf dieser Ebene zu weit mehr als nur einem Young-Adult-Film macht.