USA 2000 · 118 min. · FSK: ab 12 Regie: Gregory Hoblit Drehbuch: Toby Emmerich Kamera: Alar Kivilo Darsteller: Dennis Quaid, Shawn Doyle, Elizabeth Mitchell, André Braugher u.a. |
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Frank funkt in die Zukunft |
Es begab sich aber, dass Gott der Vater keine Tochter zeugen konnte (die unbefleckte Empfängnis ist eben eine verteufelt potenzfressende Angelegenheit). So wuchs denn also der kleinen Jesus ganz ohne Geschwisterchen heran, ward aber ein recht braves Kind und seinen Eltern ein Wohlgefallen. Als er groß und stark geworden war zog er dann auch hinaus in die Welt um seines Vaters Glück zu machen, auf dass Gottes Königreich auf Erden sich vergrößere und seine Untertanen fruchtbar waren und sich mehrten. Nun hatte der Gottvater aber in seinem Reiche böse Feinde, die die Herrschaft ihm streitig zu machen trachteten.
Wir schneiden an dieser Stelle direkt – weil unsere Zeit ja so schnellebig geworden ist und wir überhaupt die Details ja auch nachlesen können in den Unterlagen, die wir noch aus dem Kommunionsunterricht aufbewahrt haben – zum blutigen Showdown unserer Geschichte. Der establishing shot zeigt den Berg Gethsemane, schön hergerichtet drei Kreuze gegen einen feuerroten Sonnenuntergang. Was bisher geschah: Gottvater hatte vorgehabt, der Welt ein Angebot zu machen, das sie nicht ausschlagen konnte. Sohnemann wird ans Kreuz geschlagen und die Menschheit bekommt dafür ihre Erlösung. Das besondere Incentive-Angebot: die Laufzeit des Vertrages ist praktisch unbegrenzt! Wenn man da nicht einschlagen möchte. Jetzt aber ereignet sich das Unfassbare (und mal ehrlich: Gottvater hätte sich das schon denken können, denn Kinder erweisen sich ja von Natur aus früher oder später als verdammt undankbare Gören). Jesus wird aufmüpfig: Mein Vater, mein Vater, warum hast Du mich verlassen?
Was ist nun die Moral von der Geschichte? Ganz einfach: auf Väter ist kein Verlass und das sitzt uns heute noch in den Knochen. Gott sei Dank (?) können wir aber zurückgreifen auf Kunst und Kultur, um diesen Verlust des Urvertrauens immer wieder aufs Neue zu verhandeln. Väter und Söhne. Der Hamlet, die Räuber, der Pate. Söhne und absente Väter. Womit wir endlich doch noch bei Frequency angelangt wären und jetzt auch wirklich Schluss ist mit lustig.
Frequency ist, damit sei jetzt gleich einmal aufgeräumt, entgegen aller anders lautenden Packungsbeilagen, nicht wirklich eine Zeitreise-Geschichte. Frequency ist ein Film der ganz großen Gefühle, ein Melodram wie es so anrührend einfach nur Hollywood zuwege bringt, wo die Männer ja richtige Heulsusen sein können, ganz und gar aus Emotion gemacht. Nirgends ist das Kino sentimentaler als in seinen Hollywood-Männergeschichten. Frequency ist so eine Geschichte, die sich zu dem tragisch-verpatzten Finale am Berg Gethsemane eine Variation mit happy ending ausgedacht hat. Der Vater hat ihn verlassen, den kleinen John Sullivan, der Vater, der ein verwegener firefighter war und bei einem Rettungsversuch selbst umkam in den Flammen. John ist nun ein Cop geworden. Einer, der für Recht und Ordnung sorgt und sein eignes Leben nicht auf die Reihe kriegt dabei. Er trägt sein Kreuz mit sich herum, in sich gekehrt, verstockt, und vertreibt damit letztlich sogar die Frau, die ihn vielleicht hätte lieben können (was zumindest im Hollywoodkino gleichbedeutend mit Erlösung ist – auf die Männer als Heilsbringer wollte man sich da von jeher nicht so ausschließlich verlassen). Nachts sitzt John am Rande des Baseballfeldes, trinkt und raucht und starrt in den Himmel – von Gott und der Welt und allen Menschen verlassen, wie das leere Spielfeld. Jim Caviezel, der den John spielt, haben wir vielleicht am stärksten noch in Erinnerung aus Terrence Mallicks überwältigendem The Thin Red Line. Caviezel, schmal, blass mit den großen Augen, trägt den verlorenen Sohn so richtig ins Gesicht geschrieben. Sean Penn, sein tougher Vorgesetzter an der Front, weiht ihn ein in die harten Realitäten: »In this world«, sagt er, »a man himself is nothing. And there ain’t no world but this one.« Caviezel aber hat eine andere Welt gesehen, erlebt, erträumt? Unter den Eingeborenen, den Unzivilsierten, die scheinbar so im Einklang leben mit sich und der Natur, im Kontinuum von Leben und Tod. Und immer ist Caviezel dabei einerseits und auch wieder ausgeschlossen, ein sehnsuchtsvoller Beobachter.
Gregory Hoblit hat nach Primal Fear und Fallen einen Film gemacht, der ganz anders ist – auf den ersten Blick. Hoblit hat sich mit seinen ersten beiden Filmen erwiesen als großer Choreograph der Paranoia. Welten im Zerfall hat er gezeigt – Vater, warum hast Du mich verlassen? – auf nichts und niemanden konnte man da vertrauen, am Ende nicht mal auf das eigene Ich. Wenn Richard Gere, der erst so selbstbewusste, ja arrogante Staranwalt am Ende auf der Strasse steht, seinen Prozess gewonnen, sich selber aber darüber verloren hat, wird uns klar was gemeint ist mit der Primal Fear des Titels, dieser Urangst vor dem ausgestoßen sein, die sich dann in Fallen gleich ganz unverhüllt zu biblischer Größe manifestiert. Auf den ersten Blick also jetzt andere Bilder: aber auch Frequency ist bei genauem Hinsehen ein Film der Angst. Angst vor dem Alleinsein, dem Verlorensein. Ein Film der ganz gewaltigen Sehnsüchte – nach der Kommunikation und Kontinuität, dem Fortbestehen, der Sicherheit in der Zeit und der Dauer, dem Aufgehoben sein in der Familie. Wenn John Sullivan in den Abendhimmel starrt, sonderbare Lichteffekte beobachtet, dann ist es fast als würde er mit einem ungeheuren Willen zur Wunscherfüllung den Vater zurückzwingen in sein Leben.
Eine Auferstehungsgeschichte: über das ausgediente Funkgerät des Vaters bekommt John tatsächlich Kontakt zu Frank Sullivan, der an diesem Abend gerade dreißig Jahre tot ist (die dreißig, auch eine biblische Zahl und irgendwie ist es schon ein bisschen ein Verrat am Sohn, wie sich der Vater damals so davongestohlen hat aus seinem Leben). Jetzt verkehren sich ein wenig die Rollen, der Sohn weiß mehr als der Vater, wird jetzt selbst zur Vaterfigur, der Leben (wieder)schenkt. Denn John kann Frank sagen, was der tun muss, um nicht umzukommen in dem brennenden Haus. Frank überlebt das Feuer im zweiten Anlauf – Geschichtsklitterung auf nette Art. Wenn da nicht diese dumme Spielregel wäre: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben.
Zu Franks Zeiten ging ein Serienkiller um in Queens, der es auf junge Krankenschwestern abgesehen hatte, und es scheint fast als wäre der himmlische Vater etwas angefressen darüber, wie ihm die Sullivans hier ins Handwerk gepfuscht haben: jetzt droht er an Stelle des wieder auferstandenen Vaters die Mutter einzufordern, eine Art Reparationszahlung. Julia Sullivan nämlich ist Krankenschwester und da sie nun in der korrigierten Version ihrer Lebensgeschichte nicht vorzeitig abberufen wird vom Nachtdienst weil der Ehemann ja nicht tödlich verunglückt, könnte sie also nach Dienstende gut und gern dem Killer in die Arme laufen. Der übrigens nie gefasst wurde, also noch irgendwo sich rumtreiben muss im Queens des Jahres 1999. Wenn die Familienzusammenführung also gelingen soll müssen Vater und Sohn zusammenarbeiten, um den Killer zu schnappen – mit den vereinten Kräften aus Vergangenheit und Gegenwart die Mutter retten. Da wächst die amerikanische Fantasie fast über sich hinaus, die ja sonst so rigoros das Vergangene gerne Vergangenes sein lassen will.
Frequency ist stellenweise beinah hysterisch vor Angst, scared stiff sozusagen, aber alles nur subkutan spürbar als würde im Hintergrundfast unhörbar dieser alte Song laufen: »Sometimes I feel like a motherless/fatherless child«. Wenn alles gut werden soll am Ende, dann nur mit Kräften, die man so jenseits von Hollywood kaum aufbringen könnte. Die Macht des Wunsches bekommt streckenweise die Wucht antiker Dramen. Auflehnung gegen das Schicksal also, nichts weniger wird hier verhandelt und den Sullivans aus Queens gelingt es doch tatsächlich den Göttern ein Schnippchen zu schlagen. Der Familie kann keiner was. Ganz und gar rührend wird es, wenn sich die Amerikaner in der heilen, harmonischen, liebevollen Familie dann gar die Unsterblichkeit durchaus vorstellen können: Frank und John werden, vereint als Vater und Sohn, das Rauchen und das Trinken aufgeben, und Frank wird daher auch nicht an Krebs sterben können (was die Alternative gewesen wäre zum Flammentod). Es ist, wie gesagt, eine große Sehnsucht nach Dauer hier zu spüren, die sich symbolisiert im Baseballspiel, das nicht nur alle Generationen vereint sondern auf wunderbare Weise auch zum Garant für Wahrheit wird in diesem Film.
Alle Herren der Schöpfung, die gerne immer wieder mal mit dem verächtlich aufgeworfenen Clint-Eastwood-Mundwinkel abfällig den »Frauenfilm« postulieren (soll heißen: Gefühl, Gefühl und nochmal Gefühl) können hier außerdem eine schöne Hollywood-Lektion lernen: ein Männerfilm, eine Vater und Sohn-Geschichte ist das (soll heißen: Gefühl, Gefühl und nochmal Gefühl). Gefühle, im wahrsten Sinne des Wortes, larger than life. Und spannend wird’s ja trotzdem, Jungs!