USA/GB 2015 · 110 min. · FSK: ab 6 Regie: Simon Curtis Drehbuch: Alexi Kaye Campbell Kamera: Ross Emery Darsteller: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Katie Holmes, Tatiana Maslany u.a. |
||
Ist sie nicht goldig? Helen Mirren |
Ende 2013 drang das Thema „Nazi-Raubkunst“, ein oft vernachlässigtes Kapitel der deutschen Vergangenheit, durch Berichte über Ermittlungen gegen den Sammler Cornelius Gurlitt schlagartig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Schon Jahre zuvor hatte ein anderer Fall für größeres Aufsehen gesorgt: Die noch während des Zweiten Weltkriegs in die USA emigrierte Jüdin Maria Altmann fasste 1998 den Entschluss, eine Restitutionsanfrage für mehrere Klimt-Bilder zu stellen, die ihre aus Wien stammende Familie an die Nazis verloren hatte. Unter den Gemälden befand sich auch das Porträt „Adele Bloch-Bauer I.“, besser bekannt als „Goldene Adele“, das in der Galerie Schloss Belvedere ausgestellt wurde und zu einem österreichischen Nationalheiligtum avancierte. Da sich ihr Heimatland einer Rückgabe versperrte, trieb die alte Dame mit Hilfe des jungen Anwalts Randol Schoenberg schließlich einen Prozess auf amerikanischem Boden voran.
Eine Flucht vor den Nazis, rechtmäßige Besitzansprüche und der Kampf David gegen Goliath – Altmans Geschichte ist geradezu prädestiniert für klassisches Erzählkino mit erbaulicher Note. Genau das bringt Regisseur Simon Curtis, der sich in My Week with Marilyn schon einmal an einem historischen Stoff probierte, auch auf die Leinwand, wobei der thematisch wichtige Film bisweilen auf eine Holzhammer-Dramaturgie vertraut und sich nur zu gerne melodramatischen Ausschweifungen hingibt. Besonders deutlich ist Letzteres in den zahlreichen Rückblenden, die Marias Erinnerungen an ihre Tante Adele, die eigene Hochzeit und das Zurücklassen der Familie zeigen. Entsättigte Einstellungen dominieren den Blick auf die Vergangenheit und werden immer wieder von schwermütigen Geigenklängen begleitet. Obwohl die Szenen aus der Nazi-Zeit den Betrachter gefühlsmäßig packen sollen, wirken sie nur selten ehrlich ergreifend.
Mehr Aufmerksamkeit hätte zudem die Frage verdient gehabt, was es für Maria Altmann bedeutet, 60 Jahre nach ihrer Flucht im Zuge der Restitutionsrecherchen in ihre Heimat zurückzukehren. Dass dieser Schritt schmerzvoll ist, da er schreckliche Erlebnisse wiederaufleben lässt, wird zwar recht früh zur Sprache gebracht. Marias anfängliche Weigerung, österreichischen Boden zu betreten, fühlt sich jedoch mehr wie eine einfache Drehbuchkonvention an. Und nicht wie ein ernstgemeintes Hadern mit der traumatischen Familiengeschichte. Noch deutlicher wird dies im Fall ihres Begleiters Randol Schoenberg, der sich im Film zunächst nur aufgrund des enormen Wertes der zurückgeforderten Gemälde für die Angelegenheit interessiert. Kurz vor der Abreise aus Wien hat der Enkel des österreichischen Komponisten Arnold Schönberg dann allerdings beim Besuch des Holocaust-Denkmals eine regelrechte Erleuchtung. Plötzlich scheinen ihm seine eigenen Wurzeln etwas zu bedeuten. Und mit einem Mal verwandelt er sich in einen idealistischen Gerechtigkeitskämpfer. Die schlichte Hollywood-Logik lässt grüßen, ohne dass die Wandlung rundum überzeugen könnte.
Zu den Stärken der erbaulichen Geschichtsstunde zählt sicherlich die Darbietung Helen Mirrens in der Rolle der jüdischen Emigrantin. Spielend leicht wechselt die britische Mimin zwischen Kratzbürstigkeit und liebenswertem Charme, sodass die eigentlich hochgradig dramatische Handlung – ähnlich wie das Alan-Turing-Biopic The Imitation Game – mitunter erstaunlich amüsante Züge bekommt. Keinen leichten Stand hat angesichts von Mirrens Präsenz und ihrer Ausdruckskraft Ryan Reynolds, der Altmanns Rechtsbeistand als Spießer mit langsam erwachendem Gewissen spielt. Zurückstehen muss auch der in Hollywood immer mehr Fuß fassende Daniel Brühl, der den Journalisten Hubertus Czernin verkörpert. Ein im wahren Leben enorm wichtiger Unterstützer Altmanns, der hier allerdings zumeist nur die Rolle des geschichtsbewussten Österreichers ausfüllt und zwischendurch den aktuellen Stand der Restitutionsnachforschungen für den Zuschauer rekapituliert.
Dass die rückhaltlose Auseinandersetzung mit dem Thema „Nazi-Raubkunst“ leider keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt der Fall „Maria Altmann“ nachdrücklich. Schön ist daher, dass er nun den Weg ins Kino gefunden hat und so ein noch größeres Publikum ansprechen kann. Etwas enttäuschend bleibt aber die Art und Weise, wie Simon Curtis den hoch aktuellen Stoff aufbereitet hat.