Girlfight – Auf eigene Faust

Girlfight

USA 2000 · 110 min. · FSK: ab 6
Regie: Karyn Kusama
Drehbuch:
Kamera: Patrick Cady
Darsteller: Michelle Rodriguez, Santiago Douglas, Jaime Tirelli, Paul Calderon u.a.

Kampf den Männerdomänen

Karyn Kusama gibt weib­li­cher Stärke eine neue Form

Schläge, schnell und fest. Immer wieder treffen sie das Auge der Kamera. »Come on« hören wir, und sehen, wie Diana, die nicht umsonst nach der Göttin der Jagd benannt ist, ihr Kinn vorreckt. Entschlossen. »Come on, be a man!«

Wo im Kino derzeit von Frauen und jungen Mädchen die Rede ist, müssen diese, so scheint es, jetzt endlich auch in die letzten Domänen einbre­chen, und all jene Terrains erobern, dieviel­leicht mit guten Gründen – bisher gern den Männern über­lassen wurden. Wer nicht wie die weib­li­chen Figuren früherer Jahre hilflos dem Sturzbach der Wirk­lich­keit ausge­setzt sein will, ist gezwungen, die notwen­digen Wider­stand­s­po­ten­tiale offenbar vorzugs­weise im eigenen Körper zu entwi­ckeln, und das Kämpfen auch mit den Waffen des »starken Geschlechts« lernen.
Der fran­zö­si­sche Film Baise-moi führte das gerade in einer Weise vor, die hier­zu­lande auf viel Kritik stießwas daran am meisten irri­tierte, war der Ton, in dem sie vorge­tragen wurde. Längst vergessen geglaubte Kate­go­rien – »Skandal!«, »Verbot!« kehrten mit einem Mal zurück; Kino sollte wieder als mora­li­sche Anstalt fungieren, und Kritiker, die jeden zweiten C-Movie, solange er nur mit der rechten Gesinnung ausge­stattet ist, in den Himmel loben, fanden Baise-moi einfach nur »dumm«. Mehr hatte man offenbar nicht zu sagen – und das war zuwenig.

Karyn Kusamas Film Girlfight hat Ähnliches nicht zu befürchten. Bei den Hofer Filmtagen wurde er zum Renner einer ganzen Reihe von Beiträgen, in denen man junge Frauen einen klas­si­schen Männer­part ausfüllen sah. Auch sportlich: Fechten, Sumo-Ringenoder eben Boxen.
Doch es gehört zu den großen Stärken von Girlfight, dass es hier trotzdem nicht in der Haupt­sache ums Boxen geht. Für die New Yorker Schülerin Diana (Michelle Rodriguez), die mit Vater und Bruder in einem Brook­lyner Wohnblock der Lower-Class lebt, ist der Sport ein Weg zur Befreiung und Selbst­dis­zi­pli­nie­rung. Die Regis­seurin, selbst Boxfan, erzählt diesen Weg als grad­li­nige Success-Story mit einigem Pathos. Was daran gefällt, ist der diffe­ren­zierte Blick aufs darge­stellte Milieu, noch mehr aber die rasante, intensive Form, in der Training und Kämpfe in Szene gesetzt sind. Immer wieder prügeln die Fäuste aufs Kamerauge, schlagen den Zuschauer förmlich ins Gesicht, und fordern körper­liche Reak­tionen heraus. Während in der Darstel­lung der Trai­nings­ein­heiten Monotonie und Wieder­ho­lung domi­nieren, stellt Kusama jeden der drei großen Kämpfe, die ihre Heldin zu bestehen hat, in sehr unter­schied­li­cher Form da.

Doch dahinter steckt mehr. Karyn Kusama insze­niert Frauen-Stärke in neuer Form. »Ich benutze die Box-Cliches, um eine Eman­zi­pa­ti­ons­story zu erzählen« erklärt sie dazu. Tatsäch­lich: Dianas Ich wird umso stärker, je mehr die junge Frau ihr Geschick selbst kontrol­liert. »Boxing is brain over body« sagt einmal ihr Trainer. Das könnte man auch über diesen Film sagen.

Aber letztlich geht es doch auch um körper­liche Über­le­gen­heit. (Muskel-)Stärke in einer Männer­welt, in der zwar einige Nice-Guys und väter­liche Trainer, aber noch mehr miss­brau­chende Väter, Schläger und poten­ti­elle Verge­wal­tiger leben. Alles an Diana will und darf hier sich körper­lich selbst austoben. Weibliche Emotion darf endlich auch Aggres­sion sein. David Finchers Fight Club kommt einem wieder in den Sinn, viel mehr noch als der erste Rocky, auch eine Underdog-Story, die hier unver­hohlen anzitiert wird. Und wenn man sich Girlfight und Baise-moi einmal genau anschaut, könnte man entdecken, dass sich beide ähnlicher sind, als manchen lieb sein dürfte.