Gladiator II

USA/GB 2024 · 148 min. · FSK: ab 16
Regie: Ridley Scott
Drehbuch:
Kamera: John Mathieson
Darsteller: Paul Mescal, Pedro Pascal, Connie Nielsen, Denzel Washington, Joseph Quinn u.a.
Gladiator II
Im Angesicht des Verbrechens...
(Foto: Paramount)

Democratia, quo vadis?

Ridley Scott kommt in seiner Fortsetzung nur in Ansätzen an die Intensität seines 24 Jahre alten Oscar-prämierten ersten Teils heran, macht aber immerhin deutlich, warum es diesen zweiten Teil dann doch brauchte

Ridley Scott macht es einem nicht leicht. Gleich zu Anfang zitiert er in einer Szene, in der sein »neuer Gladiator« Lucius Verus (Paul Mescal) irgendwo im nord­afri­ka­ni­schen Nubien Getrei­dekörner durch die Hand fahren lässt – hier aller­dings schon geerntet, anders als im ersten Teil, wo es die noch unge­ern­teten Ähren sind –, einen der ganz großen ikoni­schen Momente der Film­ge­schichte. Doch anders als in Gladiator im Jahr 2000 ist hier nichts ikonisch oder über­ra­schend. Gladiator war der erste Monu­men­tal­film mit antiker Thematik seit den 1960er Jahren. Zwar griff er zahl­reiche Elemente aus Der Untergang des Römischen Reiches aus dem Jahr 1963 auf, doch gelang Scott mit seinem Film ein wirk­li­cher Relaunch und das nicht nur inhalt­lich, sondern über ein groß­ar­tiges Ensemble wie die von Russel Crowe und Joaquin Phoenix gespielten Anta­go­nisten auch ein schau­spie­le­ri­sches Spektakel.

Dass diese Vorlage schlichtweg zu groß ist, scheint auch Scott gespürt zu haben, denn nicht allein durch die erwähnte Eingangs­szene versucht Scott seinen ersten Gladiator wieder und wieder zu re-enacten. Denn auch danach passiert eigent­lich all das, was schon einmal passiert ist, stirbt wieder eine geliebte Frau, führen alle Wege nach Rom. Doch auch diese Szene, die im ersten Teil von großer epischer Tragik ist, ist hier nicht mehr als pathe­ti­scher Kitsch. Das liegt nicht nur an dem Over-Scoring von Harry Gregson-Williams, der im zweiten Teil seinen Mentor Hans Zimmer ersetzt, der kein Interesse daran hatte, die alten Parti­turen für einen zweiten Teil zu adap­tieren. Es liegt aber auch an den Bildern, der Regie und dem Narrativ selbst, einer Über­que­rung des Styx, die erst recht so platt und aufge­setzt wirkt, vergleicht man sie mit einer wirklich kreativen Neuaus­le­gung dieses alten mytho­lo­gi­schen Bildes wie der in Sean Durkins The Iron Claw.

Nach diesen sein eigenes Werk dekon­stru­ie­renden Momenten wird es langsam besser, wohl auch, weil damit endlich alle Erwar­tungs­hal­tungen dekon­stru­iert sind. Über­ra­schend bleibt dennoch, dass groß­ar­tige Schau­spieler wie Paul Mescal, der zuletzt in Aftersun oder All of Us Strangers so über­ra­gend gespielt hat, aber auch Denzel Washington als Macrinus und neuer Anta­go­nist, in Scotts Fort­set­zung weit hinter ihren Möglich­keiten zurück bleiben. Mögli­cher­weise belastet ihr Spiel die Tatsache, dass das Drehbuch zu nah am ersten Teil geschrieben ist und eine schau­spie­le­ri­sche Eman­zi­pa­tion schlichtweg nicht möglich ist. Doch selbst neue Charak­tere wie der vom Fauda-Producer und Haupt­dar­steller Lior Raz darge­stellte Gladia­toren-Coach bleiben erschre­ckend hinter ihren Möglich­keiten.

Immerhin gelingt es Scott auf der Action-Ebene neue Fahr­wasser zu etablieren und das nicht nur durch die Flutung des Circus Maximus, die wie das neue Kaiser-Personal auf histo­ri­schen Tatsachen beruht.

Spätes­tens mit dieser Perso­nalie, der ebenfalls verbürgten Doppel­kai­ser­schaft von Kaiser Geta (Joseph Quinn) und Kaiser Caracalla (Fred Hechinger) in einem deka­denten, auto­kra­tisch regierten Rom, das wie schon im ersten Teil seine demo­kra­ti­schen Ideale verraten hat und in Korrup­tion und Miss­wirt­schaft versinkt, macht Scott deutlich, warum es diesen zweiten Teil überhaupt braucht, ein Warum, das wohl jedem Zuschauer fast die ganze erste Hälfte des 148 Minuten langen Films aufstoßen muss wie bittere Galle.

Doch mit der zuneh­menden Poli­ti­sie­rung des Films wird deutlich, dass der am 30. November 87 Jahre alt werdende und alters­weise Scott mit seiner Fort­set­zung wohl am ehesten ein fast schon propa­gan­dis­ti­sches Plädoyer für die Demo­kratie im Sinne hatte. Denn was hier im alten Rom an popu­lis­ti­scher Politik getrieben wird und wie das gemeine Volk zum Spielball kapi­ta­lis­ti­scher Inter­essen wird, unter­scheidet sich kaum von dem, was heute in unserer poli­ti­schen Gegenwart passiert. Das macht Scotts Film dann trotz bisweilen bizarrer Momente, die an die alten Monu­men­tal­filme Holly­woods und ihre Nach­folger, die Sanda­len­filme des italie­ni­schen Kinos erinnern, dann doch sehens­wert, auch wenn deutlich wird, dass Scott gerade in den hervor­ra­gend insze­nierten Mensch-jagt-Mensch-Szenen nach neuen »Meilen­steinen« wie Die Tribute von Panem oder Squid Game wie aus der Zeit gefallen wirkt. Was umso mehr über­rascht, als Scott ja erst 2021 mit seinem Ritter­film The Last Duel gezeigt hat, dass er auch auf diesem Terrain zu Inno­va­tion fähig ist.

Doch Scotts verlo­rener »Traum von Rom«, der durch »Ehre und Stärke« wieder reak­ti­viert werden soll, ist dann am Ende so leiden­schaft­lich formu­liert, dass alles, was vordem noch so anti­quiert gewirkt hat, plötzlich hoch­mo­dern wirkt und wie jede gute Propa­ganda macht Scott am Ende nicht nur durch ein letztes Zitieren seines Vorgän­ger­films mit dem schon erwähnten ikoni­schen Moment klar, dass Demo­kratie immer wehrhaft bleiben muss und es sich nicht nur lohnt, für sie zu kämpfen, sondern man für sie kämpfen muss, denn besser ein Tod in Freiheit als einer in Gefan­gen­schaft.

Quo vadis, servus?

Blaues Blut und schwarze Haut – die Biopolitik des Ridley Scott: Wieder einmal erzählt der Brite in Hollywood von Aliens im System und diesmal auch von der Schizophrenie in Politik und Showbetrieb

»Dominus imperat, servus arat.« – »Der Herr befiehlt, der Sklave pflügt.« Das war der erste, der aller­erste Satz in meinem Latein­buch, die aller­ersten Worte in der Sprache des Römischen Welt­reichs, die ich lernte. Gleich zu Beginn, in der fünften Klasse (»Sexta«) des Huma­nis­ti­schen Gymna­siums meiner Schulzeit, irgend­wann vor langer Zeit im weit entfernten 20.Jahr­hun­dert wurden mit der ersten Fremd­sprache die Verhält­nisse zurecht­gerückt und so in Blei gegossen. Es gibt Ungleich­heiten, es gibt Menschen, die befehlen, und welche, die dienen müssen, es gibt auch die, die zum Herrschen geboren sind, und die, die nie frei sein werden, oder sich allen­falls ihre Freiheit mühsam erkaufen können. So war es im Alten Rom. So ist es auch in unserer Zeit, nur dass wir es weniger gern offen sagen und dies auch nicht opportun ist, weil man empfind­li­cher geworden ist und sich ungern einge­steht, dass unser Wohl­stands­leben, dass Europa auf Ausbeu­tung und Verskla­vung anderer gebaut ist.

Hollywood ist da noch relativ offen­herzig.

Immer wieder erzählt die Traum­fa­brik des Westens uns allen Geschichten, in denen schöne saubere Menschen auch die Guten sind und hässliche, dreckige die Bösen. Oder sie sind nur vermeint­lich dreckig und eigent­lich im Herzen schön und werden dies auch äußerlich im Laufe des Films.
Immer wieder erzählt uns Hollywood von Ungleich­heit: von Menschen, in denen das Blut ihrer Ahnen­linie stärker ist als die Umstände; in denen der Ameri­ka­ni­sche Traum, nach dem alle Menschen gleich sind und ihnen alle Türen glei­cher­maßen offen­stehen, konter­ka­riert wird dadurch, dass sie aus Familien kommen, die ihnen Willens­stärke gegeben haben und außer­ge­wöhn­liche Fähig­keiten, die sie erzogen haben zum Herrschen und in denen sie ihr Heil finden, indem sie den Spuren ihrer Ahnen, vor allem ihrer Väter folgen. Hollywood ist nicht nur eine Traum­fa­brik, sie ist gerade in den letzten zwei Jahr­zehnten, in den Filmen des vermeint­lich so fort­ge­schrit­tenen, so achtsamen, so diversen und so gleichen 21. Jahr­hun­derts eine Schule der Ungleich­heit in Unifor­mität und eine Schule des Rassismus.
In diesen Filmen sind Herkunft und Hautfarbe und Kultur und Religion und alles das, was wir heute in einer eigent­lich völlig irrsin­nigen Wort­ver­dre­hung »Identität« nennen, so wichtig, wie sie niemals zuvor gewesen sind.

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Mehr als für alle anderen Filme gilt das für Marvels puber­täres Krach-Zack-Bumm-Kinder­jahr­marktskino und für die infan­tilen Tolkien-Verfil­mungen, und für all die anderen Fran­chises, für die Fantasy- und Super­helden-Filme, die dieses 21. Jahr­hun­dert prägen, das ja so fort­ge­schritten ist und alle Fehler des 20. ja so perfekt vermeidet.

Als Gladiator zum Ende dieses heute gern gering geschätzten 20. Jahr­hun­derts in die Kinos kam, war es eine Art Summe der 90er Jahre mit ihren vielen ausge­zeich­neten Filmen, ihren vielen großen Möglich­keiten und zugleich der schiefen Ebene, auf der sich dieses Kino schon in den 90ern mit Beginn der Digi­ta­li­sie­rung befand und die zu der Misere geführt hat, in der wir heute uns im filmi­schen Erzählen, aber auch in anderer Hinsicht befinden.

Auch die jetzige völlig entbehr­liche, aber gut ansehbare Fort­set­zung Gladiator II ist eine einzige Bestä­ti­gung dieser Beob­ach­tungen.

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Ganz am Anfang, noch vor Beginn des Films, erscheint der Titel und das vor 25 Jahren ikonisch gewordene Logo: »GladIator«, wobei das I besonders groß geschrieben wird, wie eine römische I. Dann spaltet sich diese I zu einer römischen II und wir lesen »GladIIator« – ein visueller Gimmick, nicht überaus originell, aber auch nicht schlecht, so wie dieser ganze Film. Aber vor allem ein – den Filme­ma­chern unbe­wusster – Verweis, auf das, was in diesem Film vor sich geht.

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Denn so wie Ridley Scotts mit fünf Oscars prämierter Gladiator 1999 ein Film über die Einheit war, über das letzte Aufbäumen römischer Tugenden in Marc Aurel – all das mögen Klischees sein, Verein­fa­chungen, komplett unhis­to­risch, aber darum geht es nicht, wir sind in Hollywood –, über den einen Kaiser, der in dem einen Kämpfer Maximus die Möglich­keit eines Weiter­le­bens des eigenen Erbes der Einheit Roms erkennt, so ist die von Scott selber ein Vier­tel­jahr­hun­dert später insze­nierte Fort­set­zung Gladiator II ein Film über den Zerfall. Über die Zersplit­te­rung, über Dekadenz und Hoff­nungs­lo­sig­keit. Es mag ums Ganze gehen, aber dieses Ganze ist bereits unrettbar zerbro­chen.
So zerbro­chen, wie die Erzähl­kunst Holly­woods, die Erzähl­kunst der Neunziger-Jahre, die mehrere Dutzend Meis­ter­werke brachten, zerstoben ist im digitalen Sturm, der sich seitdem entfachte und nicht nur das Show­busi­ness, sondern auch die Politik und die Kultur mit sich riss in den Maelstrom.

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Konse­quen­ter­weise verdop­pelt auch der Film, um die Story fort­zu­setzen, seine Figuren: Wo mit Maximus ein Held war, um Römer­tu­gend zu verkör­pern, wenn auch ein in Offizier und Aren­akämpfer, Herr und Sklave gespal­tener, braucht es nun zwei sich auch äußerlich ähnliche Figuren, um das zu zeigen, was im ersten Teil noch in einer war: Lucius Maximus, den Sohn des Gladiator Maximus, der in dessen Fußstapfen tritt, sich als Kaiser­sohn entpuppt und zwischen­zeit­lich zum Spartacus mutiert, und den Feldherrn Marcus Acacius (Pedro Pascal), der von einer Renais­sance der Republik träumt, aber offenbar weder Tacitus noch Cicero noch Caesar gelesen hat, sonst wüsste er es besser. Zu diesen zwei Looka­likes als Helden stellt Ridley Scott auch zwei Looka­likes als Kaiser, zwei Seiten von Verwor­fen­heit und Dekadenz. Sie sollen den immerhin charis­ma­ti­schen Joaquin Phoenix als Commodus ersetzen. Wie bewusst diese Doppelung dem Regisseur ist, macht der mehrfach bemühte Verweis auf Romulus und Remus klar, die zwei von einer Wölfin gesäugten Zwil­lings­brüder am Anfang der Gründung der Stadt.

Und viel­leicht möchte der Regisseur ja noch ein Lookalike erzeugen: Im Kopf des Zuschauers, die Parallele zwischen den Verhält­nissen des Films und jenen in der zeit­genös­si­schen Politik: Alles ist Spektakel, alles Effekt und Perfor­mance, alles medi­en­ge­macht, alles Arena, alles Blut und Spiele.

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Der Film beginnt spek­ta­kulär und emotional, im Stil des Origi­nal­films. Nach einem Insert, das uns »um 200 n. Chr.« situiert und behauptet, unter der »Dekadenz« unter den Doppel­kai­sern Geta und Caracalla sei »der Staat von Marc Aurel nicht mehr«, wird »das letzte freie Land Afrikas« (»Numidia«) in einem filmisch formi­da­blen und extrem gut insze­nierten Galee­ren­an­griff nieder­ge­worfen.

Feuer­bälle prasseln auf die Galeere und von der Galeere zurück. Bogen­schützen sorgen für Pfeil­ge­witter, Schwerter spalten Schädel. Hier ist Ridley Scott at his best. Man merkt, dass der Mann auch mit 86 Jahren noch gerne mili­tär­wis­sen­schaft­liche Bücher liest und den Geist des British Empire geatmet hat. Genau solche Szenen sind seine Stärken; sie sind auch seine Vorlieben.

Held Lucius, der noch nicht weiß, dass er so heißt, aber schon ein wackerer Kämpfer ist, mit allen Eigen­schaften zum Offizier: Natür­liche Führungs­kraft, Mut und kalt­blü­tige Übersicht im Kampf­taumel, redet über Rom, wie heute ein Hamas-Terrorist über den Westen: »They bring destruc­tion and call it peace.«

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Dies ist, auch das zeigt sich früh, ein Hollywood Film, der sich nicht mehr mit Rom iden­ti­fi­ziert, der an Rom nicht glaubt, sondern halb ausge­spro­chene Sympa­thien mit dem Globalen Süden und anti­zi­vi­li­sa­to­ri­scher Barbarei hegt. Das wirkt sich aus auf den Film, der seine innere Mitte und sein welt­an­schau­li­ches Zentrum nie findet. Es ist genau diese Schi­zo­phrenie, für die Ridley Scott zwei Haupt­fi­guren braucht: Einer­seits den römischen Feldherrn, der die alte Welt verkör­pert und mit einer Mischung aus Technik, Vernunft und Römer­tu­gend die schwarzen Barba­ren­stämme unter­wirft. Und ande­rer­seits den Rebell aus jener Dritten Welt, der Zorn, Idea­lismus und Ressen­ti­ment zugleich verkör­pert – und dem die anti­zi­vi­li­sa­to­ri­sche Frechheit, der Affront gegen Westen, Moderne und Vernunft und damit die Provo­ka­tion für unsereins zugleich wieder genommen wird, weil er ja selbst ein Weißer und Römer ist, und in seinen Adern sogar das blaue Blut des Kaiser­hauses pulsiert, nur ener­ge­tisch aufge­laden und erfrischt durch die wilden Stämme jenseits der Pax Romana.

So funk­tio­niert die Biopo­litik des Ridley Scott.

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Nach etwa 30 der insgesamt 150 Minuten des Films kommt es – Lucius wurde gefangen, gebrand­markt und als Sklave nach Rom verschleppt – zur ersten Arena-Schlacht der Gladia­toren und aus dem Bauch des römischen Kolos­seums taucht eine Gruppe digital erzeugter Affen mit Riesen­ge­biss auf, die in der Logik nicht nur von Gladiator, sondern auch von Gladiator II absolut unak­zep­tabel ist. Sie wirken wie aus einer Horror­ver­sion von Der Herr der Ringe. Es handelt sich um über­di­men­sio­nierte Paviane, die genauso schnell wieder verschwinden, wie sie auftau­chen, nachdem einer von ihnen vom Helden totge­bissen wurde. Den späteren Hai-Alarm im Kolosseum und einen gepan­zerten Reiter, der stehend auf einem galop­pie­renden Nashorn kämpft, mag man in all seiner abstrusen Absur­dität noch akzep­tieren, aber dies hier nicht.

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Nicht besser wird es mit den Kaisern Geta und Caracalla. Sie wirken nicht majes­tä­tisch, sondern wie böse Pausen­clowns, erst recht durch ihre über­trieben bunte Maske, weiß gepuderte Gesichter, »unmänn­liche« Sprech­weise und schwule Gestik. Diese wahn­sin­nigen Brüder sind nicht einmal komisch, sondern nerven eher, als dass sie unter­halten. Während die Kaiser immer unbe­re­chen­barer und wahn­sin­niger werden, mit Affen als ständigen Beglei­tern, werden Allianzen geschlossen, Wetten gewonnen und verloren, und Enthül­lungen über die Motive und lang­fris­tigen Pläne verschie­dener Haupt­fi­guren gemacht.

Aber es gibt keinen einzigen Moment ihrer Präsenz auf der Leinwand, der nicht peinlich für die Macher ist. Viel­leicht ist das trotzdem so beab­sich­tigt, damit Denzel Washington in seiner Rolle als intri­ganter Aufsteiger Macrinus um so mehr glänzen kann, doch die Entschei­dung geht nach hinten los: Schwache Ziele schwächen den Gegen­spieler.

Nur die Tatsache, dass zeit­genös­si­sche Filme so schlecht sind, macht es möglich, all dies trotz der ernst­haften Mängel des Films zu genießen.

Trotzdem ist die Figur des schwarzen Skla­ven­händ­lers Macrinus (Denzel Washington) inter­es­sant und diejenige, die Ridley Scott am meisten inter­es­siert. Denn hier findet er das Thema seines Kinos: Alien! Der Außen­seiter im System: Der Außen­seiter als Agent des Wandels. Eine Kraft, die sich an den Rändern eines Systems bewegt, bis sie ihm entkommt, es zerstört oder es erobert.
Durch diese Figur vergisst man plötzlich die tech­ni­schen Nach­läs­sig­keiten, die Wieder­ho­lungen des Immer­glei­chen, die ermü­denden Palast­in­trigen.

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Macrinus wird zwischen­zeit­lich zum Ersatz­vater und zweiten Schöpfer des Helden Lucius. Er macht ihn zu seinem Werkzeug und zugleich erklärt er ihm, wer er ist, und befreit ihn so: »Du trägst etwas in dir, die Griechen haben ein Wort dafür: Thymos. Qual, Wut. Diese Wut ist deine Gabe. Du darfst sie nie verlieren, denn sie wird dir zu Größe verhelfen.«

Es liegt nahe, in Macrinus ein Selbst­bild des Regis­seurs zu sehen, des Außen­sei­ters Ridley Scott inmitten der Film­in­dus­trie Holly­woods. Wie Macrinus hat auch Ridley Scott bei jedem seiner Schritte eine verbor­gene Absicht. Anders als andere Veteranen des Regie­hand­werks will Ridley Scott weder sein Gewissen reinigen noch dem Publikum erklären, warum er Filme macht. Er macht sie einfach – und zündet damit dann das ganze System an.

Im Gespräch mit Marc Aurels Tochter Lucilla entpuppt sich Macrinus dabei als poli­ti­scher Realist und Vorläufer des Denkens der Staats­raison: »Du bist die Tochter deines Vaters. Sein Traum von Rom war nie ein Traum, es war eine Illusion. Ich gebe mir alle Mühe, es deinem Vater nicht gleich zu tun. Er sprach von Träumen, ich spreche von Wahrheit. Und die einzige Wahrheit in meinem Rom ist das Gesetz des Stärkeren. Ich war Besitz eines Kaisers – jetzt kontrol­liere ich ein Weltreich. Wo sonst, wenn nicht in Rom könnte man das erreichen?«

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Alles ist übrigens histo­risch, denn Ridley Scott ist auch ein histo­risch überaus inter­es­sierter Fakten­nerd. Aber weil er auch ein Regisseur ist, der Erfolg will und viele Zuschauer, sind die Fakten doch nur halb­wichtig, und am Ende war im Grunde nichts so, wie er es zeigt. Es gab Macrinus, der wurde aber über ein Jahr lang Kaiser und hatte keine schwarze Hautfarbe. Macrinus brachte tatsäch­lich Caracalla um, dieser war aber keines­wegs ein schlechter Kaiser. So wenig wie sein Bruder Geta, den wiederum Caracalla zuvor hinge­met­zelt hatte, so wie das der Film zeigt.

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Neben dem Quatsch steht der Kitsch: Die Fort­set­zung nutzt jede Gele­gen­heit, um die Verbin­dung zum Vorgänger zu unter­strei­chen, und das Herz des Publikums zu gewinnen – doch der rühr­se­lige Ton des ersten Films ist inzwi­schen veraltet, und selbst seine treuen Fans werden fest­stellen, dass die Wieder­ho­lung bestimmter Elemente eher wie eine Parodie wirkt als eine Fort­set­zung.

Ridley Scott geht ästhe­tisch große Risiken ein, indem er mit diesen Verbin­dungen spielt, doch aus finan­zi­eller Sicht ist das Geschäft gesichert.

Die Puzzle­teile fügen sich zwar nie richtig zusammen, doch wird alles am Ende immerhin ein zutiefst nihi­lis­ti­scher Film über die Mecha­nismen, die Macht schaffen, struk­tu­rieren und schwächen – damals wie heute. It’s not the economy, stupid! Es ist das Ego und der Narzissmus und die Wut und der Hass und das Ressen­ti­ment – für diese Einsicht zumindest hätte man nach diesem Film Trumps Wahlsieg nicht mehr gebraucht.

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Friedrich Nietzsche hat das alles und die dazu­gehö­rigen psycho­lo­gi­schen Prozesse gut beschrieben: »Der Skla­ven­auf­stand in der Moral beginnt damit, dass das Ressen­ti­ment selbst schöp­fe­risch wird und Werte gebiert: das Ressen­ti­ment solcher Wesen, denen die eigent­liche Reaktion, die der Tat, versagt ist, die sich nur durch eine imaginäre Rache schadlos halten«, schrieb er. Die Sklaven-Moral bedürfe immer einer Gegen- und Außenwelt, »ihre Aktion ist von Grund aus Reaktion.«

Am Ende muss der Kaiser­sohn Führungs­stärke zeigen und den zum Kaiser aufge­stie­genen Sklaven Macrinus zurecht­weisen, ihm seinen Platz zeigen. Die Demo­kratie, die »Rückkehr zur Republik«, von der in diesem Film ausge­rechnet die Spröss­linge der Elite träumen, ist hier realis­tisch betrachtet immer schon verloren. Und das liegt nicht nur an der Amoral der Berufs­po­li­tiker im Senat.
Sondern an objek­tiven Verhält­nissen: Diesem Staat fehlt das verbin­dende Element, mit der die hier mehrfach bemühte Formel von der »Einheit und Stärke« mehr wäre als eine Worthülse.
Eine Rückkehr zur Demo­kratie ist nicht möglich.

Scott zeigt das, aber bitte nicht zu deutlich, das könnte ja empfind­same Zuschauer verschre­cken. Der Film entschul­digt sich quasi permanent für das, was er ist, bzw. eigent­lich sein möchte, bzw. auch sein könnte. Und so zeigt er am Ende dann doch vor allem, was passiert, wenn die Sklaven siegen. Und wenn die Sklaven-Moral zu herrschen beginnt.