Gladiator II

USA/GB 2024 · 148 min. · FSK: ab 16
Regie: Ridley Scott
Drehbuch:
Kamera: John Mathieson
Darsteller: Paul Mescal, Pedro Pascal, Connie Nielsen, Denzel Washington, Joseph Quinn u.a.
Gladiator II
Im Angesicht des Verbrechens...
(Foto: Paramount)

Democratia, quo vadis?

Ridley Scott kommt in seiner Fortsetzung nur in Ansätzen an die Intensität seines 24 Jahre alten Oscar-prämierten ersten Teils heran, macht aber immerhin deutlich, warum es diesen zweiten Teil dann doch brauchte

Ridley Scott macht es einem nicht leicht. Gleich zu Anfang zitiert er in einer Szene, in der sein »neuer Gladiator« Lucius Verus (Paul Mescal) irgendwo im nord­afri­ka­ni­schen Nubien Getrei­dekörner durch die Hand fahren lässt – hier aller­dings schon geerntet, anders als im ersten Teil, wo es die noch unge­ern­teten Ähren sind –, einen der ganz großen ikoni­schen Momente der Film­ge­schichte. Doch anders als in Gladiator im Jahr 2000 ist hier nichts ikonisch oder über­ra­schend. Gladiator war der erste Monu­men­tal­film mit antiker Thematik seit den 1960er Jahren. Zwar griff er zahl­reiche Elemente aus Der Untergang des Römischen Reiches aus dem Jahr 1963 auf, doch gelang Scott mit seinem Film ein wirk­li­cher Relaunch und das nicht nur inhalt­lich, sondern über ein groß­ar­tiges Ensemble wie die von Russel Crowe und Joaquin Phoenix gespielten Anta­go­nisten auch ein schau­spie­le­ri­sches Spektakel.

Dass diese Vorlage schlichtweg zu groß ist, scheint auch Scott gespürt zu haben, denn nicht allein durch die erwähnte Eingangs­szene versucht Scott seinen ersten Gladiator wieder und wieder zu re-enacten. Denn auch danach passiert eigent­lich all das, was schon einmal passiert ist, stirbt wieder eine geliebte Frau, führen alle Wege nach Rom. Doch auch diese Szene, die im ersten Teil von großer epischer Tragik ist, ist hier nicht mehr als pathe­ti­scher Kitsch. Das liegt nicht nur an dem Over-Scoring von Harry Gregson-Williams, der im zweiten Teil seinen Mentor Hans Zimmer ersetzt, der kein Interesse daran hatte, die alten Parti­turen für einen zweiten Teil zu adap­tieren. Es liegt aber auch an den Bildern, der Regie und dem Narrativ selbst, einer Über­que­rung des Hades, die erst recht so platt und aufge­setzt wirkt, vergleicht man sie mit einer wirklich kreativen Neuaus­le­gung dieses alten Bildes wie der in Sean Durkins The Iron Claw.

Nach diesen sein eigenes Werk dekon­stru­ie­renden Momenten wird es langsam besser, wohl auch, weil damit endlich alle Erwar­tungs­hal­tungen dekon­stru­iert sind. Über­ra­schend bleibt dennoch, dass groß­ar­tige Schau­spieler wie Paul Mescal, der zuletzt in Aftersun oder All of Us Strangers so über­ra­gend gespielt hat, aber auch Denzel Washington als Macrinus und neuer Anta­go­nist, in Scotts Fort­set­zung weit hinter ihren Möglich­keiten zurück bleiben. Mögli­cher­weise belastet ihr Spiel die Tatsache, dass das Drehbuch zu nah am ersten Teil geschrieben ist und eine schau­spie­le­ri­sche Eman­zi­pa­tion schlichtweg nicht möglich ist. Doch selbst neue Charak­tere wie der vom Fauda-Producer und Haupt­dar­steller Lior Raz darge­stellte Gladia­toren-Coach bleiben erschre­ckend hinter ihren Möglich­keiten.

Immerhin gelingt es Scott auf der Action-Ebene neue Fahr­wasser zu etablieren und das nicht nur durch die Flutung des Circus Maximus, die wie das neue Kaiser-Personal auf histo­ri­schen Tatsachen beruht.

Spätes­tens mit dieser Perso­nalie, der ebenfalls verbürgten Doppel­kai­ser­schaft von Kaiser Geta (Joseph Quinn) und Kaiser Caracalla (Fred Hechinger) in einem deka­denten, auto­kra­tisch regierten Rom, das wie schon im ersten Teil seine demo­kra­ti­schen Ideale verraten hat und in Korrup­tion und Miss­wirt­schaft versinkt, macht Scott deutlich, warum es diesen zweiten Teil überhaupt braucht, ein Warum, das wohl jedem Zuschauer fast die ganze erste Hälfte des 148 Minuten langen Films aufstoßen muss wie bittere Galle.

Doch mit der zuneh­menden Poli­ti­sie­rung des Films wird deutlich, dass der am 30. November 87 Jahre alt werdende und alters­weise Scott mit seiner Fort­set­zung wohl am ehesten ein fast schon propa­gan­dis­ti­sches Plädoyer für die Demo­kratie im Sinne hatte. Denn was hier im alten Rom an popu­lis­ti­scher Politik getrieben wird und wie das gemeine Volk zum Spielball kapi­ta­lis­ti­scher Inter­essen wird, unter­scheidet sich kaum von dem, was heute in unserer poli­ti­schen Gegenwart passiert. Das macht Scotts Film dann trotz bisweilen bizarrer Momente, die an die alten Monu­men­tal­filme Holly­woods und ihre Nach­folger, die Sanda­len­filme des italie­ni­schen Kinos erinnern, dann doch sehens­wert, auch wenn deutlich wird, dass Scott gerade in den hervor­ra­gend insze­nierten Mensch-jagt-Mensch-Szenen nach neuen »Meilen­steinen« wie Die Tribute von Panem oder Squid Game wie aus der Zeit gefallen wirkt. Was umso mehr über­rascht, als Scott ja erst 2021 mit seinem Ritter­film The Last Duel gezeigt hat, dass er auch auf diesem Terrain zu Inno­va­tion fähig ist.

Doch Scotts verlo­rener »Traum von Rom«, der durch »Ehre und Stärke« wieder reak­ti­viert werden soll, ist dann am Ende so leiden­schaft­lich formu­liert, dass alles, was vordem noch so anti­quiert gewirkt hat, plötzlich hoch­mo­dern wirkt und wie jede gute Propa­ganda macht Scott am Ende nicht nur durch ein letztes Zitieren seines Vorgän­ger­films mit dem schon erwähnten ikoni­schen Moment klar, dass Demo­kratie immer wehrhaft bleiben muss und es sich nicht nur lohnt, für sie zu kämpfen, sondern man für sie kämpfen muss, denn besser ein Tod in Freiheit als einer in Gefan­gen­schaft.