Deutschland 2021 · 108 min. · FSK: ab 12 Regie: Maria Schrader Drehbuch: Jan Schomburg, Maria Schrader Kamera: Benedict Neuenfels Darsteller: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch u.a. |
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Mit kaltem Herz: Der fast perfekte Mensch | ||
(Foto: Majestic) |
»Was wäre, wenn«… Nein, nicht, »was wäre, wenn man sich den perfekten Partner als Roboter erschaffen könnte«, ist die Frage die im Kontext der Berlinale vor allem interessiert. »Was wäre, wenn« dieser Film genau so in Frankreich gedreht werden würde?
Nach zwei Kinofilmen (Liebesleben, Vor der Morgenröte) und einer Miniserie (Unorthodox) liefert Maria Schrader mit Ich bin dein Mensch ihre nächste Regiearbeit ab. Herausgekommen ist eine Near-Future-RomCom, die auf einer Kurzgeschichte von Emma Braslavsky basiert und von Jan Schomburg und Schrader selbst zu einem Drehbuch adaptiert wurde. Alma, gespielt von Maren Eggert, die endlich auch mal ihr komödiantisches Talent beweisen darf, erklärt sich bereit, den attraktiven humanoiden Roboter Tom (Dan Stevens), der als ihr perfekter Lebenspartner designt wurde, für drei Wochen im Rahmen einer Studie zu testen. Alma benötigt das Geld, um ihr Forschungsprojekt voranzutreiben, und sagt trotz ihrer Abneigung, fortan mit einem Roboter ihr Leben zu teilen, genervt zu. Im Geiste einer Screwball-Comedy schaukeln sich die unterschiedlichen Temperamente der beiden immer weiter hoch, bis zur vorhersehbaren Auflösung.
Natürlich ist der buchstäblich aus dem Katalog kommende Tom der schrulligen Alma zu makellos, und natürlich fühlt sie sich unwohl dabei, sich einen Humanoiden als eine Art Glücks-Sklaven zu halten. Und ja, natürlich geht es auch um körperliche Nähe zwischen Mensch und AI. Schrader interessiert sich aber auch für grundlegende philosophische Fragen, nämlich ob die Erfüllung einer persönlichen Glücksvorstellung nicht über einen flammenden Idealismus geht. Über all dem liegt naheliegenderweise das Thema – was macht uns eigentlich zum Menschen? Hier wird das Anlehnen an einen Altglascontainer zu der menschlichsten Geste überhaupt.
Craig Mazin, der Schöpfer der gefeierten Miniserie Chernobyl, sagt: »Wenn wir nicht sterblich wären, gäbe es auch kein Drama«, und genau hier stößt sie an der dramatischsten Stelle des Films hinein. Sicher verhandelt dieser Film das Thema ganz anders als Sandra Wollners fantastischer The Trouble with Being Born und auch ganz anders als Alex Garlands Ex Machina oder Isa Willingers Hi, AI. Spike Jonzes Her erzählt ein verwandtes Thema wesentlich komplexer und ambivalenter, aber nicht jedes Thema muss nolanesk oder kaufmanesk erzählt werden. Ich bin dein Mensch macht keinen Hehl draus, dass er leichte Unterhaltung bieten möchte, die tiefer gehende Fragen anschneidet, und bewerkstelligt dies auch gut. Eggert und Stevens nimmt man (fast) alles ab, vor allem letzterer lässt einen entfernt an Artgenossen wie Lance Henriksen und Robert Patrick zurückdenken, hoffentlich sieht man ihn von nun an häufiger im deutschen Film. Auch Benedict Neuenfels’ Bildgestaltung ordnet sich mit einer klaren, reduzierten Ästhetk dem Unterhaltungsauftrag unter.
Wir sprechen hier also von einem ganz anderen Großstadtmärchen als Christian Petzolds Liebesdrama Undine aus dem Vorjahr, welcher in seinen besten Momenten ins Genre der Komödie tapste. Schraders Film ist viel souveräner und selbstbewusster in der komischen Form. Es ist eine gefällige, aber nicht beliebige Komödie, der auf der Zielgeraden etwas der Sprit ausgeht, und die mit dem Stempel »Made in France« ein sicherer Best-Ager-Hit im Kino geworden wäre.
Wenn, ja, wenn nicht der Stempel »TV-Movie« wäre. In Wirklichkeit ist Ich bin dein Mensch nämlich als SWR-Film konzipiert, und wird auf deren Website auch mit einer TV-Ausstrahlung im »Herbst 2021« beworben. Ich bin dein Mensch ist aber ein sehr gutes TV-Movie und auch eine gute Kinokomödie, ja.
Das Thema der künstlichen Intelligenz und der Robotik wird zurzeit neu thematisiert. Nicht nur im neuen Roman des Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro (»Klara und die Sonne«), sondern auch in Filmen. Einer davon ist Ich bin dein Mensch von Maria Schrader.
Statt »Girl meets Boy« heißt der Plot »Girl meets Robot«. Im Zentrum steht Alma, die von Maren Eggert gespielte Hauptfigur. Wie im deutschen Kino gewohnt originell ist sie Expertin für Vor- und Frühgeschichte, arbeitet im zusätzliche Leinwandschauwerte erzeugenden Pergamonmuseum und ist auf die Entzifferung von Keilschriften spezialisiert. Die Frage, warum ausgerechnet sie zur Versuchsperson in einem Forschungsprojekt wird, in der es darum geht, humanoide Liebesroboter auf ihre Partnerschaftstauglichkeit und soziale Kompetenz zu testen, sollte man besser nicht stellen. Wir sind im Kino! Im deutschen!!
Auch die Hauptfigur selbst ist zunächst reichlich skeptisch gegenüber dem Plot und sowieso an der Liebe nicht allzu sehr interessiert. Glaubt sie. Der Film wird alles daran setzen, ihr diesen Glauben auszutreiben, und aus der selbstbewussten, alleinlebenden Frau, die einen Beruf hat, der sie ausfüllt und erfüllt, die viele gute Kollegen hat, die sie schätzen, Freunde, Familie und einen Ex-Liebhaber, dem sie nur selten nachtrauert, um aus dieser Frau wieder ein kleines Mädchen zu machen. Das im Beruf plötzlich erfolgloser wird, immer noch ihre erste unschuldigen Teenagerliebe hinterherschluchzt, und dessen Widergänger in einer Maschine findet, die so aussieht wie der Frauenschwarm aus »Downton Abbey«.
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Als Versuchsgegenüber bekommt Alma Tom (Dan Stevens) zugewiesen: Er ist gutaussehend, mit perfekten Manieren ausstaffiert und redet zuviel dummes Zeug. Ein bisschen erinnert er an Data in Star Trek: The Next Generation.
Ein Maschinenwesen, das beispielweise Almas Zimmer in Sekundenschnelle aufräumt und dabei in eine derart absurd perfekte Ordnung bringt, dass es ihr graut. Bücher stehen nach Farben geordnet! Eine Horrorvorstellung! Aber auch ein bisschen der feuchte Hausfrauentraum aus der Siebzigerjahre-Werbung für »Der General«.
Das allererste Treffen der beiden geht noch gründlich schief, weil Tom einen Kurzschluss bekommt. Doch bald steht er frisch upgedatet wieder in Almas
Wohnung.
Die Dialektik der Robotik liegt vor allem gerade darin, dass ein perfekter Roboter erst dadurch perfekt wäre, dass er Momente des Imperfekten und Überraschenden in sich trägt. Davon hat Tom noch nichts gehört. Aber er ist lernfähig. Zugleich liegen Faszination und Schrecken dieser Freizeit- und Geselligkeitsmaschine darin, das er auch – sagen wir es offen – ein virtuoser Sexroboter ist.
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Formal ist Ich bin dein Mensch eher bieder. Der Film neigt zum Bebildern und Auserzählen, zum Thesenhaften und lässt wenig offen. In gewissem Sinn ist dies eine Farce zwischen Komödie und Tragödie.
Immerhin lernt man etwas: Wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob das Gegenüber Mensch oder Maschine ist, sollte man es nicht fragen, ob es an Gott glaubt, oder was der Sinn des Leben ist. Sondern: »3587 mal 982 durch 731?«. Wenn die Antwort innerhalb von Sekunden
»4818,65116« lautet, dann weiß man, woran man ist.
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In seinen besten Momenten ist Ich bin dein Mensch ein Film der ungewohnten Fragen: Kann man sich in Roboter verlieben? Und würden sie unsere Bedürfnisse vielleicht noch viel besser erfüllen, als noch die idealsten menschlichen Partner?
Der Film antwortet mit einem skeptischen Ja. Denn Tom ist nicht nur sehr gutaussehend, sondern hilfsbereit, lernfähig und humorvoll. Aufgrund seiner rasanten Analysefähigkeit ist er zudem viel empathischer als viele Menschen. Damit reiht sich der Film in eine Reihe von Menschmaschinen des Kinos, die alles besser wissen, die empathischer sind, und dadurch moralisch besser als die Menschen.
Vielleicht ist aber genau dies die wahre Horrorvision? Und genau hier, wo es
interessant wird, hört Maria Schraders Film mit dem Fragen und Nachfragen auf.
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Geradezu reaktionär und ideologisch ist Ich bin dein Mensch in der Betrachtung einer Singlefrau. Hier muss der Rezensent einmal gegen die eigene Gewohnheit inhaltistisch und moralisierend werden.
Alma braucht eigentlich nichts. Schon gar nicht einen Partner. Sie will ihre Ruhe. Verständlich. Der Film aber will ihr diese Ruhe nicht gönnen, er will ihr – und damit uns Zuschauern – weismachen, dass sie sehr wohl etwas braucht: Einen Mann, irgendeinen und sei es einen Androiden. Der Film will auch erklären, dass Menschen nicht allein leben sollen, und dass die Perfektion der Maschinen letztlich wünschenswert ist.
Denn die Maschine ist genau dieser »bessere Mensch« der in unsere Gegenwart so viel besser zu passen scheint, als die echten Menschen »aus Fleisch und Blut«: Einer, der »achtsam« ist, höflich, nie laut wird, nie provoziert, nie anstößt, der seinen Müll wegwirft nachdem er ihn getrennt hat, der auf Fleisch verzichten kann, der schon gar nicht auf Selbstverwirklichung und Freiheit aus ist, ein Mensch 2.0.
Tom ist rundum gut. Zivilisierter als »normale« Menschen, er stellt sich selbst nicht ins Zentrum der eigenen Aufmerksamkeit, er dient anderen und kann sogar zum Helden werden. Denn er versteht die Angst vor dem Sterben nicht. Irgendwie eindeutig ein besserer Mensch. Oder eben keiner.