USA 2002 · 118 min. · FSK: ab 16 Regie: Christopher Nolan Drehbuch: Nikolaj Frobenius Kamera: Wally Pfister Darsteller: Al Pacino, Robin Williams, Hilary Swank, Maura Tierney u.a. |
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Robin Williams und Al Pacino |
Licht sickert durch die Jalousien wie Säure. Hoch in Alaska, im Land der Mitternachtssonne, verschmelzen Tag und Nacht zu einer trügerischen Einheit. Will Dormer (Al Pacino), Starermittler aus L.A., kann nicht schlafen. Schlimmer als die erbarmungslose Helligkeit sind die Schuldgefühle, die ihn plagen. Immer wieder blitzen Momentaufnahmen in seinem ermüdeten Hirn auf: Blutstropfen, die in weißen Stofffasern versickern, das anklagende Gesicht seines sterbenden Partners. Schuld an dessen Tod ist Dormer. Auf der Jagd nach einem Mädchenmörder hat er im Nebel versehentlich den Falschen getroffen. Der Cop, der wegen einer nicht ganz sauberen Ermittlung daheim die Abteilung für Innere Sicherheit auf dem Hals hat, verschweigt den tödlichen Fehler und schiebt den Schuss dem Killer in die Schuhe. Eine verhängnisvolle Entscheidung. Denn der einzige Zeuge für die Tat ist der gesuchte Mörder. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in dessen Verlauf der clevere Cop immer mehr ins Hintertreffen gerät.
Basierend auf einer norwegischen Vorlage von 1997 bringt Regisseur Christopher Nolan einen weiteren Thriller auf die Leinwand. Nach dem raffiniert von hinten aufgerollten Memento bedient sich Nolan diesmal allerdings einer konventionellen Erzähltechnik. Auch Freunde des Who-Done-It-Kinos kommen nicht auf ihre Kosten: Der Mörder des Mädchens (Robin Williams) ist schnell aufgespürt. Die eigentliche Faszination des Films erwächst aus der erbarmungslosen Atmosphäre der arktischen Landschaft, vor der Pacino und Williams sich ein fulminantes Psychoduell liefern. Geschickt setzt Nolan die eisige Natur in Szene: Wenn Dormer auf seiner Jagd nach dem Mörder im Fluss landet und treibende Baumstämme ihm den Weg zur Oberfläche versperren, bleibt auch dem Zuschauer die Luft weg.
Wieder macht Nolan einen psychologischen Ausnahmezustand zum Motto seines Films: Während in Memento Held Leonard mit dem Verlust seines Gedächtnisses zu kämpfen hatte, wird bei Insomnia die zersetzende Schlaflosigkeit als äußerer Ausdruck von Schuld zum entscheidenden Faktor. Bei den verzweifelten Versuchen, seine Fehler auszubügeln, büßt der Cop seine moralische Identität ein. Der Zweck heiligt nicht die Mittel, lautet dann auch die Quintessenz des Films, der zum Showdown etwas übertrieben mit dem erhobenen Zeigefinger winkt: Wer das Schutzschild seines persönlichen Ehrencodex zerstört, ist gegen ethische Attacken nicht mehr gefeit.