USA 2016 · 124 min. · FSK: ab 16 Regie: Paul Greengrass Drehbuch: Paul Greengrass, Christopher Rouse Kamera: Barry Ackroyd Darsteller: Matt Damon, Alicia Vikander, Julia Stiles, Tommy Lee Jones u.a. |
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Transformation zum schwarzeneggerschen »Terminator« |
Well, I try my best
To be just like I am
But everybody wants you
To be just like them
They sing while you slave and I just get bored
I ain’t gonna work on Maggie’s farm no more
(Bob Dylan, Maggies Farm)
Man könnte der Bourne-Reihe wie fast jeder anderen Blockbuster-Fortsetzung dieser Tage Überflüssigkeit, Feigheit vor dem Feind (Kreativität) und vulgärste kapitalistische Gier vorwerfen. Aber spätestens nach dem dritten Teil, der auf Die Bourne Identität (2002) und Die Bourne Verschwörung (2004) folgte, spätestens seit dem Bourne Ultimatum (2007) wurde deutlich, dass die auf den Romanen von Robert Ludlum aufsetzenden Polit-Thriller nicht ganz so einfach vom Tisch zu wischen sind. Das liegt vor allem an der politisch-technologischen Affinität, die das Franchise »Bourne« zunehmend charakterisiert. Man denke nur an die fast schon ikonografische für die Überwachungspolitik unserer Tage stehende Szene in Ultimatum, in der Matt Damon alias Jason Bourne sich durch die Londoner Waterloo Station bewegt um einerseits seine eigene Identität wiederzufinden, zum anderen, um Überwachungskameras und Hacks der eigenen Handy-Kommunikation zu entgehen und dann noch einen Journalisten zu beschützen, der bereit ist, Informationen zu leaken.
Obwohl es einen vierten Bourne-Film gibt – das weder von Paul Greengrass inszenierte noch mit Matt Damon besetzte Bourne Vermächtnis – ist Jason Bourne die direkte Fortsetzung von Ultimatum. Kurz und knapp werden die verlorenen Jahre im Untergrund erklärt, bevor der direkte Anschluss an Bournes bislang nur partiell erfolgreiche Suche nach seiner in der Operation »Treadstone« eliminierten alten Persönlichkeit wieder aufgenommen wird. Und was bereits in Ultimatum angedeutet wurde, wird in Bourne zeitgemäß verstärkt – die Überwachung des Individuums über das Internet, in öffentlichen Räumen installierte Kameras (CCTV) und die schon bekannten Hacks von Smartphones ist noch lückenloser, eleganter – und für das Individuum undurchsichtiger geworden. »Freiheit«, sagt Bourne in einer seiner raren Sprechpassagen, »gibt es nur noch im Untergrund.« Doch Greengrass belässt es nicht nur bei dieser an sich nicht sonderlich überraschenden Bestandsaufnahme. In einer überragenden ersten Run-Stop-Hit-Sequenz, in der Jason durch ein von Demonstrationen erschüttertes Athen fährt, rennt, keucht, springt und blutet, wird nicht nur die Verzweiflung des gemeinen Bürgers spürbar, sondern auch die schiere Vergeblichkeit jeden legalen Widerstands. Denn wenn Überwachung derart »smart« funktioniert, bleibt nur das alte biblische Eingeständnis, das was immer der Mensch auch denkt – dann doch Gott lenkt.
Tatsächlicher Widerstand ist dann nur noch möglich durch Menschen wie Jason Bourne, der statt zu reden nur mehr handelt. Dies führt zwar zu einem simplen dialogarmen Plot, der vor allem von den ständigen Hin- und Zurück-Transformationen des Jägers zum Gejagten lebt. Doch wie Greengrass Matt Damon dabei immer mehr in einen schwarzeneggerschen »Terminator« überführt und eine Action-Sequenz auf die nächste folgen lässt, erinnert in seiner explosiven, sich steigernden und befreienden Kraft an den Segen multipler Orgasmen.
Was am Ende übrig bleibt, ist dann allerdings doch mehr als die pure, körperliche Freiheit, ist wie so oft auch ein kaum zu lösender Vater-Sohn Konflikt mit antiken Bezügen. Und es ist auch die von Greengrass wuchtig zementierte Erkenntnis, dass inzwischen nicht nur mehr CIA-Verantwortliche korrumpierbar sind – Tommy Lee Jones und Alicia Vikander verkörpern dies gleich generationsübergreifend – sondern auch die scheinbar freiheitlichen, bildungsbürgerlich sozialisierten IT-Idealisten, die mehr und mehr unseren Alltag prägen und gestalten und von einem Internet-Kritiker Evgeny Morozov wohl nicht zu Unrecht als funktionale Idioten geoutet werden.
Auch wenn die Hoffnung und damit Jason Bourne zuletzt stirbt – düsterer kann man den Verlust unserer Freiheit kaum skizzieren.