Deutschland 2020 · 92 min. · FSK: ab 0 Regie: Dani Levy Drehbuch: Marc-Uwe Kling, Dani Levy Kamera: Filip Zumbrunn, Kalle Klein Darsteller: Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Adnan Maral, Carmen-Maja Antoni, Henry Hübchen u.a. |
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Unfaszinierend lebendig und im Kern leblos | ||
(Foto: X Verleih/Warner Bros.) |
Und wir schreien’s laut
Ihr kriegt uns hier nicht raus!
Das ist unser Haus, schmeißt doch endlich
Schmidt und Press und Mosch aus Kreuzberg raus. – Ton, Steine, Scherben, Rauch-Haus-Song
Über Humor lässt sich nicht streiten, er ist so individuell wie unsere Sozialisierung. Es gibt allerdings immer ein paar Erfahrungswerte, die auf eine gewisse »Komödienschublade« hindeuten. Ich z.B. lache gerne über Slapstick (mit gutem Timing) mit sexuellen, religiösen und politischen Anspielungen und Inhalten. Ich mag deshalb Blake Edwards (Skin Deep), Adam Sandler-Filme wie Leg dich nicht mit Zohan an oder Judd Apatows Jungfrau (40), männlich, sucht..., ja eigentlich eine ganze Menge aus dem Apatow-Umfeld und dann auch dem Frat Pack. Deshalb hätte ich auch fast Fikkefuchs in meine 21 Lieblingsfilme des letzten Jahrzehnts aufgenommen und war mir eigentlich sicher, dass ich Dani Levys filmische Adaption von Marc-Uwe Klings Stand-Up-Comedy-Textsammlungen »Die Känguru-Chroniken« mögen würde.
Nicht nur, weil ich Dani Levys Alles auf Zucker! und auch seinen letzten Film Die Welt der Wunderlichs, einen echten »Double Dysfunctional Family Burger«, gemocht habe, sondern auch, weil mir Klings politischer Ansatz im Kern sympathisch ist. Einen echten Brechtschen Verfremdungseffekt wie ein kommunistisches Känguru nach Kreuzberg zu beamen und mit einem Sponti, Kleinkünstler und Schluffi zusammenzubringen und damit ein asoziales Netzwerk deftiger Satire und pointierter wie witziger Gesellschaftskritik zu schmieden, ist vielleicht selten wirklich originell, macht aber Spaß. Sowohl die anfangs wöchentlich veröffentlichten Podcasts beim Berliner Radio Fritz, wie dann auch die schriftlichen Auskoppelungen als »Die Känguru-Chroniken – Ansichten eines vorlauten Beuteltiers« und dann natürlich in der Hörbuchversion als CD, die auf zahlreichen Familienreisen von Freunden, während der langen Autofahrten nach Italien, nie fehlen durfte, zeigten außerdem, dass Kling nicht nur gesellschaftsübergreifend, sondern auch generationsübergreifend funktioniert.
Beim Film ist davon nichts mehr zu spüren. Zwar erzählt Levy filmisch von dem, was wir schon gehört und gelesen haben, doch fügen sich die sketch-artigen Szenen nie zu einem Ganzen. Als erzählerischen Überbau lässt er zwar einen bösen Immobilien-Mogul (Henry Hübchen) – eine Art Jörg und Jörn Dwigs-Trump-Symbiot – das Anti-Fa-und Anti-Ka-Rudel aus Klings Universum heißlaufen, aber was bei Kling immer wieder auch überraschend, subversiv und witzig ist, exlodiert im Film nur wie ein Rohrkrepierer.
Klings Figuren wirken in Levys Umsetzung wie Figuren aus einem Wachsfigurenkabinett. Unfaszinierend lebendig und im Kern leblos. Und wie sich die Personen aus diesem Universum, Marc-Uwe Kling (Dimitrij Schaad), Maria (Rosalie Thomass), Hertha (Carmen-Maja Antoni) und der tolle Stuntman Volker Zack in seinem Känguru-Kostüm, in unserem maroden mit Nazis und Kapitalismusarschlöchern verseuchten Gegenwarts-Berlin auch abstrampeln, es wird nicht besser, so böse die Kritik auch ist.
Das mag vielleicht auch daran liegen, dass Klings Chroniken schon über zehn Jahre alt sind, dass diese Art von Kritik mit ihren stereotypen Charakteren als Waffe schon sehr lange so formuliert wird, und sowohl Überraschung als auch Bissigkeit und erst recht der Witz nur noch ein laues, banales Echo einer längst vergangenen, »glorreichen« Epoche ist, die ihre Anfänge in der Zeit genommen hat, als Berlin Kreuzberg tatsächlich noch Melting-Pot für Widerstand war und kein Spielbecken für blöde Hipster. Dass diese Form der Kritik also im Grunde nur noch ein zeitgeistgemäßes Sedativ gegen die Beschissenheit der Welt ist, um wirklichem Widerstand nur nicht in die Quere zu kommen.
Damit dürfte Levys Film zumindest bei eingefleischten Fans gut funktionieren, denn sie kriegen ja das, was sie erwarten, weil sie, frei nach Silvio Berlusconi, »stets nur nach derjenigen Maxime handeln, durch die sie zugleich wollen können, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.«
Eines Abends klingelt es an der Wohnungstür von Marc-Uwe einem sehr gebildeten, mäßig verdienenden schwäbischen Liedermacher in Berlin. Es folgt eine der bekanntesten Szenen nicht gerade der Weltliteratur, aber jenes Schlages Bücher der sich im Deutschland von heute gut verkauft – nicht in Stapeln, sondern in Paletten.
Trotzdem soll es ja Leute geben, die noch nicht wissen, was nun folgt. Also »Die Känguru-Chroniken« sind ein Buchbestseller aus dem Jahr 2009. Keine
Literatur, eher gehobene Glosse, die eigentlich in ein anderes Medium gehört: Denn alles begann einmal in den Nuller-Jahren als Radioglosse mit dem Titel »Neues vom Känguru«. Sie stammt vom Kabarettisten Marc-Uwe Kling. In kurzen 5-Minuten-Häppchen kann man da gut hören, beim Bügeln, wenn gerade nichts im Fernsehen läuft.
Es folgten aber vier viel verkaufte Bücher, vier Hörbücher und jetzt sind sie auch noch von Dani Levy verfilmt worden – alles recht kapitalistisch für eine
kommunistische Hauptfigur und einen Autor, der es als Kompliment sieht, wenn ihn die Springerpresse nicht leiden kann. Denn Die Känguru-Chroniken handeln von, nun ja: einem sprechenden Känguru. Das auch nicht denkt, wie ein Känguru, sondern wie ein Mensch, und zwar wie ein marxistisch geschulter.
Wir haben es – dies zur Erinnerung – mit keinem Kinderfilm zu tun, keiner Variante von der »Sendung mit der Maus«, Donald Duck oder auch nur »Skippy, das Känguru«, sondern mit einem Film für Erwachsene. Einer Komödie, Äonen entfernt von Ernst Lubitsch, Billy Wilder oder auch nur Loriot. Humor in einfacher Sprache.
Man darf dies wohl als Fantasy bezeichnen; noch zu klären wäre nur die Frage, ob dies eigentlich eine Beleidigung oder eher ein Kompliment für alle Marx-Anhänger ist. Allemal werden hier zwar die Witze nicht immer auf ihre Kosten gemacht, aber sie werden zur Lachnummer und als arbeitsscheue Schnorrer charakterisiert, und auch, wenn das alles witzig und »nur Unterhaltung« ist, heißt es noch nicht, dass hier nicht trotzdem bestimmte Haltungen vermittelt werden.
Immerhin geht es auch in der Verfilmung von Dani Levy, der sich redlich bemüht, dem Quatsch ein bisschen Leben einzuhauchen, um den Kampf gegen Konsumterror und Leistungsdruck. Verkörpert wird der böse reaktionäre Kapitalismus hier – und das ist tatsächlich witzig – durch Henry Hübchen als Großspekulant. Seine besten Momente erinnern in ihre Cheesyness an große Volksbühnen-Momente Hübchens.
Ansonsten aber schleppt sich der Film eher mit halbhumorigen Schmunzelscherzen dahin. Der wahre Anarchist, schon klar, ist das Känguru, das hier, wie in einem Märchen, das Leben der Erwachsenen durcheinanderwirbelt. Fürs Kino ist das alles viel gradliniger und dichter erzählt, als in der Vorlage und das charmant Verspielte ist dabei oft verloren gegangen.
Was allein bleibt, schon Minuten nach dem Abspann, ist der – ich weiß: durch und durch humorlose – Gedanke, was der Erfolg solcher Stoffe über unsere Kultur verrät. Und die Frage, wieviel der hier gewohnt auf billigem Niveau, also lustig, aber folgenlos kritisierte Donald Trump mit dem Känguru-Stoff zu tun hat. Der gemeinsame Nenner heißt Infantilismus. Und nur eine Gesellschaft, die über marxistische Kängurus lacht, anstatt über ihre Verhältnisse, macht einen Trump möglich.
Weiß schon: Dieser Film ist doch Unterhaltung. Eben!