USA 2006 · 132 min. · FSK: ab 16 Regie: Michael Mann Drehbuch: Michael Mann Kamera: Dion Beebe Darsteller: Colin Farrell, Jamie Foxx, Gong Li, Naomie Harris, Luis Tosar u.a. |
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Cool bis zum Abwinken: Colin Farell & Jamie Fox |
Bootsfahren, Frauen vernaschen, Mojito trinken, und Armani-Anzüge tragen – Crockett und Tubbs waren, als sie irgendwann Mitte der 80er auch bei uns das schöne Leben als Undercover Agents genossen – war es nicht Dienstags im Ersten, auf dem »Dallas«-Platz? – gleich Kult. Wirklich ernst nehmen konnte man sie nicht; Don Johnson kannte man schon, weil »Cinema« damals verwaschene Fotos seiner Softporno-Auftritte abgedruckt hatte – waren das nicht seine einzigen Kinorollen? –, und Philip Michael Thomas sah immer so aus, als hätte er genau diese Karriere noch vor sich. Aber wenn im Trailer die Flamingos flatterten, das Wasser vor den Florida-Keys spritzte, Jan Hammers Synthesizer-Musik erklang und beide dann in Leder-Slippern, pastellgrauem Anzug und rosa T-Shirt darunter ins 400-Quadratmeter Wohnzimmer irgendeines exilkubanischen Drogenbosses hüpften und »Meiämi Weiß!!!« brüllten, dann war das – sorry Leute, jeder wird älter – Coolness pur. Florida als geistige Lebensform, die hedonistische Feier eines schönen Lebens, das schon irgendwie MTV-ig hip, aber noch ungestört war durch moderne Kommunikationstechnik, Osteuropäer und New Economy. Es gab keine Handys damals, und Computer hatten nur die Nerds.
Aber dann fiel die Mauer und bald auch die Illusionen der 80er. Und Coolness wurde wieder um- und zurückdefiniert ins Blaugraue, Existentielle, in Neo-Noir, was zugegeben bis heute besser aussieht. Klar, dass da für »Miami Vice« kein Platz mehr war, just 1989 wurde die letzte Staffel produziert, und auch, wenn jetzt Michael Manns Film in die Kinos kommt, ist klar: So retro sind wir noch lange nicht; der Kinofilm wird jedenfalls etwas ganz anderes sein, als die TV-Serie. Aber die Haltung muss stimmen.
So lag es nahe, auch für die Kinoversion mit Michael Mann einen »Kultregisseur« zu verpflichten, einen Meister visueller Eleganz und Coolness, dessen Filme zugleich immerzu aufs Neue männlich geprägte Arbeitswelten – und seien es die von Kriminellen – ausloten, den Machismo ihre Figuren im selben Moment feiern, wie sie ihn dekonstruieren. Ein solcher Ansatz, in Heat, The Insider und Collateral auf die Ebene von Film-Meisterwerken erhoben, ist auch für den Miami Vice-Stoff vielversprechend – zumal Mann in den 80er-Jahren als Executive Producer und kreativer Kopf der Serie seine Kinokarriere erst begründete.
Solche hochgesteckten Erwartungen löst Michael Manns achter Spielfilm nun aber nur begrenzt ein – man muss diesen Film loben, weil er allen durchschnittlichen Polizeifilm-Mainstream weit in den Schatten stellt. Aber man kann ihn nicht wirklich loben, weil man von einem Michael Mann weitaus mehr erwartet, als das. Alles in allem ist Miami Vice visuell und stilistisch deutlich weniger konsequent, als Manns letzte Filme; selten entfaltet er jenen Rhythmus und Drive, jenen Fluss aus Bildern und Musik, der sich zu einer leichten, jazzigen und dennoch jederzeit konzentrierten Atmosphäre verdichtet, den dieser Regisseur so perfekt beherrscht, wie kein anderer, und die ihn zu einem der wenigen echten Autorenfilmer Hollywoods machen. Auch fehlen alle Augenblicke des Innenhaltens, der puren Schönheit, die in Manns Filmen begeistern können – gerade für Fans des Regisseurs ist der Film eine Enttäuschung.
Den Fans der Serie dürfte es nicht viel anders ergehen – was vielleicht weniger schlimm ist. Der Titel ist vor allem ein Label zur Erhöhung der Verkäuflichkeit. Der Dackelblick des überforderten Colin Farrell hat mit Don Johnsons Dreitagebart-Melancholie aber so gar nichts gemein, und Jamie Foxx ist viel zu gut, um den Sidekick zu spielen, zu dem er hier gemacht wird.
Auch versucht Mann erst gar nicht, Stimmung und Welt der 80-er anders als durch einige deutliche Zitate wiederauferstehen zu lassen: Die Pastellfarben sind verschwunden, es dominiert das Schwarz und Blaugrau des Neo-Noir, und wie in Collateral und Heat spielen auch diesmal große Teile bei Nacht. Und wieder geht es um Menschen, bei denen Arbeit und Leben derart miteinander verschmelzen, dass sie beides nicht einmal mehr verwechseln können – Crockett und Tubbs, die beiden undercover-cops und Filmhelden sind, was sie tun. So ist des Regisseurs Handschrift trotz allem deutlich erkennbar, und, wie gesagt, mag dies auch ein schwacher Michael-Mann-Film sein, ist es aber kein schwacher Polizeithriller.
Dringend muss man aber in diesem Fall zum Besuch der US-Originalfassung raten: Mehr als in anderen Fällen wird hier eine erschreckend schwache Synchronisation zum Problem. Im Original stößt Colin Farrell seine Sätze mehr zwischen den Zähnen hervor, als das er sie spricht, ist Jamie Foxx' Sprache deutlich als »Schwarz« erkennbar, Gong Li’s chinesischer Akzent schwer zu verstehen, und auch sonst sind alle Dialoge und Akzente von der ethnischen Herkunft ihrer Sprecher geprägt – und das mit Absicht. Im Deutschen bleibt davon kaum etwas übrig, dafür wirken die Sätze »sauber« und aseptisch, spürbar im Studio gesprochen.
Milieu und Atmosphäre sind aber alles in diesem Film, der seine Story zunehmend aus den Augen verliert, und sich für andere Dinge interessiert, wie Rituale und Umgangsformen von Gangstern, das Leben der kolumbianischen Drogenmafia und die Luxuswohnung eines Dealers in Miami. Die Stadt Miami selbst bleibt übrigens opak, was bei Mann überrascht, gibt es doch nur wenige zeitgenössische Regisseure, in dessen Filmen eine Stadt sonst in ähnlicher Weise selbst zum Hauptdarsteller wird.
Ausgangsplot ist der Auftrag für Crockett und Tubbs, sich als vermeintliche Drogentransporteure bei einem kolumbianischen Kartell einzuschmuggeln. Nachdem ein Polizeieinsatz durch Verrat fehlschlug, möchte das FBI den Maulwurf in den eigenen Reihen finden. Am Ende spielt dies überhaupt keine Rolle mehr, wie auch manche Figuren aus dem Film verschwinden, stattdessen konzentriert sich Miami Vice nach langem Anlauf auf die episch-existentielle Konfrontation zwischen Polizei und Drogengang, die in die Entführung von Tubbs Kollegin/Freundin Trudy, deren opferreiche Befreiung und in einen wilden Showdown mündet. Erschwert wird alles durch eine Liebesaffaire zwischen Crockett und der ebenso hochrangigen wie zwielichtigen Drogenhändlerin Isabella.
Am besten ist Miami Vice wenn er von solchen wechselseitigen Grenzüberschreitungen handelt, wenn er das Dilemma von Undercover-Agenten streift, die für Augenblicke vergessen, wo sie hin gehören, und die Faszination der anderen Seite, die Freiheit des amoralischen Gangsterlebens sehr wohl spüren. Hier, indem sie solche Faszination nachvollziehbar machen, scheinen Film und Regisseur ganz mit sich im Reinen. Zu oft allerdings scheint Michael Mann vergessen zu haben, dass er Gangster schon immer mindestens so interessant fand, wie Good Guys.