Frankreich 2014 · 97 min. · FSK: ab 0 Regie: Philippe de Chauveron Drehbuch: Philippe de Chauveron, Guy Laurent Kamera: Vincent Mathias Darsteller: Christian Clavier, Chantal Lauby, Ary Abittan, Medi Sadoun, Frédéric Chau u.a. |
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Sichtbar kalkulierte Plot-Mechanik |
Erst letzte Woche trug Michael Haberlander auf Artechock seine – durchaus nachvollziehbaren – Vorbehalte gegenüber Culture-Clash-Komödien vor, da steht auch schon der nächste Vertreter dieses quickfidelen Subgenres an. Der französische Millionenhit Monsieur Claude und seine Töchter scheint allerdings einen Schritt weiter zu gehen als viele ähnlich gelagerte Werke, da er vor nichts und niemandem Halt macht. Quasi den ultimativen Zusammenprall der Kulturen feiert und trotz einer zackigen, luftig-leichten Inszenierung den Eindruck erweckt, als handle es sich um einen gewollt bissigen Kommentar auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frankreich.
Dreh- und Angelpunkt des Films sind die katholisch-konservativen Eheleute Claude (Christian Clavier) und Marie Verneuil (Chantal Lauby). Prinzipientreue Vertreter des Großbürgertums, die in einer Landvilla an der Loire residieren und stolz auf ihre vier bildhübschen Töchter sein könnten. Zu ihrem Entsetzen haben drei von ihnen allerdings „kulturübergreifend“ geheiratet. Weshalb Claude und Marie nun gemeinsam mit einem Juden, einem Muslim und einem Chinesen am Familientisch Platz nehmen müssen. Alle Hoffnungen der Eltern ruhen daher auf Laure (Elodie Fontan), der Jüngsten im Bunde, die unbedingt einen waschechten Franzosen ehelichen soll. Als Vater und Mutter erfahren, dass ihr Verlobter Charles (Noom Diawara) katholisch ist, kennt die Freude keine Grenzen mehr. Bis das traditionsbewusste Ehepaar dem zukünftigen Ehemann ihrer Tochter gegenübersteht und erkennen muss, dass er aus Afrika stammt. Da ein schwarzer Schwiegersohn des Guten zu viel ist, setzen die beiden alles daran, die anstehenden Hochzeitsvorbereitungen zu sabotieren. Ähnliches hat auch Charles' eigenwilliger Vater André (Pascal N'Zonzi) im Sinn.
Schon der Handlungsabriss lässt erahnen, dass Regisseur und Drehbuchautor Philippe de Chauveron (am Skript mitgeschrieben hat Guy Laurent) keinerlei Grenzen zieht. Vorurteile und rassistische Klischees werden pausenlos ausgetauscht, sind jedoch nicht einseitig verteilt. Neben den nur bedingt weltoffenen Verneuils tun sich auch die drei Schwiegersöhne besonders hervor, wenn es darum geht, andere Kulturen oder Religionen herabzusetzen. Höhepunkt dieses lustvoll augenzwinkernden Spiels ist der Auftritt des afrikanischen Patriarchen André, der sich ebenso engstirnig und voreingenommen zeigt wie sein Gegenüber Claude. Gerade weil der Film ungehemmt auf allen Ebenen wildert, erscheinen die zahlreichen – nicht immer treffsicheren – Pointen zu keinem Zeitpunkt respektlos oder überzogen. Im Grunde behandeln de Chauveron und Laurent alle Beteiligten gleich und bringen so erst recht den Alltagsrassismus zum Vorschein, der möglicherweise auch in jedem Zuschauer schlummert. Eine beachtenswerte Leistung, die man von einer Komödie nicht unbedingt erwarten darf.
Etwas enttäuschend ist hingegen, dass die Figuren relativ wenig Raum zur Entfaltung bekommen. Auch wenn ein Culture Clash grundsätzlich von Stereotypen lebt, erscheint vor allem der Umgang mit den Töchtern der Verneuils reichlich nachlässig. Ihre Männerwahl dient zwar als Auslöser des turbulenten Treibens. Ansonsten bleiben die jungen Frauen (die im deutschen Verleihtitel immerhin besondere Erwähnung finden) jedoch nur hübsches Beiwerk. Darüber hinaus verfängt sich der Film mit zunehmender Dauer in einer absurden, aber sichtbar kalkulierten Plot-Mechanik, die eine Annäherung – insbesondere zwischen Claude und André – mit dem Holzhammer herbeizimmert, um auf diese Weise den Weg für ein rundum versöhnliches Finale zu ebnen. So löblich der bedingungslose Toleranzaufruf auch sein mag, bleibt doch ein fader Beigeschmack. Zu sehr entschwebt Monsieur Claude und seine Töchter am Ende in utopische Dimensionen, die man sonst nur aus simpel gestrickten Hollywood-Komödien kennt. Die angeprangerten französischen Gegebenheiten bleiben dabei zwangsläufig auf der Strecke. Was umso bedauerlicher ist, wenn man bedenkt, dass sich erst jüngst, bei den Europawahlen, erschreckend viele Bürger für den rechtsextremen Front National und damit gegen eine pluralistische Gesellschaft starkgemacht haben.