My Week with Marilyn

Großbritannien/USA 2011 · 104 min. · FSK: ab 6
Regie: Simon Curtis
Drehbuch:
Kamera: Ben Smithard
Darsteller: Michelle Williams, Eddie Redmayne, Kenneth Branagh, Julia Ormond, Dougray Scott u.a.
Jetzt für alle Paparazzis der Nachwelt: die Monroe nackt im See

Als Marilyn mal nackt war...

Sie war eine Lein­wand­göttin, eine der abso­lu­testen Ikonen des Kinos: Marilyn Monroe (1926-1962), Schau­spie­lerin in knapp 40 Holly­wood­filmen, Geliebte von Intel­lek­tu­ellen und Präsi­denten, ange­schwärmt von Millionen, Diva, Star, Sexbombe und gemäß dem Geschmack ihrer Zeit eine der schönsten Frauen des Planeten. Wie kann man so jemanden, der im kollek­tiven Bilder-Gedächtnis der Lebenden derart fest verankert ist, wie sonst nur Adolf Hitler – wer hat die beiden noch mitein­ander vergli­chen? – überhaupt auf der Leinwand spielen, ohne das dies zur schalen Karikatur gerinnt? Es geht nicht darum, wer die bessere Schau­spie­lerin ist, wobei es eine Frage nicht allein für Film­wis­sen­schaftler ist, ob die Monroe jetzt eigent­lich eine sehr gute Schau­spie­lerin war, oder immer nur sie selbst.
Um die Frage zu beant­worten: Man kann, das beweist jetzt Michelle Williams. Die Schau­spie­lerin die wir zuvor in Haupt­rollen in Blue Valentine, Wendy and Lucy, Meek’s Cutoff, Mammut und Land of Plenty bewundert hatten, und auch in Neben­rollen in Brokeback Mountain und Shutter Island sehr geschätzt, Michelle Williams also, ist geradezu perfekt in diesem Auftritt, und sie ist der Grund, warum man diesen Film keines­falls versäumen sollte.

Der britische Regisseur Simon Curtis erzählt in seinem Film My Week With Marilyn eigent­lich genau das, was der Titel sagt: Von einer Woche mit Marilyn Monroe, aus der bewun­dernden, schwär­me­ri­schen, ranschmeiße­ri­schen Beob­ach­ter­per­spek­tive eines jungen Mannes. Eine Jungens­phan­tasie, ein feuchter Traum, den jeder gern geträumt hätte, ansonsten nichts mehr, als eine klit­ze­kleine Randnotiz der Film­ge­schichte: Im Juli 1956 erlebte der spätere recht unbe­deu­tende Schrift­steller und dritt­klas­sige Doku­men­tar­film­re­gis­seur Colin Clark eine erst­klas­sige Woche in seinem Leben, seine Warhol­schen fünfzehn Minuten Öffent­lich­keit – nämlich einige Tage an der Seite von Marilyn Monroe. Er nutzte diese Episode später weidlich aus und schrieb darüber gleich zwei tage­buch­ar­tige Erin­ne­rungs­bücher, in denen er sich nicht scheut, eine Affaire mit dem Star anzu­deuten. Kann halt später jeder sagen – viel­leicht aber war es ja wirklich so. Clark, ein seiner­zeit gerade 24-jähriger Jüngling aus besseren Kreisen war ursprüng­lich Assistent der Kino- und Thea­ter­le­gende Laurence Olivier. Der drehte als Regisseur und Haupt­dar­steller mit der Monroe, die soeben ihren Durch­bruch zum Weltstar erlebt hatte, in London einen gemein­samen Film: The Prince and the Showgirl (auf Deutsch Der Prinz und die Tänzerin, hätte natürlich auch »Der Fürst und das Mädchen« heißen können.). Monroe war frisch, aber bereits unglück­lich mit dem Schrift­steller Arthur Miller verhei­ratet, und schon damals ein Nerven­bündel: Unsicher, medi­ka­men­ten­ab­hängig, und am Dreh voller Text­fehler. Für den Perfek­tio­nisten Olivier war ihre Arbeits­weise eine Zumutung. An einem traum­haften Tag darf sie sich mit ihrem jungen Bewun­derer erholen – eine Tour nach Windsor-Castle inklusive Nackt­baden in der Themse. Vor 55 Jahren ging so etwas noch ohne Paparazzi.

Dies alles zeigt der Film, und auf der Ebene der Darstel­lung der Film­ge­schichte ist das so inter­es­sant wie amüsant, infor­mativ, denn man möchte gern mal bei einem Drehtag der Monroe dabei­ge­wesen sein. Ansonsten ist es Klatsch und Tratsch erster Güte, eine Mischung aus bewun­dernd-naiv-koketter Poesie­al­bums­hal­tung und Schlüs­sel­loch- und Bade­zim­mer­per­spek­tive. Und eben nach­ge­holtes Papa­raz­zitum; Reenact­ment fürs Kino.
In alldem bestätigt My Week With Marilyn ansonsten alles, aber auch wirklich alles, was wir uns schon immer unter der Monroe an Klischees vorge­stellt haben. So beweist der Film wider Willen, dass man der Monroe und anderen charis­ma­ti­schen Figuren einfach nicht zuleibe rücken kann, man kann allen­falls nur die Ober­fläche abbilden. Curtis weiß eigent­lich nie wirklich, was ihm überhaupt zu Marilyn einfallen soll. Er mag sie nicht mal besonders. Er glaubt einfach, er macht jetzt Kino, wo er eigent­lich doch nur »History Channel« macht, wenn auch mit A-Klasse-Filmstars.

Man kann diesen Film nicht ernst nehmen, aber er ist trotzdem super. Denn jenseits aller Ober­flächen­spie­ge­lungen wird schau­spie­le­risch perfekte Arbeit abge­lie­fert. So ist Kenneth Branagh hier als Olivier hervor­ra­gend – aber ehrlich gesagt, denkt man da auch, dass sich Branagh doch eigent­lich klamm­heim­lich zuhause vor dem Bade­zim­mer­spiegel schon immer als die Reinkar­na­tion Oliviers gefühlt hat. Julia Ormond spielt Oliviers Frau, Schau­spie­lerin, Psychowrack und in fort­ge­schrit­tenem Alter auch einfach Zimtzicke Vivien Leigh, Dougray Scott spielt den Star-Intel­lek­tu­ellen Arthur Miller wobei er nicht viel falsch machen kann, und Zoë Wanamaker (was für ein Name!) mimt Marilyns legen­dären Schau­spiel­coach Paula Strasberg als die weibliche Version von Rasputin.

Das Zentrum des Films ist aber wie gesagt Williams: Sie spielt Marilyn ungemein natürlich, als eine verspielte Katze, leicht zu verun­si­chern, aber auch leicht zu verführen. Ihr Auftritt über­schreitet weit die reine Mimikry perfekten Make-ups: Verwundbar und strahlend, tapfer und furchtsam – Williams kann das alles. Williams ist Marilyn. Und Williams ist wahr­schein­lich eine bessere Schau­spie­lerin als die Monroe. Weil hier also eine sehr sehr gute Schau­spie­lerin eine gute spielt, weil eine, die weiß, wer sie ist, hier all das eher vergessen (und doch bewahren) muss, um eine zu spielen, deren Problem es genau war, nie zu wissen, wer sie ist, darum funk­tio­niert der Film trotz allem. Zu Recht wurde sie für diesen Auftritt für einen Oscar nominiert, und wegen ihr muss man sich diese Klamotte angucken, was man aber auch alles in allem wirklich gut tun kann.