Nicht von dieser Welt

Fuori dal mondo

Italien 1998 · 100 min. · FSK: ab 6
Regie: Giuseppe Picconi
Drehbuch: , ,
Kamera: Luca Bigazzi
Darsteller: Margherita Buy, Silvio Orlando, Carolina Freschi, Maria Christina Minerva, Sonia Gessner u.a.
Filmszene »Nicht von dieser Welt«
Silvio Orlando und Margherita Buy

»Außerhalb der Welt« lautet die wörtliche Über­set­zung des italie­ni­schen Origi­nal­ti­tels. Außerhalb der Welt von Familie, Kindern und persön­li­chen Gefühlen glauben auch die beiden Haupt­fi­guren des Films ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Caterina hat sich gezielt für dieses Leben entschieden. Sie ist Nonne geworden. Am Anfang des Films sehen wir, wie sie mit hunderten von Pendlern aus einem Vorortzug quillt. Ein Mensch in der Masse. Aber ihr grauer Habit unter­scheidet sie, sorgt für Distanz zwischen ihr und den anderen. Sie fiebert ihrem ewigen Gelübde entgegen. In elf Monaten ist es soweit. Danach will sie nach Kolumbien in ein Missons­kloster gehen. Sie lernt schon eifrig Spanisch. Zweifel an ihrem Weg hat sie nicht. Bedenken ihrer Abtissin wischt sie bei Seite.

Ernesto hat sich eher unfrei­willig von der Welt abge­kap­selt. Er mußte die Textil­rei­ni­gung seines Vaters über­nehmen. Gries­grämig und lustlos führt er das Geschäft. Ständig jammert er über die mangelnde Zahlungs­moral seiner Kunden. »Nein, es ist niemandes Berufung, ein Leben lang zu Waschen und zu Bügeln« sagt er einmal. Ande­rer­seits nimmt er seinen Beruf ernst, »jeder sollte saubere Kleidung haben.« Die eigenen Ange­stellten behandelt er korrekt aber sehr distan­ziert. Nicht einmal ihre Namen merkt er sich. Ein Privat­leben hat er kaum. Nach Feier­abend zieht er sich in seine viel zu große Wohnung zurück. Wenn ein Freund ihn übers Woche­n­ende in sein Feri­en­haus einlädt, sagt er ab, denn die Reinigung hat auch Samstags geöffnet. Die Unzu­frie­den­heit mit seinem Leben beein­träch­tigt auch schon seinen Schlaf und seine Gesund­heit.

Dynamik in diese statische Situation bringt ein Baby. Ein Jogger drückt es Caterina im Stadtpark von Mailand in die Hand. Sie gibt es gleich im nächsten Kran­ken­haus ab, doch die Gedanken an das Neuge­bo­rene lassen sie nicht los. Zu ihrer eigenen Über­ra­schung entwi­ckelt sie Mutter­ge­fühle. Sie will die leibliche Mutter ausfindig machen. Einzige Spur ist ein Reini­gungs­zettel am Pullover, in den der Säugling gewickelt war. Er führt Caterina in Ernestos Geschäft und schließ­lich zu Ernesto. Es ist sein Pullover. Er hatte ihn Teresa geliehen, einer Ange­stellten, mit der er eine Regen­nacht verbracht hat. Seitdem hat er sie nicht mehr gesehen. War das nicht 9 Monate her? Zaghaft fängt auch Ernesto an, sich für das Baby verant­wort­lich zu fühlen. Gemeinsam setzen Caterina und Ernesto die Suche nach der jungen Mutter fort. Aber bevor sie Teresa finden, müssen sie sich erst einmal mit sich selbst ausein­an­der­setzen, über den eigenen Lebensweg, ihre Ziele und Werte klar werden. Sie durch­laufen einen Reifungs­prozeß, für den sie im tagtäg­li­chen Trott keine Zeit übrig hatten.

Gewöhn­lich konzen­trieren sich Spiel­filme entweder auf das Privat- oder das Berufs­leben ihrer Prot­ago­nisten. Die jeweils andere Seite wird auf ein paar Attribute reduziert, damit die Erzählung sich nicht verzet­telt. Einen anderen Weg wählen einige Auto­ren­filme, die statt dessen auf eine Art Hyper­rea­lismus setzen. In diesem Fall sind eine andere Spiel­weise der Schau­spieler, Hand­ka­mera oder extrem statische Bilder, einfa­chere Beleuch­tung oder der Verzicht auf Musik Stil­mittel der Wahl. Guiseppe Piccioni wählt einen neuen Weg. Spiel­weise und Photo­gra­phie – und damit Look & Feel des Films – entspre­chen ganz den üblichen Spiel­filmen. Die Musik von Ludovico Einaudi ist sogar einen Tick gefühls­be­tonter als sonst. Die Handlung kreist um das Private, die Lebens­ein­stel­lung und Lebens­ziele der Figuren. Aber dazwi­schen sind immer wieder traum­ar­tige Sequenzen geschnitten mit Grup­pen­bil­dern, wo die Menschen im Kreise ihrer Kollegen in die Kamera lächeln. So werden die Prot­ago­nisten fest in ihrem beruf­li­chen Umfeld und der Welt verankert.

Marg­he­rita Buy in der Rolle der Caterina ist hier­zu­lande bislang noch weit­ge­hend unbekannt. Dies wird sich mit diesem Film und ihrer Haupt­rolle in Le Fate ignoranti (Die Ahnungs­losen), der ebenfalls gerade ange­laufen ist, hoffent­lich ändern. Silvio Orlando spielt den Ernesto in gewohnter Manier. Er war schon öfter auf deutschen Kino­lein­wänden zu sehen und ist die Ideal­be­set­zung für den Klein­un­ter­nehmer um die 40 in der privaten Krise. In Prefe­risco il rumore del mareIch ziehe das Meeres­rau­schen vor«) und La stanza del figlio (Das Zimmer meines Sohnes) verkör­pert er ähnlich angelegte Charak­tere.