Deutschland/BG 2019 · 127 min. · FSK: ab 16 Regie: Katrin Gebbe Drehbuch: Katrin Gebbe Kamera: Moritz Schultheiß Darsteller: Nina Hoss, Katerina Lipovska, Adelia-Constance Ocleppo, Murathan Muslu, Sophie Pfenningstorf u.a. |
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Merkwürdiger Mix aus verschiedenen Genres und ästhetischen Zuständen | ||
(Foto: DCM Film) |
Zunehmend ist Wiebkes Verhalten ebenfalls immer schwerer zu verstehen: Sie zieht sich auch beruflich zurück, vernachlässigt den Reiterhof. Für Raya lehnt sie jede auch wohlgemeinte Hilfe ab und hält sich nicht an die Ratschläge der Ärzte und Wissenschaftler. Fast möchte man einen Hinweis sehen: Nicht nachmachen! Aber der Film, so scheint es, möchte ihr in ihrem Verhalten recht geben.
Wiebke will perfekt sein. Darin ähnelt sie den klassischen deutschen Leinwandmüttern. Manchmal
hat man den Eindruck, es gehe hier mehr darum, dass eine Frau, die gewohnt ist, alles erfolgreich zu schaffen, sich ihr Scheitern in diesem Fall nicht eingestehen will. Ihr Verhalten wirkt wie überprotektiver Eigensinn. Alles eskaliert. Und dann, als schon alles verloren scheint, ruft Wiebke eine Schamanin zu Hilfe und an Raya wird ein Zauber betrieben, eine Art Exorzismus – am Ende steckt ein blutiger Pferdekopf auf eine Lanze gespießt, aber Raya scheint kuriert. Und dafür ist
dem Film jedes Mittel recht, selbst das Verbrennen der Vernunft im Hexensabbat.
So ist Pelikanblut ein merkwürdiger Mix aus verschiedenen Genres und ästhetischen Zuständen, aber in jedem Fall faszinierendes Kino von hoher inszenatorischer Qualität und eine Achterbahnfahrt auf den Nerven der Zuschauer. Dies ist auch unbedingt die Art Kino, die man im Ausland aus Deutschland liebt: Voller düsterer Romantik, Phantastik, Fantasie und Extremismus – deutsche Mutter im deutschen Wald. Und wenn diese Mutter dann noch zu Raya pathetisch sagt: »Wir kriegen das hin«, dann muss man nach gerührtem Innehalten sogar an Mutti Merkel denken: »Wir schaffen das!«
Natürlich fragt man sich da, was für ein Deutschlandbild hier getriggert wird: Eine moderne Welt, in der das Böse existiert und man an Hexen glauben darf. Ein Deutschland, das einen gewissen Fanatismus der Fehlerlosigkeit zeigt, des Rechthabens, der Moral.
Vollkommen fremd erscheint auch, dass die Regisseurin offenbar an Wunder glauben will, und dass ihr Film die Esoterik und das Irrationale auf Kosten der Vernunft feiert – darin ist Pelikanblut ein nicht mal entfernter Verwandter von William Friedkins Exorcist. Um so bemerkenswerter, dass das alles wie bei Friedkin dem Film nicht schadet. Und Katrin Gebbes implizite Frage, ob es das Böse gibt? Und was das Böse ist? Hat natürlich jede Berechtigung.
So ist dies ein sehr guter, spannender Film: Formal herausragendes Filmemachen von einer hochinteressanten Regisseurin. Über die Story und ihre Konsequenzen kann man – auch mit Katrin Gebbe – lange streiten und muss das auch – gibt es ein größeres Kompliment?