Deutschland/Griechenland 2019 · 91 min. · FSK: ab 12 Regie: Nikias Chryssos Drehbuch: Nikias Chryssos, Lars Henning Jung Kamera: Yoshi Heimrath Darsteller: Sam Louwyck, Claude Heinrich, Greta Bohacek, Daniel Sträßer, Daniel Fripan u.a. |
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Schweinchen im Lockdown | ||
(Foto: Koch Films) |
2015 hatte der Deutsch-Grieche Nikias Chryssos mit seinem Langfilmdebüt Der Bunker internationales Aufsehen erregt. Diese Groteske um einen Studenten, der zum ungestörten Forschen zu einer in einem Bunker lebenden Familie zieht und dort dem Sohn Nachhilfeunterricht gibt, entzog sich gängigen Genrekonventionen und war von einer Originalität, wie man sie bei deutschen Filmen nur selten sieht. Nun legt Chryssos sechs Jahre später mit A Pure Place endlich einen Nachfolger vor. Auch dieser Film zeichnet sich durch seine Skurrilität aus. Im Vergleich zu Der Bunker schlägt Chryssos diesmal jedoch deutlich ernstere Töne an. Somit ist A Pure Place deutlich düsterer als sein Debüt und dies paradoxerweise gerade auch, weil diesmal einer bedrückenden dunklen Unterwelt eine hell strahlende Oberwelt gegenübergestellt wird.
Der Film zeigt das Schicksal der 14-jährigen Irina (Greta Bohacek) und ihres kleinen Bruders Paul (Claude Heinrich). Diese wurden als kleine Kinder von dem Sektenführer Fust (Sam Louwyck) von der Straße geholt und zu dessen Anwesen auf einer abgelegenen Insel in der Ägäis gebracht. Dort müssen sie jedoch weiterhin schmutzig im Keller zusammen mit anderen Kindern schuften, um eine besondere Seife herzustellen. Diese Seife wird regelmäßig auf dem Festland verkauft und dient dem Kult für seine besonderen Reinlichkeitsrituale. Eines Tages wird Irina von Fust ausgewählt, ihn in die strahlend weiße Oberwelt der im Hause lebenden Erwachsenen zu begleiten, um dort an den Sektenführer verherrlichenden, Mysterienspiele genannten Theaterinszenierungen mitzuwirken. Der kleine Paul bleibt hingegen im schmutzigen Keller zurück. Doch er will die Trennung von seiner Schwester nicht akzeptieren.
Die Darstellung einer Gesellschaft, die in eine in einer düsteren Unterwelt hausenden Arbeiterschicht und eine in einer Oberwelt lebenden privilegierten Klasse gespalten ist, kennt man im (deutschen) Kino seit Fritz Langs Sci-Fi-Dystopie Metropolis (1927). Rund einhundert Jahre später verdichten Nikias Chryssos und sein Co-Autor Lars Henning Jung ein von der Grundidee sehr ähnliches Setting zu der Darstellung einer erweiterten Familie – der Sektengemeinschaft um den charismatischen Guru Fust. Dieser Sektenführer strebt die absolute Reinheit der Mitglieder seiner Gemeinschaft an. Dies zeigt sich bereits rein äußerlich daran, dass die in der Oberwelt lebenden Erwachsenen alle in ganz weiße Kleidung gehüllt sind. Hinzu kommen spezielle Reinlichkeitsrituale. Die Krönung des Ganzen stellen die Mysterienspiele dar, in denen sich die deutsche Sagenwelt und die griechische Mythologie vermischen, um Fust zu zelebrieren.
Die Darstellung des eklatanten Gegensatzes zwischen diesen beiden Welten und der seltsamen Riten des Kultes machen einen Großteil des anfänglichen Reizes von A Pure Place aus. Hierbei brilliert der Belgier Sam Louwyck als der mit einem leichten Akzent und stets recht gestelzt sprechende Fust. In der ersten Szene, in der der Sektenführer in Erscheinung tritt, um eine Rede zu halten, räuspert er sich zunächst einmal laut, um anschließend zu verkünden, er habe offensichtlich einen Frosch im Hals und solle deshalb vielleicht besser die Klappe halten. Somit wirkt dieser religiöse Führer auf den ersten Blick zwar bereits leicht schräg, aber nicht unbedingt unsympathisch. Doch wie zu erwarten ist, tun sich hinter Fusts freundlicher Fassade mit der Zeit immer gähnendere Abgründe auf.
Und genau an dieser Stelle beginnt A Pure Place leider etwas abzubauen. Denn je mehr die Handlung in die Gänge kommt und je spannender der Film im Prinzip wird, desto vorhersehbarer wird er auch. Das bedeutet nicht, dass jede Wendung vom Zuschauer bereits vorhergesehen werden kann. Aber die grobe Richtung, in die das Ganze gehen wird, ist ab einem bestimmten Zeitpunkt relativ klar. Was so interessant mit Bildern wie einem festlichen Bankett ganz in Weiß unter einem leuchtend blauen Himmel und einem dazu stoßenden schmutzigen Jungen, der ein kleines Ferkel an einer Leine führt, begonnen hat, mündet irgendwann leider in bereits recht ausgetretene Genrepfade.