USA 2019 · 128 min. · FSK: ab 6 Regie: Todd Haynes Drehbuch: Mario Correa, Matthew Michael Carnahan Kamera: Edward Lachman Darsteller: Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins, Bill Camp, Bill Pullman u.a. |
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Der Wahrheit auf der Spur | ||
(Foto: Tobis) |
Todd Haynes’ (Dem Himmel so fern, Carol) neues Werk Vergiftete Wahrheit steht in der Tradition von Filmen wie The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (1982) und The Insider (1999). In dem Film spielt Mark Ruffalo den jungen Wirtschaftsanwalt Robert Bilott. Dieser ist Partner in einer renommierten Kanzlei in Cincinnati, die hauptsächlich große Chemiekonzerne vertritt. Eines Tages bekommt Bilott Besuch von dem Rinderzüchter Wilbur Tennant (Bill Camp). Dieser klagt, dass seine Tiere reihenweise sterben, weil der Chemiekonzern DuPont auf dem Nachbargrundstück toxische Abfälle entsorgt. Obwohl Bilott normalerweise auf der anderen Seite steht, will er sich aufgrund persönlicher Beziehungen des Falls annehmen. Sein Chef Tom Terp (Tim Robbins) gibt ihm dazu grünes Licht. Im Folgenden recherchiert Bilott über anderthalb Jahrzehnte zu dem Fall. Dabei bringt er einen handfesten Skandal an den Tag.
Robert Bilott findet heraus, dass DuPont auf dem Nachbargrundstück des Rinderzüchters Perfluoroctansäure (PFOA) entsorgt. Der zur Herstellung von Teflon verwendete synthetische Stoff ist extrem widerstandsfähig und praktisch unzerstörbar. Das wird zum Problem, wenn Tiere oder Menschen PFOA mit der Nahrung oder mit dem Trinkwasser aufnehmen. Denn die krebserregende Substanz kann vom Körper nicht abgebaut werden.
Vergiftete Wahrheit wandelt auf den Spuren von 1970er-Jahren-Paranoia-Thrillern wie Zeuge einer Verschwörung und Chinatown (beide 1974). Robert Bilott deckt unangenehme Tatsachen auf, deren gravierende Ausmaße selbst bei einem so großen Konzern wie DuPont erschrecken. Dabei geht Todd Haynes inszenatorisch jedoch auf recht unaufgeregte Weise vor. Die meisten Bilder sind von warmen Grün- und Orangetönen bestimmt. Lediglich im Zusammenhang mit der Firma DuPont wechselt das Farbschema teilweise zu einem kalten Blau. Ansonsten verkneift sich Todd Haynes jedoch größere inszenatorische Mätzchen. Ein um 90 Grad nach rechts gekippter Gang gehört zu den seltenen Ausreißern. Somit wirkt der Film ebenso bodenständig wie sein Protagonist.
Der nicht sehr große und etwas füllige Robert Bilott ist ein eher unscheinbarer Zeitgenosse, der nicht von Natur aus zum Helden bestimmt erscheint. Deshalb nimmt ihn die Entwicklung der Ereignisse auch so sehr mit, dass er irgendwann im Büro seines Chefs zuckend auf dem Boden landet. Seine Ehefrau (Anne Hathaway) ist eine gewöhnliche Hausfrau, die im Verlauf der Untersuchungen zwei Söhne zur Welt bringt.
Doch der unscheinbare Mann von nebenan bringt im Verlauf seiner Untersuchungen verstörende Zusammenhänge ans Licht. Dabei betont das auf einem »New York Times«-Artikel von Nathaniel Rich von 2016 basierende Skript von Matthew Carnahan und Mario Correa stets die Bodenständigkeit des Protagonisten. So beginnt Bilott seine Untersuchungen, während sich im Garten seines Hauses die Familie vergnügt. Chemische Zusammenhänge lässt er sich in einem Diner erklären. Und während des Prozesses gegen DuPont trifft sich Bilott in einer Bar mit seinen Mitstreitern zur Lagebesprechung.
Auf der anderen Seite bauen die beiden Drehbuchautoren jedoch immer wieder Spannungssequenzen ein, die die Bedrohung durch die doch eher trockenen Zusammenhänge greifbar machen. Da geht eine verrückt gewordene Kuh auf den Rinderzüchter los. Dann kreist ein Hubschrauber über dessen Haus. Nach einer Sitzung zeigt ein Handy die Botschaft an, dass Dokumente durchgesickert seien.
So gelingt Vergiftete Wahrheit das Kunststück, bei aller Unaufgeregtheit zugleich immer mehr die Spannungsschrauben anzuziehen. Je tiefer Robert Bilott in die finsteren Machenschaften des DuPont-Konzerns eintaucht, desto stärker fiebert der Zuschauer mit ihm mit. Dass dies so gut gelingt, liegt auch an Mark Ruffalo (Zodiac – Die Spur des Killers, Shutter Island), der Robert Bilott auf überzeugende Weise verkörpert. Seine Darstellung dieses ungewöhnlichen Helden zählt zu den besten Performances des US-Mimen. Man sieht Bilott stets an, wie sehr ihn die Ereignisse mitnehmen. Trotzdem bleibt der Anwalt stets hart am Ball und kämpft sich unaufhörlich voran. Er ist ein Held, mit dem sich der gewöhnliche Zuschauer sehr gut identifizieren kann.
Vergiftete Wahrheit ist ein Justiz-Drama, das gerade aufgrund seiner Unaufgeregtheit überzeugt.