USA 2022 · 135 min. · FSK: ab 16 Regie: Gina Prince-Bythewood Drehbuch: Dana Stevens Kamera: Polly Morgan Darsteller: Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch, Sheila Atim, Hero Fiennes Tiffin u.a. |
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Frau sein, um zu kämpfen... | ||
(Foto: Sony) |
Aber Herzog hin oder Herzog her, eigentlich war natürlich Black Panther (2018) der Anfang, ohne dessen Erfolg es Woman King wohl nicht gegeben hätte. Mit dem Mut der Verzweiflung, Afrika auf Superheldenkurs zu bringen, entstand vor vier Jahren ein Marvel-Film, der sich über seine auf dem Höhepunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung entstandene Comic-Vorlage so ziemlich alles einverleibte, was es an großen Geschichten und Ideen aus dem afrikanischen Subsahara-Raum so gab: von panafrikanischen Ideen bis zum Afro-Futurismus wurde fast nichts ausgelassen und auch historisch an allen Ecken und Enden geplündert. Die legendäre Hochkultur der Munhumutapa im heutigen Zimbabwe wurde spielerisch integriert, Andeutungen auf die Handelshochkultur der Swahili an den ostafrikanischen Küsten fielen. Und Westafrika war in Wakanda mit dem Amazonen-Heer der Dahomey präsent, ohne dass irgendwer das wirklich mitbekam, denn bis dahin waren die sogenannten Agoji ja auch nur einmal auf der großen Leinwand aufgetaucht: in Werner Herzogs und Klaus Kinskis letzter gemeinsamer Produktion Cobra Verde, nach der die beiden endgültig eigene Wege gingen und in der es dann auch weniger um die Dahomey und ihre außergewöhnliche militärische Sondereinheit ging, als um Klaus Kinski als brasilianisch-portugiesischen Sklavenhändler und seine den Plot mehr und mehr verzehrende egomanische Rolle. Und die Sklaverei, die hier immerhin einigermaßen differenziert dargestellt wurde, indem die Kooperation von afrikanischen Herrschern beim Handel mit Sklaven explizit Erwähnung fand. Was natürlich auch an der hervorragenden Buchvorlage von Bruce Chatwin lag.
Vor allem diese historisch belegte Tatsache wird auch in The Woman King von der amerikanischen Regisseurin Gina Prince-Bythewood und ihrer Drehbuchautorin Dana Stevens differenziert in Bilder und Dialoge gefasst, die den historisch belegten Kampf der zwei westafrikanischen Königreiche Dahomey (im heutigen Benin) und das der Oyo (im heutigen Benin und Nigeria) in den Fokus stellt. Das Oyo-Reich der Yorubas wird hier als gnadenloser Sklavenzulieferer porträtiert, das der Dahomey als »noch« mit Sklaven handelnd, aber sich sowohl vom Sklavenhandel emanzipierende als auch von der Oyo-Herrschaft befreiende Nation, die im Jahr der Befreiung, 1823, einerseits militärisch gegen die Oyo bestehen muss, andrerseits mit den weiterhin im Land befindlichen Portugiesen, die den Sklavenhandel nach Brasilien kontrollieren, diplomatische Kunststücke vollbringen muss, um diese Zeit der Transformation zu überstehen.
Diese Rahmenhandlung lehnt sich trotz einer etwas zu positiv gefärbten Geschichte bezüglich der Dahomey eng an die historischen Geschehnisse an, auch wenn der aus US-Schauspielern und Schauspielern verschiedener afrikanischen Regionen bestehende Cast sichtlich Mühe hat, sich auf einen afrikanischen »Akzent« ihres Englisch zu einigen. Und wenn tatsächlich einmal eine indigene Sprache angedeutet wird, wie etwa in der Szene, als Dahomeys König Ghezo (John Boyega) von einem Besucher ein Gespräch in seiner »Muttersprache« einfordert und die Zuschauer auf ein wenig Ewe oder Fon hoffen, ist es am Ende dann wieder Englisch, das hier als Verkehrssprache dominiert.
Doch das sind Nebenschauplätze, über die man sich nicht ärgern sollte. Denn im Kern gelingt es Gina Prince-Bythewood und Dana Stevens, das gute, alte Genre des Blockbuster-Action-»Historischenschinkens«, von denen wir in letzter Zeit wenig gesehen haben, mit neuen, überraschenden Inhalten und Bildern zu reformieren. Denn Woman King nimmt nicht nur einfach die Geschichte der martialischen Frauenkrieger auf, sondern rechnet gleichzeitig mit den eigentlich zutiefst patriarchalen Strukturen im Westafrika der damaligen Zeit ab.
Dafür stellt Prince-Bythewood ein faszinierendes Charaktertrio starker Frauen in den Mittelpunkt der Handlung, die mit Viola Davis, Thuso Mbedu und und Lashana Lynch nicht nur hervorragend besetzt sind, sondern über die auch mit bestens choreografierter Action und immer wieder überraschend und historisch kompakt Coming-of-Age, Traumata sowie gesellschafts-politische Belange abgehandelt werden. Dass sogar noch Zeit für eine melodramatische, sich aber auch hier klassischen Erwartungshaltungen entziehende Liebesgeschichte ist, macht Woman King dann tatsächlich zu einer großen Überraschung und einem wichtigen Film.
Denn The Woman King reiht sich fast perfekt in eine Reihe von Filmen der letzten Zeit ein, die sich bemühen, afro-amerikanische- und britische Geschichte in all ihren kulturellen Facetten um- bzw. neuzuschreiben. Sei es Steve McQueen mit seiner Serie Small Axe, Barry Jenkins mit Underground Railroad, in Kasi Lemmons Tubman-Filmbiografie Harriet oder auch in Liesl Tommys Ella Fitzgerald-Film Respect.
Woman King bildet dabei allerdings etwas ab, das es bislang kaum zu sehen gab, die Zeit vor oder während der Sklaverei in Afrika und die Tatsache, dass Afrika weit mehr war (und weiterhin ist), als unsere eurozentristischen Blicke wahrhaben wollen. Howard W. French hat sich im letzten Jahr in seiner historischen Abhandlung Born in Blackness dieses Themas angenommen und dabei auch ernüchternd gezeigt, was in westlichen Schulen alles nicht vermittelt wird. Weder hört man dort vom reichsten Mann aller Zeiten, Mansa Musa, dem König von Mali im 14. Jahrhundert, noch von der Bedeutung von Elmina Castle, wo die moderne Sklaverei ihren Anfang nahm. Oder von der haitischen Revolution, in der die Armeen Englands, Spaniens und Frankreichs besiegt wurden, die Sklaverei abgeschafft und die heutigen Grenzen der USA manifestiert wurden. Und natürlich auch nicht die Geschichte eines Königreichs wie der Dahomey und ihres Kampfes gegen die Sklaverei und für ein wenig mehr Freiheit. Dass nun immerhin Hollywood diese Geschichte entdeckt hat und in die großen Kinos bringt, lässt zumindest so etwas wie Hoffnung aufkommen, die von Zuversicht allerdings noch weit entfernt ist.
Literatur:
Howard W. French, Born in Blackness – Africa, Africans, and the Making of the Modern World, 1471 to the Second World War, 2021, Liveright Publishing Corporation, 978-1-63149-582-3 (ISBN)