Cinema Moralia – Folge 13
Mit deutschem Biß |
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Wer kennt schon pakistanisches Kino? Und dann das! |
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(Foto: Rapid Eye Movies) |
Heute mal am Anfang ein paar aktuelle Terminhinweise: Am 26. April im Münchener Kardinal Wendel Haus gibt es bei der die Katholischen Akademie in Bayern einen Tag der Begegnung mit Dominik Graf. Ein einführender Vortrag, zwei Diskussionsrunden mit Graf selbst und die Vorführungen seines Essayfilms München – Geheimnisse einer Stadt (2000) und seines jüngsten Werks Das Gelübde (2007) werden Anlaß genug sein, das eigenwillige Œuvre Grafs unter die Lupe nehmen.
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Noch einmal möchten wir auf die bevorstehenden Kurzfilmtage Oberhausen aufmerksam machen: Bis zum 1. Mai 2008 kann man unter www.muvipreis.de die 12 Kandidaten des diesjährigen MuVi-Preis' besichtigen, und für diesen Publikumspreis abstimmen.
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Und noch ein aktueller Tip: Im Filmmuseum läuft am Donnerstag um 19 Uhr in der »Open Scene« Göttliche Einmischung von Elia Suleiman, dem »palästinensischen Buster Keaton«. Ein großartiger Film, muss man einfach so sagen. Wer ihn sieht, versteht warum.
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Wer kennt schon Pakistanisches Kino? Schon allein das: Gerade hat der Vampir sein erstes Opfer gebissen – und dann das: Der spanische Schlager »Granada« in einer pakistanischen Version erklingt als Titelsong aus dem Off. Später sind sogar noch »La Cucaracha« und Melodien aus »Carmen« zu hören. Warum man seinerzeit ausgerechnet spanische Klänge zur Filmmusik von Dracula In Pakistan auserkoren hat, weiß der Himmel. Der Effekt aber ist so bizarr wie faszinierend. Und er charakterisiert recht gut diese einmalige Fusion aus indisch-orientalischen Kinosprachen und europäischer Moderne, Autoverfolgungsjagden und Gesangseinlagen, die jetzt erstmals bei Rapid Eye gut restauriert einem deutschen Publikum zugänglich gemacht wird.
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Der Film von »Lollywood«-Routinier Khwaja Sarfraz, war im Entstehungsjahr 1967 der erste pakistanische Vampirfilm, und blieb bis heute der einzige Film des Landes, der zwar die rigide Zensur passierte, dann aber mit dem Prädikat »for adults only« versehen wurde – angeblich kam es zu einem Deal mit der Produktionsfirma, die versprach, nie wieder so etwas Schockierendes zu produzieren.
Zwei Details sind besonders interessant: Die erste Szene des Films löst den
Ursprungsmythos des Vampirs aus dem hier eher unpassenden christlichen Kontext, und erklärt ihn durch den gescheiterten Versuch eines Wissenschaftlers, der das »Elixier des Lebens« sucht – Dracula ist ein Dr.Frankenstein, der zum Monster mutiert. Überraschend gut verbinden sich im Laufe des Films dann pakistanische Familientraditionen mit dem Erbe des viktorianischen Europa, in dem die moderne Vampirmythologie wurzelt.
Vor allem aber belegt »Dracula in
Pakistan« die weltweite Wirkung der »Dracula«-Filme, die die britischen Hammer-Studios seit 1958 mit Christopher Lee in der Titelrolle produziert hatten. Auch in Mexiko und Japan entstanden Dracula-Versionen. Diese braucht nun den qualitativen Vergleich nicht zu scheuen. Über weite Strecken ohne Dialoge inszeniert, erinnert sie stellenweise an die Klarheit und Expressivität eines deutschen Stummfilms.
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Übrigens wurden damals auch die Vampirzähne für die Darsteller aus Deutschland eingeführt. Mehr solche Anekdoten und den Kontext des Films erzählen die beiden lohnenden Dokumentationen im Bonusmaterial: Die erste lässt die Macher des Films zu Wort kommen, die zweite, eine Channel-4-Produktion von 2001, ist eine informative Tour-de-Force durch die indisch-pakistanische B-Movie-Tradition: Die indische Variante der Hammer-Studios war die Ramsay Family aus Bombay. Sie waren perfekt darin, westliche Filme und popkulturelle Mythen zu plündern – so gibt es neben zahlreichen indischen Zombies und Wolfmenschen auch einen Bombay-Film namens Superman Und Spiderwoman – und sie zugleich zu indianisieren: Sie sind angereichert mit Lokaltypischem wie Songs, Schlangen und Tigern.
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Kein Vampirfilm findet sich unter den Nominierten zum Deutschen Filmpreis. Schade eigentlich im Land von Murnau. Was PR bedeutet, und wo da noch Journalismus stattfindet, beleuchtet am besten, was danach geschah: Als die Nominierungen am 28. März bekannt gegeben worden waren, erreicht uns eine Pressemitteilung von der »Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein«: »Deutscher Filmpreis 2008 – Sieben Nominierungen für geförderte Filme aus Hamburg
Schleswig-Holstein«.
Dann kommt eine Mail vom »Medienboard Berlin-Brandenburg«: »Deutscher Filmpreis: 29 Nominierungen für 15 Medienboard geförderte Filme. Glückwunsch für starkes Kino aus Berlin-Brandenburg!« Dazu der hübsche Hinweis: »Die nominierten Filme aus der Hauptstadtregion spiegeln das starke künstlerische und wirtschaftliche Potenzial des Filmstandortes Berlin-Brandenburg wieder« … »Herzlichen Glückwunsch an alle Nominierten«, gratuliert
Medienboard-Geschäftsführerin Kirsten Niehuus. »Wir freuen uns über die starke Präsenz ›unserer‹ Filmemacher. Kreativ, künstlerisch anspruchsvoll und dabei im Kino erfolgreich, repräsentieren sie die Filmmetropole Berlin, die in ihrer Vielfältigkeit und Lebendigkeit national und international große Beachtung findet. Für die Verleihung drücken wir allen nominierten Schauspielern, Produzenten, Regisseuren und Filmschaffenden die Daumen!«
Dann die
Filmstiftung NRW: »Auf der anderen Seite« Favorit beim Deutschen Filmpreis 2008 – Zehn Nominierungen für Filme mit NRW-Beteiligung. Fast zeitgleich hatten wir aber gelesen: »Kirschblüten – Hanami beim DEUTSCHEN FILMPREIS 2008 Favorit.« Die Presseagentur schreibt das offenbar quasi in eigener Sache: »Wir freuen uns mit dem MAJESTIC FILMVERLEIH, Molly von Fürstenberg und Harald
Kügler, Regisseurin Doris Dörrie und dem gesamten Filmteam von Kirschblüten – Hanami über die große Ehre durch die Fachkollegen in der Deutschen Filmakademie, die diesen ergreifenden und beeindruckenden Film zu einem der Favoriten beim DEUTSCHEN FILMPREIS auserkoren haben… Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der beigefügten Pressemeldung.«
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Bei den Filmfestspielen in Cannes müssen sie echte Probleme haben. Letzte Woche verschob man die Pressekonferenz zur Ankündigung des Programms auf Mittwoch dieser Woche. Aber an diesem Mittwoch gab man wieder nur Bruchstücke des Programms bekannt: Eröffnet wird mit Steven Spielberg neuem Indiana Jones-Spektakel. Um die Goldene Palme konkurieren schon mal neue Filme von Clint Eastwood (Changeling, ein Mystery-Thriller, in dem Angelina Jolie nach ihrem gekidnappten Sohn sucht), Steven Soderberghs vierstündiger Che (mit Benicio Del Toro in der Rolle des Freiheitskämpfers Ernesto »Che« Guevara), Arnaud Desplechin mit Un conte de Noël, Philippe Garrels La Frontière de l’aube und der neue Film der Gebrüder Dardenne, außerdem Atom Egoyan mit Adoration, der Israeli Ari Folman mit Waltz With Bashir und die Argentinier Lucrecia Martel (La Femme Sans Tete) und Pablo Trapero (Leonera). Die übrigen Wettbewerbsteilnehmer stehen noch nicht fest, laut Festivalleiter Gilles Jacob und Generaldirektor Thierry Fremaux soll sich das erst »in den kommenden Tagen« ändern.
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Mit dabei in Cannes auch wieder mal Wim Wenders. In Palermo Shooting spielen Milla Jovovich und Dennis Hopper. Am Abend, beim Championsleague-Gucken im »FC Magnet Mitte« mit Regisseur Mehdi eine Unterhaltung darüber, dass Wenders vielleicht objektiv gesehen der bessere Regisseur ist als Oskar Roehler, dessen neuen Film man im Wettbewerb ablehnte, man aber auf einen Roehler-Film sehr gespannt ist, auf Wenders schon lange nicht mehr. »Roehler ist ein Getriebener«, finde ich – »ist er viel weniger, als er glauben machen möchte«, meint Mehdi. Und lästert dann über Manchesters Ronaldo, »den Tom Cruise des Fußballs«, der Sekunden später einen Elfmeter vergeigt.
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Apropos: Nicht ohne klammheimliche Freude hören wir davon, dass sich die doch ganz schnuckelige Kathy Holmes jetzt angeblich endlich vom größten Fehler ihres Lebens, von Grimassenkönig Tom Cruise, trennen wird. »Deutschlands Hoffnung« (Florian Henckel von Donnersmarck). Der Psychoanalytiker Doktor Daniel Schreiber klärt uns in Spiegel-Online über die Hintergründe auf: »Seine sympathische Macho-Inszenierung ist als etwas angestrengte Vorform der Metrosexualität zu sehen. Fehlende Virilität und patriarchalen Machtverlust machte er durch mitreißend optimistisches Selbstvertrauen, perlweißes Lächeln, Fitness-Physis und wehende Haare wieder wett, mitunter auch durch große Maschinen wie Rennautos, Motorräder oder Flugzeuge. Für kurze Zeit sah es sogar so aus, als würde er sich als ernst zu nehmender Schauspieler etablieren.«
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Über die deutsche Kultur – und anderslautenden Gerüchten und deutschen Filmpreisen zum Trotz hat auch das Kino damit was zu tun – machen sich ja viele Sorgen. Glücklicherweise auch das Goethe-Institut. Das, was man so für deutsche Kultur und – Vorsicht jetzt! – »unsere nationalen Werte« hält, sollen die Goethe-Institute im Ausland vermitteln. Aber was exportieren wir eigentlich, wenn wir deutsche Kultur exportieren? Kunst? Demokratie?
Konfliktprävention? An letzteres erinnert ja gerade auch die Arbeit des Goetheinstituts gelegentlich. Als Ressort des Außenministeriums ist das Goethe-Institut schließlich ein prekärer Zwitter zwischen Kultur und Politik. Über all das hat an sich jetzt bei einer Veranstaltung über »Das Goethe-Institut und seine Arbeit im Ausland« Gedanken gemacht.
Und was erfuhr man da, zu unserer Erleichterung? Deutschland ist cool! Deutschland hat zumindest in den USA, »vielleicht auch
nur in New York«, ein ganz neues Image, so Stephan Wackwitz, Direktor des Kulturprogramms am Goethe Institut New York. »Nämlich ein kulturell konnotiertes Image. Ein ausgesprochen positives, modernes, cooles Image.« Na Gott sei Dank. Bevor man nun aber zu euphorisch wird, noch die Mitteilung, dass auch in Frankreich Deutschland so populär ist, wie nie. Warum? Der Auftritt der Teenie-Band Tokio Hotel in Paris führte zu einem Sturm der französischen Jugend auf deutsche Sprachkurse.
Heute steht nicht mehr nur das Dritte Reich oder »Made in Germany« für Deutschland, sondern auch Tokio Hotel.
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Und wo wir schon bei deutscher Kultur sind: Ganz doll freuen wir uns natürlich schon auf die diesjährige Verleihung des deutschen Filmpreis.
(To be continued)
Rüdiger Suchsland