28.01.2010
Cinema Moralia – Folge 26

Sex mit Angela Merkel?

Bushido
»Der Goebbels unserer Zeit«: Bushido.
Da kommt ja noch was auf uns zu.

Avatar, Bushido und Kurzkritiken

Von Rüdiger Suchsland

Avatar, Bushido und Kurz­kri­tiken

»Man sieht Hühner und hört Puten.« – Besser als mir diesem Satz eines Landwirts, der vorzeitig das Screening von Ein russi­scher Sommer verließ, kann man diesen Film nicht auf den Punkt bringen.

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Avatar, mal wieder. Mal wieder ein Rekord. Wie lang­weilig. Die täglichen Meldungen, welchen Rekord Avatar gerade auch noch gebrochen hat, dienen nur dazu, die Leute ins Kino zu treiben. Aber der Film wird nicht das Kino trotzdem nicht verändern, genau­so­wenig, wie Titanic das Kino verändert hat.

Guckt man genauer hin, ist alles sowieso ein einziger Fake. Es sei der »erfolg­reichste Film aller Zeiten«, heißt es. Aber was heißt »erfolg­reich«? Wirt­schaft­lich, klar. Das heißt, es geht ums reine Einspiel­ergebnis, nicht etwa um das aussa­ge­kräf­ti­gere Verhältnis von Zuschau­er­be­such pro Filmkopie.

Die Umsätze des Films werden natürlich dadurch gestei­gert, dass der Film in drei­di­men­sio­naler Technik gezeigt wird. Kino­ti­ckets für 3D-Filme sind übli­cher­weise teurer. Avatar hat seinen Rekord den erhöhten Ticket­preisen zu verdanken. Infla­ti­ons­be­rei­nigt sieht es anders aus, da wäre der erfolg­reichste Film aller Zeiten nach wie vor Vom Winde verweht von 1939. Infla­ti­ons­be­rei­nigt liegt Avatar nur auf Platz 26, Titanic immer noch klar vor ihm, auf Platz 6.

Zudem sind hier auch die Kosten nicht einkal­ku­liert. Avatar ist auch der teuerste Film aller Zeiten. Die Schät­zungen der unbe­kannten Produk­ti­ons­kosten reichen von 280 Millionen bis über 300 Millionen Dollar. Dazu kommen Marke­ting­kosten, die auf etwa 150 Millionen Dollar geschätzt werden.

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Keiner hast ihn bisher gesehen. Und es wird wohl seine guten Gründe haben, dass der Constantin-Verleih Bernd Eichin­gers Kinofilm Zeiten ändern Dich über Bushido so gut versteckt hält. Aber was ist eigent­lich los mit einer Gesell­schaft, in der Filme über Leute wie Bushido überhaupt gemacht werden?

Wir können uns ja nur vorstellen, was das für ein Film ist, und da uns der Verleih, keine Möglich­keit gibt, unsere Vorur­teile zu korri­gieren, halten wir uns einst­weilen an einen wunderbar bösen und präzisen Text, den Johanna Adorján letztes Jahr in der FAS veröf­fent­lichte. Darin schreibt sie:

»Wer die Auto­bio­gra­phie von Bushido gelesen hat, die 2008 die Best­sel­ler­listen anführte, weiß in etwa, was auf das Kino­pu­blikum zukommen wird: Es ist eine dieser Geschichten, wo es einer ohne fremde Hilfe von ganz unten nach oben schafft. …Bushido ist mit menschen­ver­ach­tenden Texten zum Millionär geworden, hat sich mit sexis­ti­schen Gewalt­phan­ta­sien und wirren Halb­sätzen, die unter die Gürtel­linie zielen und sich noch nicht einmal richtig reimen, einen Platz in den Kinder­zim­mern seiner Fans erobert ... Zuletzt machte Bushido Schlag­zeilen, als er in einem Interview sagte, mit Angela Merkel würde er aufgrund ihres Status Sex haben; Frauen werden in seiner Auto­bio­gra­phie so ziemlich kollektiv als ›Nutten‹ bezeichnet; und um viel­leicht doch mal einen seiner Refrains zu zitieren: ›Ein Schwanz in den Arsch, ein Schwanz in den Mund / Ein Schwanz in die Fotze, jetzt wird richtig gebumst‹.
Und so hat dieses Film­vor­haben etwas entschieden Ekliges. Hier geht es um gar nichts mehr außer um Geld. Nacktes, blödes, mit Mist verdientes Geld. Es ist ein Projekt von Millionär zu Millionär, Erfolg bewundert Erfolg, ein Alpha-Mann sieht sich womöglich in einem Jüngeren selbst. Bushido steht für nichts, außer es geschafft zu haben – womit, ist offenbar voll­kommen egal. Dass Jugend­liche so etwas cool finden – geschenkt. Dass aber ein Film­pro­du­zent wie Bernd Eichinger gerade dabei ist, sich in den Wind­schatten eines viel kleineren Mannes zu ducken, um auf dessen Erfolgs­welle mitzu­surfen, ist irgendwie erschüt­ternd. Geht es der neuen Constantin wirklich so schlecht?«

Besser kann man es nicht sagen. Johanna Adorján hat einfach recht. Natürlich ist das nur ein Vorurteil. Aber damit kennt sich Bushido ja aus.

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Letzte Woche haben wir auf die Medien einge­dro­schen, heute wollen wir sie mal loben. Dafür, dass sie das tun, was viel zu wenig gemacht wird, nämlich sich gegen­seitig kontrol­lieren. Ausge­rechnet der Focus, von dem wir das am wenigsten erwartet hätten, berichtet nun – unter der fast schon poeti­schen Über­schrift »Mit dem Zweiten reist man besser« – über die Spesen des ZDF-Geschichte-Mannes Guido Knopp (»Hitlers Dingsda«, »Die große Flucht«). Welche außer­ge­wöhn­li­chen Gründe machen es erfor­der­lich, fragt Focus spitz, »dass sich der ZDF-Redak­ti­ons­leiter für nicht einmal eine Minute Bild­schirm­prä­senz dienst­lich 17 Tage in Thailand aufhalten musste?« In der etwa 1000 Dollar teuren »Author’s Suite«, bezahlt von seiner Produk­ti­ons­firma, die die Kosten ihrer­seits mit dem ZDF abrech­nete. Was das mit Film zu tun hat? Nichts. Nur mit den Fern­seh­ge­bühren, von denen ja auch deutsche Filme­ma­cher bezahlt werden. Das ZDF hat die Vorwürfe übrigens zurück­ge­wiesen, über Begrün­dungen und etwaige Gegen­dar­stel­lungen ist uns aber nichts bekannt.

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»Je oller, je doller« – das wäre ein tref­fen­derer Titel, als die gestelzte deutsche Über­set­zung von It’s Compli­cated. Der neue Film von Nancy Meyers (Was Frauen wollen) zielt vor allem auf das Publikum von dem er handelt: Von jener neuen Marketing-Erfindung der »best agers«, jenen Menschen also, die zwischen 60 und 80 Jahre alt sind, wie 50 aussehen und ihre Angehö­rigen und Mitmen­schen dadurch irri­tieren, dass sie sich gele­gent­lich wie Teenager aufführen. Dresens Wolke 9 hat das Sujet in Deutsch­land zum Kassen­er­folg gemacht, dieser Film globa­li­siert es. Grob gesagt geht es darum, dass eine reifere Dame mit ihrem Ex-Mann eine Affaire beginnt, und gleich­zeitig noch einen anderen Mann kennen­lernt – ist das der vierte Frühling?

Was bei diesem Film wirklich Spaß macht, sind die Schau­spieler. Dabei steht diesmal nicht Meryl Streep im Zentrum, die übrigens nicht immer bei der Sache ist und sich manchmal mitten im Dialog zu fragen scheint, in was für einem Film sie gerade spielt. Dafür ist Alec Baldwin als ihr Ex einfach großartig und zeigt genau die richtige Ironie, die die Handlung infrage stellt ohne sie zu denun­zieren. Der Rest ist solidies Hollywood-Handwerk, hat also eine Tendenz zum Konfor­mismus. Und wenn man dann so zuschaut, ahnt man, dass ein so verstan­denes »best age« viel­leicht doch nicht das beste Alter ist.

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Vicky kommt ins Gefängnis. Aller­dings weil sie Umwelt­ak­ti­vistin ist – moralisch sind die junge allein­ste­hende Frau und dieser Film damit schon mal auf der sicheren (Hollywood-)Seite. Dummer­weise brauchen die beiden Zwillinge jetzt für diese Zeit einen Baby­sitter. Da trifft es sich, dass sich einer von Vickys One-Night-Stands, und zwar überdies ausge­rechnet der biolo­gi­sche Vater der Zwillinge, bei ihr meldet. Der einge­schwo­rene Jung­ge­selle wird für die kommenden zwei Haft-Wochen als Baby­sitter verpflichtet. Dazu bringt er, Dan, gespielt von Robin Williams, zweimal geschieden, dann noch seinen besten Kumpel mit – Charlie (John Travolta) ist ein unver­hei­ra­teter Frau­en­held. Beide sind toughe Geschäfts­leute, die gerade irgend­einen wahn­sinnig bedeu­tenden Deal »mit Japan« einfädeln – und der Rest des Films vergeht mit Schuld­ge­fühl, Besuchen im Feri­en­lager und im Zoo, bei denen die beiden Männern lernen, gute Väter zu sein.

Walt Beckers Film Old Dogs – Daddy oder Deal erzählt eine absolut vorher­seh­bare Geschichte mit überaus biederer, konser­va­tiver Moral. Es ist wieder einer dieser inzwi­schen gefühlt hunderten von Filmen, in denen Menschen, die rund um die Uhr berufs­tätig sind, aber kinderlos – also, nach Holly­wood­maßs­täben: Kalt und sündig – entdecken, wie toll und rundum befrie­di­gend es ist, Kinder zu haben, und ihre respek­ta­blen Karrieren, dann sogleich für das Vergnügen opfern, mit voll­ge­kle­ckerten Desi­gner­hemden in Desi­gner­küchen zu sitzen – man hat schließ­lich zuvor gut verdient. Und natürlich stehen die lieben Kleinen dann am Ende auch der Karriere nicht im Weg.

Der Weg dahin ist mit allerlei Slapstick­ein­lagen gepflas­tert. Dazu gehört die Geschichte von den vertauschten Medi­ka­menten, die falsch einsor­tiert werden und so allerlei unan­ge­nehme Folgen – Gesichts­läh­mung und Vergif­tung – haben. Das mag für Travolta und Williams eine schau­spie­le­ri­sche Heraus­for­de­rung sein, bei der ihnen der Computer zu Hilfe kommt. Wirklich witzig sind aber nur wenige Szenen, zum Beispiel eine Williams-Parodie der berühmten Duschszene aus Hitch­cocks Psycho – in einer Bräu­nungs­du­sche.

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»Montag, 25. Januar 2010 / Cannes, Frank­reich
10.00 Uhr Messe­rund­gang auf der MIDEM 2010
Ort: Palais des Festivals, Cannes
Dienstag, 26. Januar 2010 / Berlin
13.30 Uhr Rede zur offi­zi­ellen Eröffnung des Suhrkamp Verlags in Berlin
Ort: Pappel­allee 78-79, 10437 Berlin
Mittwoch, 27. Januar 2010 / Berlin
10.30 Uhr Kabi­nett­sit­zung
Ort: Bundes­kanz­leramt
12.00 Uhr Gedenk­stunde im Deutschen Bundestag für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lismus
Ort: Reichs­tags­ge­bäude
17.15 Uhr Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien
des Deutschen Bundes­tages
Ort: Paul-Löbe-Haus
18.00 Uhr Rede zur Veran­stal­tung ›Endlösung‹ am Bern­stein­strand. 65 Jahre nach dem Massaker im ostpreußi­schen Palm­ni­cken
Ort: Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, 10117 Berlin
Donnerstag, 28. Januar 2010 / Essen
11.00 Uhr Rede zur Einwei­hung des Neubaus Museum Folkwang
Ort: Museum Folkwang, 45128 Essen
Mittwoch, 3. Februar 2010 / Berlin
9.30 Uhr Kabi­nett­sit­zung
Ort: Bundes­kanz­leramt
Donnerstag, 4. Februar 2010 / Paris, Frank­reich
ganztägig Teilnahme am Deutsch-Fran­zö­si­schen Minis­terrat
Ort: Paris
Freitag, 5. Februar 2010 / Berlin
9.30 Uhr Begrüßung des wissen­schaft­li­chen Beirats der geplanten Ausstel­lung ›Polen und Deutsch­land – 1000 Jahre Nach­bar­schaft‹
Ort: Berliner Abge­ord­ne­ten­haus«

Soweit die »ausge­wählten Termine« von Kultur­staats­mi­nister Bernd Neumann für die Zeit vom 25. Januar bis 5. Februar 2010.

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Ein bekannter deutscher Regisseur, den wir hier nicht outen wollen, hat Bushido übrigens so genannt: »Der Goebbels unserer Zeit«. Da kommt ja noch was auf uns zu.

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Die lustigste Pres­se­mit­tei­lung des Tages kam heute von BMW. Es war die zur »Jahres­pres­se­kon­fe­renz der BMW Nieder­las­sung Berlin und Übergabe des BMW Acti­veHy­brid 7 an Dieter Kosslick«. Der Acti­veHy­brid 7 ist übrigens ein Auto, Dieter Kosslick der Leiter der Berlinale und BMW der neue, wie es heißt, »Haupt­partner« der Berlinale.
In der Mittei­lung steht dann unter anderem: »BMW stellt den glamourösen Auftritt der Stars bei der feier­li­chen Eröffnung und der Preis­ver­lei­hung sowie bei den Gala-Premieren unter das Motto ›Freude ist großes Kino‹. Für die Vorfahrten der Stars werden neben Modellen aus der aktuellen BMW Fahr­zeug­flotte auch Klassiker vorfahren, die bereits cine­as­ti­sche Erfahrung besitzen und Besucher wie auch promi­nente Fahrgäste begeis­tern.« Und etwas später: »Seit über 70 Jahren engagiert sich BMW im Bereich der Filmkunst und unter­s­tützt nationale wie inter­na­tio­nale Film­pro­jekte, die zu den spezi­fi­schen Werten des Unter­neh­mens passen und diese kommu­ni­kativ stützen. Seit 1972 ist Product Placement im Film­be­reich ein fester Bestand­teil im Rahmen des Marke­ting­mixes für eine lang­fris­tige Image- und Produkt­kom­mu­ni­ka­tion der BMW Group. Mit einer gezielten Produkt­plat­zie­rung verfolgt die BMW Group die emotio­nale Stärkung ihres Images über eine deutliche Produkt­wahr­neh­mung, eine Diffe­ren­zie­rung gegenüber seinen Wett­be­wer­bern und natürlich die Iden­ti­fi­ka­tion der Marken und Produkte mit den positiv konno­tierten Prot­ago­nisten der Filme. In naher Zukunft sind es besonders große inter­na­tio­nale Film­pro­jekte, in denen Modelle der BMW Group ihren Auftritt haben werden. … Mit der Berlinale wird nun das Kultur­enga­ge­ment in der Haupt­stadt um eine glit­zernde Facette erweitert.«

(To be continued)

Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind hier in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beob­ach­tungen, Kurz­kri­tiken, Klatsch und Film­po­litik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kino­ge­hers.