14.02.2015
65. Berlinale 2015

Rück­läu­figer Merkur

Sebastian Schippers Victoria
Sebastian Schippers Victoria in Pluto+Uranus
(Foto: Senator)

Das Berlinale-Horoskop – Berlinale-Tagebuch, 13. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Was einer aufgebaut, reißt ein anderer wieder ein.
Wo jetzt noch Städte sind, wird eine Wiese sein.«
Andreas Gryphius

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Am Sams­tag­abend bereits wird der Goldene Bär verliehen. Wer wird ihn bekommen? Viel­leicht hilft die kleine Erin­ne­rung, dass Darren Aronofsky vor ein paar Jahren schon bei einem anderen A-Festival Jury­prä­si­dent war: In Venedig. Damals bekam der Russe Alexander Sukorov den Preis. Und irgendwie könnte ich mir gut vorstellen, dass es diesmal wieder der Russe ist: Aleksey German Jr. mit Under Electric Clouds. Das würde politisch aufgrund der Russland-Krisen 1-A ins Programm passen. Auch Body von der Polin Malgorzata Szumowska scheint mir zumindest für einen Haupt­preis gut. Und natürlich Pablo Larrains The Club, der chile­ni­sche Beitrag. Letzterer würde auch – wie übrigens Jafar Panahis Taxi – mit meiner persön­li­chen Berlinale-Regel konform gehen: Es gewinnt immer ein Film, der an den ersten fünf Tagen in der 9-Uhr-Pres­se­vor­füh­rung läuft.
Die Rumänen und der Guata­mal­teke haben schon qua Herkunft Chancen auf Neben­preise. Aleksey German fand ich einen kata­stro­phalen präten­tiösen Quatsch. Gegen Larrain spricht eher, dass Aronofsky den als Konkur­renz empfindet.

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Den Goldenen Bär für einen deutschen Film dürfte es wohl auch diesmal nicht geben. Dabei war wenigs­tens Sebastian Schippers Victoria ganz hervor­ra­gend. Ein mitreißendes Kinowerk, leiden­schaft­lich, fast alles ist hier genau so, wie es sein soll bei einem Film­fes­tival. Trotzdem: Für einen Goldenen Bär kann das eigent­lich nicht langen. Warum, dazu viel­leicht später, wenn ich über Victoria hier noch mehr schreibe. Jetzt erstmal to something comple­tely different.

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Zwischen den Berlinale-Kinos gibt es ja auch noch jenen furcht­baren »Boulevard der Sterne«, für den Dieter Kosslick ausnahms­weise mal nichts kann. Viel­leicht hat der aber noch einen ganz anderen, unge­ahnten Sinn: Denn dafür, warum es mit der Berlinale so schnell nicht besser werden kann, bekam ich gestern eine ganz neue, etwas wunder­liche, aber auch ganz wunder­bare und in sich aber sehr schlüs­sige und über­zeu­gende Theorie.

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Eine astro­lo­gie­be­gabte und -über­zeugte Dame erläu­terte mir nämlich bei einem kleinen Vor-dem-Film-Gespräch, dass die Eröffnung der dies­jäh­rigen Berlinale zu einem Zeitpunkt stattfand, ala ausge­rechnet der Merkur, der Bote zwischen Himmel und Hölle »rück­läufig« war, also schwach, wie auch im vorigen Jahr. Zudem war er »Aszen­den­ten­herr­scher«, und das auch noch im 5.Haus, das für Bühne, Ausdruck und Frucht­bar­keit steht.
Die Form­vor­lage war mit Grün­dungs­sonne und Grün­dungs­mond im 10. Haus gegeben, das bestätige, eigent­lich beweise die hier schon oft geschrie­bene Ansicht, dass es sich bei der Berlinale »eher um eine Handels­messe« handele, »um nicht zu sagen, eine kapi­ta­lis­ti­sche Ange­le­gen­heit.« Und mit der Wasser­mann­sonne, die ebenfalls im 5. Haus steht, leistet man sich eben auf der Bühne Hofnarren oder Hofnär­rinnen – nicht wahr Frau Engelke und Herr Kosslick –, »die über Desas­tröses schwa­dro­nieren dürfen, ›denn der Merkur der Pannen und Laden­hüter war ja auch dabei.‹«

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Die Chancen für Sebastian Schipper seien gut, meinte auch fragliche Dame, denn der »hatte sowieso mit Mond auf der 60iger-Jahre Konstel­la­tion Pluto+Uranus ein gutes Gespür für unseren Zeitgeist, als er mit Transit-Saturn die Idee für seinen Film entwi­ckelte.« Ohne den Film gesehen zu haben, wusste die Dame, dass er »etwas Radikales« habe, »gewagt« sei,. Er über­rascht und wird gewinnen. Wenn nicht den großen Preis, dann nach Kinostart.

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»Im Horoskop der ersten Berlinale stehen bei der Eröffnung am 6.6.1951 Sonne, Mond, Mars im Zwilling. Daraus folgt; Kommu­ni­ka­tion, Handel, von allem etwas. Aber auch tradi­tio­nell und platz­hirschmäßig.«
Darum also...