69. Filmfestspiele Cannes 2016
Das Raumschiff hebt ab |
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Der perfekte Eröffnungsfilm für die Film-Society von Cannes: Woody Allens Café Society | ||
(Foto: Warner Bros. Entertainment GmbH) |
Einen ersten Rekord gibt es bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes schon vor dem Start: Zum dritten Mal beginnt das renommierteste Filmfestival der Welt mit einem Film von Woody Allen. Das hat es noch nie gegeben, dass ein Regisseur das Festival gleich dreimal eröffnet.
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Woody Allens neuer Film Café Society verspricht zumindest von der Papierform her, was man von einem perfekten Eröffnungsfilm, wie überhaupt von einer Woody-Allen-Komödie, erwarten darf: Große Party? Na hoffentlich! Unterhaltung? Ganz klar. Da alles im Hollywood der Dreißiger Jahre spielt, darf man aber auch eine Hommage an die Glanzzeit des Kinos und eine Selbstreflexion des Mediums Film erhoffen.
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Wenn die 69. Ausgabe der Festspiele heute Abend vom künstlerischen Leiter Thierry Fremaux offiziell eröffnet wird, laufen gleich einige Weltstars über den roten Teppich direkt neben dem Strand der sonnig-blauen Côte d’Azur: Nicht allein Kristen Stewart, das erstaunliche amerikanische Starlet, das in Café Society eine Hauptrolle spielt, und längst dem Zwielicht der Mädchen-Vampir-Serie Twilight auf die Höhen echter Filmkunst entstiegen ist. Und die den Weg über die 24 Treppenstufen zur traditionellen Begleitmelodie des »Karnevals der Tiere« vom französischen Komponisten Camille Sains-Saens, ein paar Tage später gleich noch einmal gehen darf: Schließlich spielt Stewart auch die Hauptrolle in Personal Shopper, dem Wettbewerbsbeitrag des Franzosen Olivier Assayas. Assayas' Film ist auch der, auf den ich mich persönlich am meisten freue im Wettbewerb – was ja nicht immer ein gutes Zeichen für die Gewinn-Chancen des Films sein muss.
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Dieser Mittwoch bildet nur den Auftakt eines glamourösen Starreigens: »Ein Festival der Stars« wurde von den Veranstaltern für dieses Jahr versprochen. So erwartet man unter anderem: Juliette Binoche, Julia Roberts, Charlize Theron, George Clooney und Robert De Niro. Außerdem soll der Musiker Iggy Pop für eine Mitternachtspremiere von Jim Jarmuschs Doku Gimme Danger kommen.
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Nach acht Jahren, und wenn man Wim Wenders' britisch-franzsisch-deutsche-US-Co-Produktion Don’t Come Knocking abzieht, sogar nach zwölf Jahren, kämpft 2016 auch mal wieder ein deutscher Film im Wettbewerb um die Goldene Palme. Die in Berlin lebende, aus Karlsruhe stammende Regisseurin, nebenbei Absolventin der Münchner HFF, Maren Ade, hat mit ihrem erst dritten Spielfilm Toni Erdmann dieses Ziel erreicht. Sandra Hüller und der österreichische Burgschauspieler Peter Simonischek spielen die Hauptrolle in dieser leicht skurrilen Vater-Tochter-Geschichte. Koproduziert wurde der Film von der sehr hippen Wiener Produktionsfirma coop99, die schon viele Filme an die Croisette brachte.
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Insgesamt 21 Filme laufen im Wettbewerb. Neben Cannes-Neulingen wie Ade auch die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne aus Belgien, die bereits zweimal die Palme gewannen, der Spanier Pedro Almodóvar, der Brite Ken Loach oder der Franzose Bruno Dumont. Außer Konkurrenz laufen Jodie Fosters Thriller Money Monster, und Neues von Jim Jarmusch und Steven Spielberg – auch in den Nebensektionen ist Cannes, das nur ein Viertel so viel Filme zeigt wie die Berlinale, das stärkste Festival der Welt: Klasse statt Masse.
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Wenn es gleich losgeht, ist der Vergleich, der mir dazu am ehesten einfällt, der eines Raumschiffs. Zumal der »Palais des Festivals et des Congrès« von außen so aussieht und auch die Größe hat wie ein Schiff der Imperialen Flotte aus Star Wars.
Wir heben ab, und befinden uns von heute an für zwei Wochen nicht nur im Nabel des Weltkinos, sondern in einem
eigenen Orbit.
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Während neben Stewart heute Abend Steve Carrell, Jesse Eisenberg und natürlich Woody Allen höchstselbst dem Publikum im fast 2000 Plätze fassenden Palais du Cinema ihre persönliche Aufwartung machen, geht es dann im Wettbewerb schon gleich zur Sache. Für die Presse – die ja die Filme immer ein bisschen früher sieht, um dann auch rechtzeitig darüber schreiben zu können – läuft parallel der erste von zwei rumänischen Wettbewerbsbeitägen: Sieranevada von Cristi Puiu. Darin geht es offenbar irgendwie um die »Charlie Hebdo«-Attentate vor eineinhalb Jahren.
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Der Terror hat das Festival sowieso erreicht. Man sieht mehr Polizei als in den Vorjahren, und sie wirkt schwerer bewaffnet. Sie wirkt zumindest so. Denn neulich habe ich mir sagen lassen – eine auf den ersten Blick überaus verwunderliche, dann aber einleuchtende Information –, dass die Polizisten bei solchen Anlässen in ihren Maschinenpistolen und Gewehren keine scharfe Munition haben – so wenig wie die Wachen vor den Synagogen oder jene Bundeswehrsoldaten, die
in Hannover die »Ehrengarde« für den US-Präsidenten spielen mussten.
Offenbar schätzt man beim FBI die Wahrscheinlichkeit größer ein, dass ein Bundeswehrsoldat Lust hat, plötzlich auf Obama zu schießen, oder das ihm aus Versehen die Waffe aus der Hand fällt und losgeht, als dass er sie zur Verteidigung braucht. Was die Polizei angeht, haben die Verantwortlichen offenbar Angst, dem Waffenträger könne die Waffe einfach geklaut werden, dann möchte man vor Ort nicht auch noch gleich
scharfe Munition bereitstellen.
Es geht also nur um den martialischen Eindruck, um Gehabe, um Schein, nicht um das, was »wirklich« dahinter steckt – und dieser Gedanke passt zu Cannes nun wirklich perfekt.
(to be continued)