Cinema Moralia – Folge 150
Pro Quote Ästhetik! |
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Toni Erdmann: Ist nach der männlichen (!) Hauptfigur benannt. Ob er wohl ästhetischen Maßstäben gerecht wird? | ||
(Foto: NFP marketing & distribution GmbH / Filmwelt Verleihagentur GmbH) |
Für mich ist jeder Tag Weltfrauentag. Ich bin ein Feminist. Gleiche Rechte, gleiche Chancen, gleiche Bezahlung, das ist alles überhaupt nicht die Frage.
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Sehr wohl eine Frage ist aber die Perspektive. Worum geht es eigentlich bei der ganzen Frauen-Quoten-Gleichberechtigungs-Political-Correctness-Debatte? Provokativ formuliert: Nutzt es mir, wenn Frauke Petry genauso gut bezahlt wird, wie Björn Höcke?
Oder nutzt es mir mehr, wenn es einfach mehr gute Filme gibt? Egal, ob sie von Männern oder von Frauen kommen? Klar: Das war jetzt eine rhetorische Frage. Und eine polemische.
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Frauen sollen auch das Recht haben, schlechte Filme zu machen – dies ist einer der dümmeren, dieser an klugen Sätze nicht sehr reichen Debatte.
Ich finde viele Argumente, die da aufgebracht werden, irrelevant, oft intolerant, gelegentlich stalinistisch. Neulich hab ich zum Beispiel den Newspeak-Begriff »Cultural Appropriation« gelernt, »kulturelle Aneignung«. Gemeint ist damit unter anderem, im Fasching als Indianer rumzulaufen. Ist böse, weil man die Indianer nicht
gefragt hat. Der Ausdruck wiederum ist bestimmt nicht gerechte Sprache. Nun interessiert mich, ehrlich gesagt, gerechte Sprache nicht die Bohne. Schon deshalb, weil gerechte Sprache das Gegenteil von Gerechtigkeit ist. Gerechte Sprache verfälscht die realen Verhältnisse. Tarnt und maskiert und gibt den Sprechenden noch ein gutes Gewissen. Gibt es weniger Rassismus, weil wir nicht mehr »Neger« sagen?
Es ist noch nichts auf der Welt besser geworden, weil wir unsere Sprache verändert
haben. Was die Verhältnisse besser macht, sind Veränderungen der Machtverhältnisse.
Weil das die Linken nicht begreifen, gewinnen sie bei Wahlen nicht die Macht.
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Keiner sollte das Recht haben, schlechte Filme zu drehen – weder Frauen noch Männer. »Recht« kann ja hier nichts Juristisches oder Moralisches heißen, sondern »das ästhetische Recht«. Natürlich gibt es keine Zensur, gut so: Jeder darf jeden möglichen Müll produzieren. Aber wem nutzt es?
Was wir brauchen ist nicht political correctness, sondern ästhetische Maßstäbe. Es ist bezeichnend für den Status Quo, dass noch nie die Frage nach dem Ästhetischen ernsthaft zum
Thema wurde.
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Der deutsche Film, nein: Das Kino überhaupt braucht mehr Toleranz für Experimente und mehr ästhetische Strenge gleichermaßen.
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Worum geht es in diesen ganzen Debatten, diesen verqueren Debatten? In jedem Fall müssen Frauen Geld einfordern: ökonomische Gleichberechtigung.
Ansonsten sollte man darüber offen reden, dass Frauen in der Regel keine Frauen fördern. Wenn also viel weniger Frauen als Regisseure Filme machen, dann liegt das auch daran, dass viele Frauen in den Fördergremien und den Redaktionsstuben sitzen,
Wenn man Frauen nach ihren persönlichen, ganz konkreten Erfahrungen fragt, kommt
eigentlich selten ein konkreter Beleg. Benachteiligung scheint diffus – was keineswegs beweist, dass es sie nicht gibt.
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Viel zu wenig unterschieden wird auch zwischen zwei anderen Möglichkeiten: Wollen die Frauen nun an die Fleischtöpfe, also Beteiligung am System, oder wollen sie das System als solches verändern, also die Fleischtöpfe auskippen und »weibliches Filmemachen« einführen?
Hier könnte man sich klarere Positionen wünschen, derzeit wabert die Debatte zwischen beiden Polen hin und her. Das System im Prinzip ist überaus schrottig – aber zu revoltieren traut sich dann doch keiner.
Was sich ändern muss, so scheint es, ist doch nicht primär ein weibliches oder männliches Verhalten, sondern vielmehr die Wahrnehmung und die Bewertung des Systems.
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Ein Gespräch mit einer hochrangigen ARD-Mitarbeiterin über das Sparen in den Sendern. Gespart wird selbstverständlich an den falschen Stellen, nicht an Betriebsrenten, sondern am Archiv. Inzwischen sei es so weit, dass BR und NDR nicht einmal mehr das zurückliegende Jahr anständig in die Archive einpflegen würden. »Ein Politikum«, sagte die Redakteurin. Weil an der Dokumentation gespart wird und am »Verschlagworten« des Programms, ist seriöse Archivrecherche in manchen Sendern schon derzeit nicht mehr möglich.
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Gespräch mit einem Kinobetreiber über die merkwürdige Politik der Verleiher: »Ich sympathisiere mit Torsten Frehse« hatte ich gesagt. Der Satz provoziert offenbar: »Du sympathisierst mit Torsten Frehse?« Er kann es nicht fassen. »Der ist halt ein Zocker«. Und wir sprechen über die Vor- und Nachteile, die es hat, wenn Bruno Dumonts Die feine Gesellschaft als Komödie vermarktet wird, in der
Tradition jener französischen Dödelkomödien, die in den letzten Jahren über dem deutschen Publikum ausgegossen wurden. Und wenn zugleich fast alle Kopien in der deutschen Synchronisation ins Kino kommen. Natürlich sei der Film lustig, aber doch ganz anders als etwa Monsieur Claude und seine Töchter. »Aber auf Deutsch ist es nicht komisch, wenn Juliette Binoche hysterisch trällert...
die, die den gesehen haben, finden ihn dann halt schlecht,.«
Allein in den letzten Wochen hat er sich oft geärgert: Farhadis The Salesman kam kaum mit Originalfassung ins Kino. Scorseses Silence außerhalb der Großstädte nur in OV oder synchronisiert, »nie als OmU«. Schon
Tarantinos Django Unchained habe durch derartig dogmatischen, uneinsichtigen Umgang seinerzeit viele Zuschauer verloren. »Aber wer versteht schon den Südstaatenakzent von Leonardo Di Carpio?«
Da sieht man dann, wie dick der Sand im Getriebe des deutschen Kinos ist. Oben wird viel Geld hineingeworfen, unten zerbröselt dann alles.
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Wie irre!! Jetzt muss der Mitarbeiter von »Pricewaterhouse Coopers« (PwC) unter Polizeischutz gestellt werden, weil er die Umschläge bei der Oscar-Verleihung falsch zugeordnet hat.
(to be continued)