Kinos in München – Museum Lichtspiele
Das Kino an der Isar |
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Die schöne Buchstaben-Anzeigetafel erinnert daran, wie sich Kinogehen einmal anfühlte |
Mit freundlicher Unterstützung durch das Kulturreferat München
Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es mal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von DVD und erhöhten Kinomieten mehr denn je keine Selbstverständlichkeit mehr ist, stellen wir hier besondere Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.
Von Ingrid Weidner
Ein trüber Montagnachmittag im Winter. In das geräumige Foyer der Museum Lichtspiele schlendern Zuschauer, lösen Tickets, kaufen Getränke. Auch die ein oder andere Tüte Popcorn wandert über die Theke. Das zweitälteste Kino Münchens eröffnete 1910 seine Türen in einem stattlichen, sechsgeschossigen Eckhaus im Stil des Neubarock mit der Hausnummer Lilienstraße 2. Die Dachwohnung im Haus, die eine Glaspyramide krönt, soll einmal eine der teuersten Wohnungen Münchens gewesen sein, doch das ist lange her. Schräg gegenüber findet sich das Müllersche Volksbad, das Wannen- und Brausenbad aus der Jugendstilzeit. Geht man über die Isar, landet man direkt im Deutschen Museum.
Als der Kinopionier Carl Gabriel am 24. November 1910 dort das Kino als »Gabriels Tonbildtheater« eröffnete, war die Kunstform Film zwar noch neu, er hatte aber bereits drei Jahre zuvor das heutige Gabriel als erstes Kino der Stadt eröffnet, drei Jahre später folgte das Sendlinger-Tor-Kino.
Die Au war zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein Viertel, in dem Handwerker, Tagelöhner und Arbeiter lebten. Nur ein paar hundert Meter entfernt in der Zeppelinstraße befindet sich das Geburtshaus von Karl Valentin. Als knapp Dreißigjähriger entdeckte er im Kino in der Au, dessen regelmäßiger Gast er gewesen sein soll, den Film. Ab 1912 entwickelte er so seine »Valentinaden«, kurze Sketche fürs Kino.
Carl Gabriel war ein selbstbewusster Gründer, der das Kino gleich nach sich selbst benannte. 1857 als Sohn eines Menageriebesitzers geboren, kam er aus einer Schaustellerfamilie und wusste, wie sich mit Unterhaltung Geld verdienen lässt. Er tingelte mit seinem Jahrmarktsgeschäft viele Jahre durch Europa und landete schließlich 1892 in München. Bereits ein Jahr später war er mit ersten Attraktionen auf dem Oktoberfest vertreten. Mit den Jahren brachte er zahlreiche Fahrgeschäftsklassiker an die Isar, vom Riesenrad bis zur Achterbahn, und stieg sogar zum »Oktoberfestkönig« auf. Ein Wachsfigurenkabinett, das »Internationale Handelspanoptikum« in der Neuhauser Straße, sicherte ihm regelmäßige Einnahmen. Gerade weil er ein gutes Gespür für Attraktionen und Budenzauber hatte, interessierte er sich früh für die Experimente der Gebrüder Lumière und ihren Kinematographen.
Carl Gabriel war von der neuen Technik begeistert und eröffnete in München insgesamt fünf Kinos. Zuerst das bereits erwähnte Gabriel, das 1907 als American Bio eröffnete, das »Gabriels Tonbildtheater« (heute Museum-Lichtspiele), die Sendlingertor-Lichtspiele (heute Filmtheater Sendlinger Tor). Außerdem die Alhambra-Lichtspiele in der Lindwurmstraße, die bis 1970 existierten, und die Rathaus-Lichtspiele in der Weinstraße 8, die sich ebenfalls bis Anfang der 1970er Jaher hielten. Etwa 20 weitere Gabriel-Kinos in Städten wie Berlin, Augsburg, Passau oder Bochum machten aus ihm den ersten Kino-Großmogul.
In den Museum-Lichtspielen, das von seinem Betreiber Matthias Stolz meist zärtlich »MuLi« genannt wird, änderte sich neben dem Namen so manches über die Jahre. In den 1970er Jahren kam ein zweiter Saal hinzu, den die damaligen Betreiber an Beate Uhse vermieteten, die ihn als »Intimes Theater mit anspruchsvollen Filmen für Erwachsene« nutzt – es war die Hochzeit der deutschen Erotikfilme. Schließlich kam in den 1980er Jahren ein dritter Saal hinzu und bei einem weiteren Umbau in den 1990ern ein vierter. Dabei blieb es dann.
In den vier Sälen mit bequemen, rot gepolsterten Sesseln finden heute insgesamt 276 Gäste Platz. Vor fünf Jahren wurde auch das Foyer umgebaut. Jetzt empfängt eine große Theke die Besucher mit Süßigkeiten, Popcorn und Getränken. »2012 haben wir die Kinos digitalisiert und auch in den Ton investiert. Allerdings haben wir uns bewusst gegen 3D entschieden. Unser Publikum weiß das zu schätzen«, erzählt Geschäftsführer Matthias Stolz. Der 38-Jährige kam 2012 von Heidelberg nach München, um sich hier um das Tagesgeschäft zu kümmern. Der zweite Geschäftsführer, Mathias Wild, konzentriert sich auf Verwaltungsaufgaben. Stolz hat seinen Umzug nach München nicht bereut und lobt die Münchner Kinolandschaft sowie das kollegiale Miteinander, das er mit anderen Kinobetreibern pflegt, nicht zuletzt mit Elisabeth Kuonen-Reich, die in der oberen Au am Rosenheimer Platz den Rio Filmpalast betreibt. »Man kennt und schätzt sich«, sagt Stolz, und kommt sich nicht in die Quere.
Gezeigt werden in den Museum-Lichtspielen vor allem Filme in der englischen oder amerikanischen Originalversion. Ohne Untertitel. Filme im Original zu zeigen war allerdings nicht die Idee von Stolz, bereits in den 1970er Jahren konzentrierten sich die Betreiber auf diese Sparte. Egal ob Arthouse, Animationsfilme oder Blockbuster – Stolz und sein Team zeigen ganz unterschiedliche Genres. Ebenfalls schon ziemlich lange gibt es ein regelmäßiges Programm für Kinder und Familien mit Filmen wie Die kleine Hexe oder Der kleine Drache Kokosnuss. In der Matineen-Reihe gibt es auch deutschsprachige Filme, ganz so streng nehmen es die Macher dann doch nicht.
Und wer kommt ins Kino? Neben Familien und Studenten schätzt vor allem ein internationales Publikum das Lichtspielhaus, wie Matthias Stolz erzählt. »Viele Leute, die in München arbeiten und aus der ganzen Welt kommen«, fasst er großzügig zusammen. Manche zieht ein auch ganz spezieller Programmpunkt an, der sogar in München-Reiseführern erwähnt wird: In den Herbst- und Wintermonaten, immer in den Nächten von Freitag und Samstag, bieten die Museum Lichtspiele ein ganz besonderes Spektakel: The Rocky Horror Picture Show. Das Musical mit dem berühmten Tim Curry wird als Mitspiel-Paket angeboten, mit Reis, Tröte und weiteren Utensilien, die mit dem Ticket direkt an der Kasse erworben werden können. In diesem Setting werden Junggesellenabschiede oder Partys für Vertriebsmitarbeiter abgehalten, Touristen kommen oder auch Münchner, die ihren Besuchern eine verrücktere Seite ihrer Stadt zeigen wollen, umschreibt Stolz das bunte Publikum. Stolz gibt bei der Inszenierung des Dauerbrenners, wo im Kinosaal Reis geworfen wird und sich das Publikum bei den einschlägigen Szenen Hütchen aufsetzt, womöglich seiner zweiten Leidenschaft Ausdruck, für die er sich privat stark macht, aber einige Verantwortung übernommen hat: Seit 2017 ist er Schatzmeister bei Narrhalla e.V., dem ältesten Faschingsverein Münchens. Das erklärt wohl auch, warum der Film in seinem Hause zum Kult geworden ist.
Wegen diesen Möglichkeiten zum vielfältig kulturellen Engagement fühlt sich der Heidelberger Matthias Stolz pudelwohl in München, das Kinomachen bleibt dabei natürlich seine erste Leidenschaft. Aber findet ein Profi wie er überhaupt die Zeit, selbst noch Filme zu sehen? Im laufenden Betrieb sei das schwierig, räumt Stolz ein, und im eigenen Haus komme er tatsächlich kaum dazu. Doch er schaut gerne bei seinen Münchner Kollegen vorbei, geht etwa den Berg hoch ins Rio oder besucht einen der anderen Kinobetreiber in der Stadt, die die Kinokultur pflegen.
Weil ja bald Weihnachten ist, wünscht sich Matthias Stolz nach dem heißen Sommer für die Museum Lichtspiele gutes Kinowetter für die Ferienzeit. Die tropischen Sommertemperaturen hatten zu einem Besucheransturm an der nahe gelegenen Isar und in die Biergärten geführt, nicht im Kino. Von dieser abträglichen Wetterlage muss man sich als Kino erst einmal erholen. Netflix dagegen sieht Stolz nicht als Konkurrenten, da ist er zuversichtlich, dass das Kino nicht vom Wohnzimmer verdrängt wird. Mit seinem Kinderfilm-Programm will er die Kinobesucher von morgen an die Kultur des Kinogehens heranführen. Einen Versuch ist es wert.
Literatur:
– »Neue Paradiese für Kinosüchtige – Münchner Kinogeschichte 1945 bis 2007«, hg. von Monika Lerch-Stumpf mit HFF München, Dölling und Galitz Verlag, 368 Seiten, 42 Euro.