Cinema Moralia – Folge 228
Als das Wünschen noch geholfen hat... |
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Wolfgang Beckers Good Bye, Lenin! (2003) | ||
(Plakat: DVD-Cover, Axel Timo Purr) |
»Du hast den Farbfilm vergessen!«
Nina Hagen
Es klingt wie ein Märchen: »Der deutsche Film kann auch anders« – das behauptet zumindest Josef Schnelle, Filmkritiker und Autor aus Köln.
Für den Deutschlandfunk hat er sich jetzt eine »Lange Nacht« lang mit dem Kino in der Wendezeit vor gut 30 Jahren beschäftigt. Am kommenden Wochenende ist sie – ab 19.09. um 23:05 Uhr – drei Stunden lang zu hören und dann für eine Woche lang im Archiv, auch für jeden herunterladbar.
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Es gibt wunderbare Stellen in diesem großen Drei-Stunden-Stück. Zum Beispiel dieser Kommentar von Leander Haußmann:
Also wenn'n Westler über den Osten einen Film macht, dann spielt dann natürlich nur Ostmusik. Das ist der erste Fehler, weil Ostmusik wurde im Osten nicht gehört. Also, das iss nun mal so. Auch auf Dachböden hätte sich kein Staatssicherheitsmann einquartieren können, weil die Dachböden waren einfach Orte, an denen man ein- und ausging. Da wurde die Wäsche aufgehängt.
Vor allem waren da oben die Antennen die in den Westen gerichtet wurden Also, da hätte kein Staatssicherheitsmann oben sitzen können das sind keine Fehler. Das sind Maßnahmen, die darf ein Filmemacher ja durchaus im Sinne der Story tun, aber er sollte dann nicht darauf bestehen, dass das sagen wir mal 'n authentischer Film über die DDR ist. Das würde ich ja auch nie sagen. Ich würd' immer sagen, das ist ein Märchen, das in unserer Erinnerung existiert.
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Im Ankündigungstext heißt es: »Ein guter Sohn gaukelt seiner Mutter aus lauter Liebe eine DDR vor, die so nie existiert hat. Zwei ungleiche Brüder – Kipp und Most – machen sich auf den Weg, um an der Ostsee ein – wie sie glauben – reiches Erbe anzunehmen. Ein sympathischer junger Mann will endlich die romantische Liebe finden, aber er sucht sich dafür absolut den Falschen aus und findet doch als ›bewegter Mann‹ für andere das Glück. Am kürzeren Ende der 'Sonnenallee' in Ostberlin fiebert eine Gruppe von Jugendlichen dem Abitur entgegen. Die Mauer steht noch. Kann man sie tanzend überwinden? Das kümmert den Kreuzberger Kieztroll Herrn Lehmann reichlich wenig, denn er sorgt sich um seinen Freund Karl, der im narkotisierten geschlossenen Paralleluniversum Frontstadtberlins verloren gegangen ist. Geschichten aus Deutschland, die eines gemeinsam haben: Sie waren Erfolgsfilme für ein Millionenpublikum und schufen Filmfiguren, die Kultstatus erreichten. Was war eigentlich los im deutschen Film vor 30 Jahren? Good Bye, Lenin! und Die innere Sicherheit, Sonnenallee und Herr Lehmann, Der bewegte Mann und Wir können auch anders verraten viel über den Zeitgeist zur Wendezeit. Der Schauspieler Joachim Król, der Autor Thomas Brussig und die Regisseure Wolfgang Becker, Leander Haußmann, Christian Petzold und Sönke Wortmann begleiten unsere wildromantische Revue, mit Einsichten und Aussichten und viel Musik über eine Zeit, als das Wünschen – zumindest im Deutschen Film – noch geholfen hat.«
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Schnelle fragt nach Zeitgeist und Kult, aber auch nach den Spuren der Geschichte im Kino. Er hat Interviews mit vielen Akteuren geführt.
Vor allem Leander Haußmanns Geschichte ist interessant – ein großer Unterschätzter des deutschen Kinos: Er war Matrose bei der NVA, ging dann auf die »Ernst Busch« in Berlin, bevor er Regisseur am Deutschen Nationaltheater Weimar wurde.
In der langen Nacht erzählt er sehr lustig von der Arbeit mit Autoren: »Die meisten Autoren, die ich
kenne, haben wirklich ›dicke Eier‹. Man kann sich nicht an den Schreibtisch setzen und denken, ochgottohgott ich kann es nicht oder so oder die Welt wird sowieso nicht zuhören, was ich hier zu erzählen habe oder so. Es ist genau das Gegenteil der Fall. Man hat es mit wahnsinnig egozentrischen Leuten zu tun und dann komm ich dazu, der auch nicht ohne eine Egozentrik ist und nicht ohne Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Das muss man irgendwie auf eine Reihe
bringen.«
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Natürlich kann man jetzt sagen: Der und der fehlt, oder Petzolds Die innere Sicherheit hat doch mit der Wende noch weniger zu tun, als Lola rennt. Und so weiter. Aber wie alle Filmkritik ist auch diese subjektiv. Gerade das beweist: Wir könnten auch anders!
(to be continued)