Cinema Moralia – Folge 242
Alle gegen alle |
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Stelle vakant |
»Die Geschichte wird durch Ungehorsam geschrieben.«
Auf einem Plakat griechischer Studenten, 2021»Die DFFB wurde vom damals regierenden Bürgermeister Willy Brandt nicht ins Leben gerufen, um als Geisel eines Aufsichtsgremiums und der Bürokratie zu verkommen. Die DFFB hat nicht die Aufgabe Profit zu erwirtschaften, eine bestehende Filmwelt zu reproduzieren und gängigen Industriekonventionen zu entsprechen.«
Studierendenvertretung der DFFB am 29.1.2021
An der dffb ist mal wieder ein Job frei. Zum dritten Mal in zehn Jahren sucht die »Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin«, die älteste deutsche Filmhochschule einen neuen Direktor. Ginge es um den Trainer eines Fußballvereins, würde man von einem Schleudersitz sprechen.
Ziemlich klamm und ziemlich heimlich hatten die Verantwortlichen um Interimsdirektorin Sandra Braun die Ausschreibung dieser zentralen Position platziert. Offenbar hatte man Angst, dass sich die bewerben würden, deren Bewerbung man auch diesmal nicht will. Auch die Bewerbungsfrist ist eng gesteckt, am 15.1. wurde bekanntgegeben, nur bis zum kommenden Sonntag können Bewerbungen eintreffen. Das ist für alle, die nicht schon vorher Bescheid wussten, eine Zumutung. Ein Verfahren, das schon jetzt, wenn es noch nicht mal richtig begonnen hat, für Unruhe sorgt und bei vielen den Eindruck hinterlässt, es gehe eben so weiter in der dffb, wie es die letzten gut zehn Jahre gegangen ist, und auch der nächste Direktor, wer immer es wird, wird nicht lange dort bleiben. Denn die eigentlichen strukturellen Probleme liegen tiefer.
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Im Managerdeutsch, also mit Gendersternchen, sucht man dort eine Doppelspitze, einen künstlerischen Geschäftsführer und einen kaufmännischen Geschäftsführer. Sie sollen als »gleichberechtigte Doppelspitze« die »gesamtunternehmerische Verantwortung« für die dffb tragen. Dies ist ein Novum und eine Umgestaltung. Denn bisher war der künstlerische Geschäftsführer, vulgo: der Direktor der dffb selbstverständlich ganz klar der kaufmännischen Leitung übergeordnet. Und mit Doppelspitzen gibt es nicht so viel Erfahrung, die ersten, die man gerade sammelt, geben nicht zu übertriebenem Optimismus Anlass.
Entscheidend ist hier die Frage: Wer hat die Macht? Wer wird im Fall eines Konflikts zwischen künstlerischer und kaufmännischer Leitung entscheiden können? Oder ist der künstlerische Leiter dem kaufmännischen, der die Hand auf dem Geldbeutel hat, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und am Ende von ihm abhängig? Denn Geld ist bekanntlich Macht.
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Schon jetzt wird das Verfahren von den Studenten bemängelt und intern kritisiert. In einem Brief, der »artechock« vorliegt und an den für die Ausschreibung und den Ablauf des Verfahrens letztendlich verantwortlichen dffb-Kuratoriumsvorsitzenden und Chef der Berliner Senatskanzlei, Christian Gaebler (SPD), gerichtet ist, kritisiert die gewählte Vertretung der Studenten (SV), dass Ausschreibungstexte »ohne Rücksprache« mit Studierenden veröffentlicht wurden.
Das kann nur Naive überraschen, die wirklich gegen alle Erfahrung am Glauben festhalten wollen, dem Kuratorium ginge es um das Wohl der Akademie und Einbeziehung der Studenten, wo doch die Abwicklung des Akademie-Charakters und die Reduzierung studentischer Mitsprache seit Jahren das erkennbare Hauptanliegen der qua politischem Amt oder als Filmfunktionäre Beteiligten ist.
Die SV wirft Gaebler in ihrem Brief vor, »nicht im Sinne Ihrer Wählerinnen und Wähler« zu handeln, und »Verschwendung von Steuergeldern für fragwürdige Machbarkeitsstudien« zu betreiben, und fordert eine neue transparente Ausschreibung, die ausreichend Zeit zwischen Stellenausschreibung und Einsendeschluss der Bewerbungen vorsieht, und »eine Mindestanzahl an qualifizierten BewerberInnen«.
Wie entschlossen die SV wirklich ist, muss man sich jedoch fragen, da eine Gaebler durch die SV gesetzte Frist seit Tagen verstrichen ist – ohne Konsequenzen.
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Das passt leider ins Bild. Die jüngeren unter dem traurigen Ex-Direktor Ben Gibson ernannten Studis haben sich von der Senatskanzlei erstmal über den Tisch ziehen lassen – auch weil sie einfach zu jung dabei und zu unerfahren sind, weil sie zwar souverän mit den modischen Begriffen akademischer Politik hantieren, mit Emotionen fuchteln, sich für vieles, aber mehrheitlich leider weder für Politik noch wirklich für Filmkunst interessieren, weil sie einen lahmen und stromlinienförmigen Eindruck machen – schon vor einem Jahr haben sie durch die Mitarbeit an Ben Gibsons Rausschmiß aus den falschen Gründen das Geschäft des Senats besorgt.
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Das neueste Instrument dieser von den Verantwortlichen gegen Studenten, Dozenten und Mitarbeiter in die Wege geleiteten grundlegenden Umgestaltung und Dekonstruktion der DFFB ist ein euphemistisch in schlechtem Neudeutsch »Changeboard« genannter Organisationskörper, dessen Arbeit auch nach Einschätzung der SV »völlig ins Leere« läuft.
Überraschend am Verhalten der Studis ist eher, dass sie sich auf ein derart plump als kunstfeindliches Effizenzsteigerungsinstrument erkennbares Managertool wie das »Changeboard« überhaupt eingelassen haben.
Dieses ist Teil des sogenannten »Change-Prozesses«, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.
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Vor gut zwei Wochen schrieb die Regisseurin und ehemalige dffb-Studentin Susanne Heinrich – die seinerzeit zu jener Gruppe von dffb-Studenten gehört hatte, die sich über ein Jahr lang erfolgreich gegen eine vom Senat und dem Kuratorium oktroyierte Neubesetzung des vakanten Direktoren-Postens widersetzten, bevor durch den als Verrat empfundenen Vertrauensbruch einer Dozentin die Ernennung des von Anfang an ungeliebten Ben Gibson möglich wurde – im Filmdienst einen Essay mit dem Titel »Die heimliche Transformation«.
Darin entwirft sie – vielleicht etwas zu paranoid und kapitalismuskritisch grundiert, aber im Kern sehr überzeugend – das Szenario einer Verwandlung der widerspenstigen dezidierten Kunstakademie dffb in ein zeitgeistiges »Trainingscamp fürs Post-Kino-Zeitalter«.
Tatsächlich sprechen der filmferne Rot-Rot-Grün-Senat und die amtierenden dffb-Funktionäre nie von Kunst, aber gern vom Mediencampus im brachliegenden Flughafen Tempelhof, wo am Ende auch die Berlinale und das Arsenal landen dürften – eine Art Avantgarde-Container im Nazi-Airport.
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Es sind strukturelle Probleme, allerdings haben auch diese oft Namen und Gesichter und sind personengebunden oder werden durch Personen ausgedrückt. Es ist aber nicht immer nur die Person des Direktors.
Über einzelne Dozenten wird gut begründet geklagt. Vor allem der Mittelbau, sowie die Postproduktion und die Festivalabteilung sorgen für die gerade herrschende grundlegend schlechte Atmosphäre. Studenten, die selbstständige Künstler werden sollen, werden autoritärer Kontrolle und unnötiger Bürokratisierung unterworfen – Deregulierung bedeutet eben nicht Liberalisierung, sondern mehr Kontrolle.
Studenten werden von subalternen dffb-Mitarbeitern mit Abmahnungen und Exmatrikulationsandrohungen konfrontiert,
Eine Selbstkritik seitens der Hochschule fehlt komplett.
Es ist ein schlechter, unangenehmer, autoritärer Ton, der an der dffb herrscht, geprägt durch Misstrauen seitens der Studenten, und Ignoranz, auch Arroganz seitens des Apparats.
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Die Unruhe an der dffb kommt zur Unzeit für einen SPD-Senat, der sich bereits auf den schwierigen Wahlkampf des laufenden Jahres vorbereitet, und die Sozialdemokraten vermutlich nach über 20 Jahren die Macht im Rathaus kosten wird – nicht nur weil der Wahlkampf durch die Doktor-Plagiatsaffaire der Spitzenkandidatin belastet ist. Schon der Vorgänger Gaeblers, Björn Böning, war vor Jahren von der komplizierten Gemengelage an der dffb überfordert gewesen, und hatte es sogar zulassen müssen, dass Gerichte auf das Ernennungsverfahren Einfluss nahmen, nachdem unter anderem eine Bewerbung widerrechtlich vordatiert und andere Vorschriften nicht eingehalten worden waren.
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Wir versprechen: Fortsetzung folgt!