11.02.2021
Cinema Moralia – Folge 242

Alle gegen alle

dffb job zu vergeben
Stelle vakant

Mal nicht Corona: Düpierte Kunst, mieser Ton, Dekonstruktion, aber kein Change an der DFFB und ein verräterisches Fallbeispiel für neue Tendenzen im deutschen Kino – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 242. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Die Geschichte wird durch Unge­horsam geschrieben.«
Auf einem Plakat grie­chi­scher Studenten, 2021

»Die DFFB wurde vom damals regie­renden Bürger­meister Willy Brandt nicht ins Leben gerufen, um als Geisel eines Aufsichts­gre­miums und der Büro­kratie zu verkommen. Die DFFB hat nicht die Aufgabe Profit zu erwirt­schaften, eine bestehende Filmwelt zu repro­du­zieren und gängigen Indus­trie­kon­ven­tionen zu entspre­chen.«
Studie­ren­den­ver­tre­tung der DFFB am 29.1.2021

An der dffb ist mal wieder ein Job frei. Zum dritten Mal in zehn Jahren sucht die »Deutsche Film- und Fern­seh­aka­demie Berlin«, die älteste deutsche Film­hoch­schule einen neuen Direktor. Ginge es um den Trainer eines Fußball­ver­eins, würde man von einem Schleu­der­sitz sprechen.

Ziemlich klamm und ziemlich heimlich hatten die Verant­wort­li­chen um Inte­rims­di­rek­torin Sandra Braun die Ausschrei­bung dieser zentralen Position platziert. Offenbar hatte man Angst, dass sich die bewerben würden, deren Bewerbung man auch diesmal nicht will. Auch die Bewer­bungs­frist ist eng gesteckt, am 15.1. wurde bekannt­ge­geben, nur bis zum kommenden Sonntag können Bewer­bungen eintreffen. Das ist für alle, die nicht schon vorher Bescheid wussten, eine Zumutung. Ein Verfahren, das schon jetzt, wenn es noch nicht mal richtig begonnen hat, für Unruhe sorgt und bei vielen den Eindruck hinter­lässt, es gehe eben so weiter in der dffb, wie es die letzten gut zehn Jahre gegangen ist, und auch der nächste Direktor, wer immer es wird, wird nicht lange dort bleiben. Denn die eigent­li­chen struk­tu­rellen Probleme liegen tiefer.

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Im Mana­ger­deutsch, also mit Gender­stern­chen, sucht man dort eine Doppel­spitze, einen künst­le­ri­schen Geschäfts­führer und einen kauf­män­ni­schen Geschäfts­führer. Sie sollen als »gleich­be­rech­tigte Doppel­spitze« die »gesamt­un­ter­neh­me­ri­sche Verant­wor­tung« für die dffb tragen. Dies ist ein Novum und eine Umge­stal­tung. Denn bisher war der künst­le­ri­sche Geschäfts­führer, vulgo: der Direktor der dffb selbst­ver­s­tänd­lich ganz klar der kauf­män­ni­schen Leitung über­ge­ordnet. Und mit Doppel­spitzen gibt es nicht so viel Erfahrung, die ersten, die man gerade sammelt, geben nicht zu über­trie­benem Opti­mismus Anlass.

Entschei­dend ist hier die Frage: Wer hat die Macht? Wer wird im Fall eines Konflikts zwischen künst­le­ri­scher und kauf­män­ni­scher Leitung entscheiden können? Oder ist der künst­le­ri­sche Leiter dem kauf­män­ni­schen, der die Hand auf dem Geld­beutel hat, auf Gedeih und Verderb ausge­lie­fert und am Ende von ihm abhängig? Denn Geld ist bekannt­lich Macht.

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Schon jetzt wird das Verfahren von den Studenten bemängelt und intern kriti­siert. In einem Brief, der »artechock« vorliegt und an den für die Ausschrei­bung und den Ablauf des Verfah­rens letzt­end­lich verant­wort­li­chen dffb-Kura­to­ri­ums­vor­sit­zenden und Chef der Berliner Senats­kanzlei, Christian Gaebler (SPD), gerichtet ist, kriti­siert die gewählte Vertre­tung der Studenten (SV), dass Ausschrei­bungs­texte »ohne Rück­sprache« mit Studie­renden veröf­fent­licht wurden.

Das kann nur Naive über­ra­schen, die wirklich gegen alle Erfahrung am Glauben fest­halten wollen, dem Kura­to­rium ginge es um das Wohl der Akademie und Einbe­zie­hung der Studenten, wo doch die Abwick­lung des Akademie-Charak­ters und die Redu­zie­rung studen­ti­scher Mitsprache seit Jahren das erkenn­bare Haupt­an­liegen der qua poli­ti­schem Amt oder als Film­funk­ti­onäre Betei­ligten ist.

Die SV wirft Gaebler in ihrem Brief vor, »nicht im Sinne Ihrer Wähle­rinnen und Wähler« zu handeln, und »Verschwen­dung von Steu­er­gel­dern für frag­wür­dige Mach­bar­keits­stu­dien« zu betreiben, und fordert eine neue trans­pa­rente Ausschrei­bung, die ausrei­chend Zeit zwischen Stel­len­aus­schrei­bung und Einsen­de­schluss der Bewer­bungen vorsieht, und »eine Mindest­an­zahl an quali­fi­zierten Bewer­berInnen«.

Wie entschlossen die SV wirklich ist, muss man sich jedoch fragen, da eine Gaebler durch die SV gesetzte Frist seit Tagen verstri­chen ist – ohne Konse­quenzen.

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Das passt leider ins Bild. Die jüngeren unter dem traurigen Ex-Direktor Ben Gibson ernannten Studis haben sich von der Senats­kanzlei erstmal über den Tisch ziehen lassen – auch weil sie einfach zu jung dabei und zu uner­fahren sind, weil sie zwar souverän mit den modischen Begriffen akade­mi­scher Politik hantieren, mit Emotionen fuchteln, sich für vieles, aber mehr­heit­lich leider weder für Politik noch wirklich für Filmkunst inter­es­sieren, weil sie einen lahmen und strom­li­ni­en­för­migen Eindruck machen – schon vor einem Jahr haben sie durch die Mitarbeit an Ben Gibsons Raus­schmiß aus den falschen Gründen das Geschäft des Senats besorgt.

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Das neueste Instru­ment dieser von den Verant­wort­li­chen gegen Studenten, Dozenten und Mitar­beiter in die Wege gelei­teten grund­le­genden Umge­stal­tung und Dekon­struk­tion der DFFB ist ein euphe­mis­tisch in schlechtem Neudeutsch »Chan­ge­board« genannter Orga­ni­sa­ti­ons­körper, dessen Arbeit auch nach Einschät­zung der SV »völlig ins Leere« läuft.

Über­ra­schend am Verhalten der Studis ist eher, dass sie sich auf ein derart plump als kunst­feind­li­ches Effi­zenz­stei­ge­rungs­in­stru­ment erkenn­bares Mana­ger­tool wie das »Chan­ge­board« überhaupt einge­lassen haben.
Dieses ist Teil des soge­nannten »Change-Prozesses«, der unter Ausschluss der Öffent­lich­keit statt­findet.

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Vor gut zwei Wochen schrieb die Regis­seurin und ehemalige dffb-Studentin Susanne Heinrich – die seiner­zeit zu jener Gruppe von dffb-Studenten gehört hatte, die sich über ein Jahr lang erfolg­reich gegen eine vom Senat und dem Kura­to­rium oktroy­ierte Neube­set­zung des vakanten Direk­toren-Postens wider­setzten, bevor durch den als Verrat empfun­denen Vertrau­ens­bruch einer Dozentin die Ernennung des von Anfang an unge­liebten Ben Gibson möglich wurde – im Film­dienst einen Essay mit dem Titel »Die heimliche Trans­for­ma­tion«.

Darin entwirft sie – viel­leicht etwas zu paranoid und kapi­ta­lis­mus­kri­tisch grundiert, aber im Kern sehr über­zeu­gend – das Szenario einer Verwand­lung der wider­spens­tigen dezi­dierten Kunst­aka­demie dffb in ein zeit­geis­tiges »Trai­nings­camp fürs Post-Kino-Zeitalter«.

Tatsäch­lich sprechen der filmferne Rot-Rot-Grün-Senat und die amtie­renden dffb-Funk­ti­onäre nie von Kunst, aber gern vom Medi­en­campus im brach­lie­genden Flughafen Tempelhof, wo am Ende auch die Berlinale und das Arsenal landen dürften – eine Art Avant­garde-Container im Nazi-Airport.

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Es sind struk­tu­relle Probleme, aller­dings haben auch diese oft Namen und Gesichter und sind perso­nen­ge­bunden oder werden durch Personen ausge­drückt. Es ist aber nicht immer nur die Person des Direktors.

Über einzelne Dozenten wird gut begründet geklagt. Vor allem der Mittelbau, sowie die Post­pro­duk­tion und die Festi­val­ab­tei­lung sorgen für die gerade herr­schende grund­le­gend schlechte Atmo­sphäre. Studenten, die selbst­stän­dige Künstler werden sollen, werden auto­ri­tärer Kontrolle und unnötiger Büro­kra­ti­sie­rung unter­worfen – Dere­gu­lie­rung bedeutet eben nicht Libe­ra­li­sie­rung, sondern mehr Kontrolle.

Studenten werden von subal­ternen dffb-Mitar­bei­tern mit Abmah­nungen und Exma­tri­ku­la­ti­ons­an­dro­hungen konfron­tiert,

Eine Selbst­kritik seitens der Hoch­schule fehlt komplett.

Es ist ein schlechter, unan­ge­nehmer, auto­ri­tärer Ton, der an der dffb herrscht, geprägt durch Miss­trauen seitens der Studenten, und Ignoranz, auch Arroganz seitens des Apparats.

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Die Unruhe an der dffb kommt zur Unzeit für einen SPD-Senat, der sich bereits auf den schwie­rigen Wahlkampf des laufenden Jahres vorbe­reitet, und die Sozi­al­de­mo­kraten vermut­lich nach über 20 Jahren die Macht im Rathaus kosten wird – nicht nur weil der Wahlkampf durch die Doktor-Plagi­ats­af­faire der Spit­zen­kan­di­datin belastet ist. Schon der Vorgänger Gaeblers, Björn Böning, war vor Jahren von der kompli­zierten Gemenge­lage an der dffb über­for­dert gewesen, und hatte es sogar zulassen müssen, dass Gerichte auf das Ernen­nungs­ver­fahren Einfluss nahmen, nachdem unter anderem eine Bewerbung wider­recht­lich vorda­tiert und andere Vorschriften nicht einge­halten worden waren.

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Wir verspre­chen: Fort­set­zung folgt!