Cinema Moralia – Folge 263
Wo bleibt der Kino-Booster? |
||
Die Berlinale findet statt: auch nicht so toll |
»In großem Maßstab geht es um das Projekt einer Industrialisierung des Bewusstseins. ... Es gibt keine Identität in der Isolierung.«
Alexander Kluge, 1985 über die »neuen« Medien und das Privatfernsehen»Die Berlinale hat ein neues Konzept entwickelt, um auch in Zeiten der Pandemie für die Kultur deutlich Flagge zeigen zu können und fokussiert deshalb auf Kinovorführungen in den Berlinale-Spielstätten.«
Pressemitteilung
Quizfrage: Wieso ist das Corona-Virus auf dem »European Film Market« aktiv, aber 100 Meter weiter im Berlinale-Palast nicht? Mag auch das Virus die Berlinale-Filme nicht?
+ + +
Die Berlinale ist unwichtig im Vergleich mit dem Medienstaatsvertrag. Darum fangen wir mit dem an, die Berlinale kommt dann weiter unten.
Das Wichtigste und die nackten Fakten zuerst: Erstmals ist der Entwurf zum Medienstaatsvertrag vorab ins Netz gestellt worden. Erstmals gibt es die Möglichkeit zu kommentieren und sich zu beteiligen.
Den Entwurf kann man auf der Webseite der Landesregierung von Rheinland-Pfalz nachlesen, downloaden und kommentieren.
Noch – nur noch!!! – bis zum 14. Januar kann sich jeder Bürger jetzt mehr oder weniger konstruktiv zu Wort melden und Kommentare zum Entwurf für den neuen reformierten Medienstaatsvertrag abgeben, der von der Rundfunkkommission der Bundesländer erarbeitet wurde.
Dies ist wichtig.
Denn der Medienstaatsvertrag stellt die Weichen, er gibt den Sendern Freiheiten, oder nimmt die an die Kandarre. Das ganze Gerede von »Trimedialität« und »Content-Netzwerk« nervt
alle, die in den Häusern wirklich arbeiten, es dient vor allem der Selbstdarstellung eitler Intendanten, die sich ein kleines persönliches Denkmal bauen wollen.
Die tatsächlichen Probleme bleiben dagegen in den allermeisten Fällen liegen. Sie drängen sich um ganz andere Fragen, unangenehm rechtliche. Zum Beispiel die Bedeutung der Kultur.
Zum Beispiel um die Frage, wie weit Fernsehsender eigentlich zur Förderung von Kinofilmen verpflichtet sind. Oder zu ihr verpflichtet werden sollen. Und wie weit sie von dieser Förderung selber profitieren dürfen. Genau das wird den Sender nämlich oft vorgeworfen: dass sie über den Umweg von abhängigen Untergesellschaften verbotene Zusatzfinanzierungen vornehmen, also zusätzliche Gelder fürs eigene Haus erschließen. Es gibt auch Redaktionen, die von Filmfördergeldern einen gewissen Satz direkt in die zuständige Redaktion abzweigen.
Es ist aktuell gängige Praxis, dass die Rundfunkanstalten aus ihren – gesetzlich vorgeschriebenen – Einzahlungen in die Filmfördertöpfe den Anspruch ableiten, ganz bestimmte selbst ausgewählte Filmprojekte von »ihrem« Geld zu fördern und Filmfördergelder insofern als Kofinanzierung eigener Projekte zu nutzen.
Hier sollte der neue Staatsvertrag sowohl dafür sorgen, dass es eine Verpflichtung (statt bisher: »Berechtigung«, wenn auch de facto Verpflichtung) zur Einzahlung und gleichzeitig den dezidierten Ausschluss eines Anspruchs auf eine Gegenleistung gibt. Die Unabhängigkeit der Produzenten und Urheber muss gewährleistet werden.
+ + +
Welche Filme soll das Fernsehen zeigen? Im Vergleich zu den oft monothematisch auf US-Produktionen fixierten Angeboten der nordamerikanischen Streaming-Portale liegt eine besondere Stärke der öffentlich-rechtlichen Sender darin, ästhetische Diversität praktizieren zu können. Sie können also deutschen und europäischen Filmen, sowie dem Kino aus Asien und aus der übrigen »Dritten Welt«, »dem globalen Süden« angemessene Sichtbarkeit verschaffen. Dies fügt sich gut zu dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender, deutsche und europäische Filme in ihrer ganzen inhaltlichen Breite und künstlerischen Vielfalt zu unterstützen.
Der Jetztstand ist aber tatsächlich traurig. Es werden kaum noch Filme im Fernsehen gespielt. Wenn dann zu beschämenden Zeiten.
Und was für Filme!
Alexander Kluge schrieb dazu bereits 1985: »Die Spielfilmkonserven die 100% der Kanäle zusätzlich zu den Nachrichten abspielen, mobilisieren konservative Gefühlswelten, die für jede politische Partei, die sich noch mit der Tatsachenwelt auseinanderzusetzen gedenkt, verheerend sind.«
+ + +
Befreit werden müssen auch die Mediatheken der Sender. Auch viele Urheber haben es längst begriffen: Mediatheken sind heute ein eigenständiges Medium, das eigenständigen Gebrauchsregeln unterliegt.
Da sie in direkter Konkurrenz zu den Streaming-Portalen und anderen Angeboten internationaler Medien-Konzerne stehen, sollten alle Beschränkungen, die für die öffentlich-rechtlichen Sender eine konkrete Behinderung bedeuten, abgebaut werden.
Selbstverständlich bedeutet dies im Gegenzug eine angemessene (!!!) Vergütung für die Produzenten und Urheber.
Hinzu kommt ein zweiter wichtiger Punkt: Was für die Mediathek produziert bzw. eingekauft wird, darf nicht nur der Fernsehlogik entsprechen.
Daher geht es darum, den Sendern möglichst umfassende Freiheit für die Gestaltung ihrer Mediatheken und Online-Angebote an die Hand zu geben.
+ + +
Der große Alexander Kluge, Filmregisseur und konkreter Denker, der in wenigen Wochen unfassbare 90 Jahre alt wird, war vor rund 40 Jahren einer der ersten, und einer der wenigen, die es begriffen hatten: Schon 1985 schrieb er in seinem nach wie vor sehr lesenswerten Text über »Die Macht der Bewußtseinsindustrie und das Schicksal unserer Öffentlichkeit« (in: Industrialisierung des Bewußtseins; Piper Verlag, München 1985), wie die ganzen klugen Leute, die er kennt, die neuen Medien und das Privatfernsehen damals unterschätzt haben und die radikale Veränderung der Öffentlichkeit, die mit ihnen einherging. Kluge beschreibt, dass »alle intelligenten Menschen, mit denen ich gesprochen habe«, »meine besten Freunde, dass die gesamte öffentliche Meinung sich in dieser Hinsicht in grober Weise täuschen.«
»Jetzt geht es darum, sozusagen ein Klein- und Mittelhirn, weitgehend automatisiert, die Motorik von Wirtschaftsströmen unterhalb des Bewusstseins steuern, nachzuentwickeln.« Es ist, als ob Alexander Kluge das Smartphone und die Algorithmen und die Verschmelzung von Körper und Maschine, die wir jetzt gerade gegenwärtig in vielen kleinen Details unseres Alltagslebens erleben, vorausgeahnt hätte.
Als ob er alles vorausgeahnt hätte: Kluge schreibt damals, dass die Öffentlichkeit als Ganzes immer mehr zu einer regulativen Idee wird. Er schreibt, dass die Öffentlichkeit in Teilöffentlichkeiten zerfällt. »Jede Minderheit baut sich ihr separates Lager.« Diese Heerlager sind genau das, was wir heute Filterblasen nennen.
+ + +
»Das meiste in der Sache der neuen Medien geschieht nichtöffentlich. Laien können die Kommuniques, z.B. das der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder vom 23.2 1984, so wenig entschlüsseln, wie sie das bei einem sowjetischen Parteitagsdokument könnten.« (A.K.)
Trotzdem: Nur Mut zur Beteiligung! Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt es so viele, wie Gründe zur Kritik. Man muss nicht der infamen Propagandaphrase von der »Lügenpresse« aufsitzen, man muss nicht glauben, dass »alle Mainstream-Medien unter einer Decke stecken«, um an den Öffentlich-rechtlichen viel auszusetzen zu haben. Und wer monatlich Rundfunkbeitrag zahlt – und das ist nötig und richtig so! –, hat natürlich alles Recht, das Programm von ARD, ZDF, 3sat und arte und allen öffentlichen Radiosendern zu bewerten und zu kritisieren.
+ + +
Um das für die Sender besonders lästige Thema Rundfunkbeitrag geht es übrigens hier dezidiert gar nicht. Das soll erst später angegangen werden. Die Definition des Auftrags und der Struktur soll vor der Finanzierung kommen. Und auch das ist gut so.
+ + +
Man darf sich schon wundern: Das eine Festival dauert normalerweise fünf Tage. In diesem Jahr wird es auf zehn Tage erweitert, um den Besuch zu entzerren – natürlich wegen Corona. Das andere Festival dauert normalerweise elf Tage. In diesem Jahr ist es auf sechs Tage zusammengestaucht – auch hier wegen Corona.
Wo ist hier das Konzept? Wo ist hier die Pandemie-bedingte Notwendigkeit? Wo der logische Zusammenhang? Es sind eher Capricen und Verrücktheiten, die hier zu Tage treten, Egos, Emotion und Unvernunft die sich Bahn brechen, um die eigene innere Unsicherheit zu besänftigen.
Das eine Festival heißt Festival Max-Ophüls-Preis, und findet in Saarbrücken statt, das andere ist die Berlinale. Beim Festival Max-Ophüls-Preis ist zumindest der Wille erkennbar, das Festival in jedem Fall vor Ort mit Menschen mit dem normalen Publikum durchzuführen. Beim angeblichen Publikumsfestival Berlinale – dass dieses Etikett der Selbstvermarktungspropaganda noch nie gestimmt hat, erkennt man jetzt glasklar – ist genau dieser Wille nicht zu sehen. Erkennbar
ist nur der unbedingte Wunsch der Risikovermeidung.
Irgendwie ist das alles wahnsinnig. Oder was soll man davon halten?
+ + +
Schon klar: Diese Pandemie wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Also auch nicht der Berlinale. Aber Journalisten müssen nicht dann viel anziehen und das sagt die Fakten halten. Und die sind halt nicht annähernd so schön, wie sie in den Berlinale Pressemitteilungen klingen sollen.
+ + +
»Die Berlinale hat ein neues Konzept entwickelt, um auch in Zeiten der Pandemie für die Kultur deutlich Flagge zeigen zu können und fokussiert deshalb auf Kinovorführungen in den Berlinale-Spielstätten.« Hey wow! Die hippe Berlinale hat ein neues Konzept und wird jetzt noch besser, noch geiler, noch mehr dufte!
Flagge für die Kultur in Pandemiezeiten. Darum wird verkürzt, reduziert, dichtgemacht und getestet bis der Arzt kommt, äh beziehungsweise halt gerade nicht...
Allein schon dieser verkrampfte, verquast um den heißen Brei – Absage! Verkürzung! – herumwabbelnde Formulierungsstil spricht Bände: »Das Angebot des seit Jahren sehr beliebten 'Publikumstags' wird 2022 auf vier Tage erweitert«. Nicht vier Publikumstage, sondern ein viertägiger Tag. Darauf muss man auch erstmal kommen.
+ + +
»Pandemiebedingt werden Partys und Empfänge nicht stattfinden können« – det wolln ma dochmal sehn.
+ + +
Wie verantwortlich ist es, die Berlinale stattfinden zu lassen? Ich glaube, man sollte sie in jedem Fall stattfinden lassen. Denn ich glaube, wir alle, insbesondere der Kulturbetrieb, insbesondere wir Menschen aus den Wohlstandsländern, insbesondere wir eher gebildeten, eher bürgerlichen, eher wohlhabenden Schichten dieser Wohlstandsländer, wir alle also müssen ins Risiko gehen.
Wir wissen, dass wir alle uns früher oder später infizieren müssen. Wir wissen, dass das Coronavirus uns nicht verschonen wird; wir wissen aber auch, dass uns als Geimpften und Geboosterten die Omikron-Variante nicht sehr gefährlich wird.
Die Filmbranche weiß das. Sie wollten kommen, wie EFM-Direktor Dennis Ruh berichtet: »Das große Bedürfnis nach physischer Begegnung der Vertriebsbranche zeigte sich in der sehr starken Buchungslage von Standflächen, Markt-Akkreditierungen und physischen Marktvorführungen.« Trotzdem wird EFM jetzt rein digital abgehalten.
Wie die ganze deutsche Gesellschaft in anderen Dingen setzt auch die Berlinale nicht auf Selbstverantwortung. Sie setzt auf Bevormundung; sie will klüger sein, als die Menschen, die sie angeblich schützen möchte. Tatsächlich geht es nicht um Schutz, die Berlinale hat vor allem Angst. Angst, in die Verantwortung gezogen zu werden. Darum schreibt sie den Menschen, die nach Berlin kommen wollten, die ins Kino gehen wollten, die den Markt besuchen wollten, die dafür bereits Flüge und Hotelzimmer oder Apartments gebucht hatten, vor, dass sie all das nicht dürfen. Dass sie sich noch mehr schützen müssen, als sie sich bereits geschützt haben, obwohl sie das offensichtlich gar nicht tun wollen.
Bitte nicht missverstehen: es geht in keiner Weise darum, hier Impfgegnern oder Pandemie-Maßnahmen-Verweigerern das Wort zu reden. Es geht nur um Selbstverantwortung. Es ist klar, dass jeder, der in die Berlinale überhaupt hinein kommen würde, mindestens zweimal geimpft ist, vielleicht auch geboostert und getestet. All das ist machbar und möglich, das haben die Festivals von Cannes und Venedig und andere längst bewiesen.
Man muss es nur wollen. Man muss es allerdings auch
wollen. Und die Berlinale will es offensichtlich nicht, das zeigen ihre Taten und nur um die geht es – nicht um die schönen Worte.
+ + +
In einem kleinen feinen Text hat Hanns-Georg Rodek zum Jahresauftakt in der Welt über die Berlinale geschrieben. Er konstatiert das Offensichtliche: Alle Festivals haben abgesagt. Sundance hat abgesagt, Palm Springs, Rotterdam. Nur die Berlinale will stattfinden. »Trotzig«, schreibt er.
Er konstatiert auch: die Berlinale im letzten Jahr im Sommer war ein totaler Reinfall. Rodek drückt dies, wie es so seine Art ist, höflicher aus, aber er trifft den Kern der Sache: »Im öffentlichen Bewusstsein hat es die 71. Berlinale nicht gegeben.«
Und weiter: »Die Kultur wird nicht mehr als erste zugemacht werden. Das ist lebenswichtig für die Berlinale, deren Status als eines der drei bedeutendsten Filmfestivals der Welt schon vor Corona Risse bekam. Ein zweites Mal auszufallen, wäre für sie existenzbedrohend.«
Ich kenne Menschen, die auf diesen letzten Satz so reagiert haben, dass sie erwiderten: Wovon schreibt er? Das Virus ist existenzbedrohend. Die Berlinale ist mir wurscht.
Auch diese Position kann ich verstehen. Trotzdem: Wir können nicht immer nur an Gesundheit und Sicherheit denken.
+ + +
»Vorrang hat bei allen Veranstaltungen die Sicherheit des Publikums und die strenge Einhaltung der geltenden Hygiene-Regeln.« Auf Englisch klingt alles strenger: »Die Gesundheit und Sicherheit des Publikums bei allen Veranstaltungen und die strikte Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften haben weiterhin oberste Priorität.« Die Kultur hat keine Prioriät. Das immerhin ist unmissverständlich.
+ + +
Sie kommt häppchenweise, die Absage der Berlinale. Jeden Tag ein kleines Bröckelchen – und man glaubt eigentlich nicht, dass mit der heutigen Pressemitteilung schon das Ende ist.
Erst der EFM, dann der Coproduktionsmarkt, diverse Partys und Veranstaltungen, und heute dann das Programm.
Noch ist die Messe nicht gelesen. In einer Pressemitteilung baut die Akademie der Künste geschickt einer solchen immer noch möglichen Komplettabsage der Berlinale vor und begrüßt die, wie es heißt »Entscheidung der Berlinale, als Präsenzveranstaltung stattzufinden«.
Akademie-Präsidentin Jeanine Meerapfel unterstützt die heute bekanntgegebene Entscheidung der Berlinale als wichtiges Signal für Filmschaffende, das Kino hierzulande und darüber hinaus: »Wir brauchen diesen Diskursraum, und ich freue mich auf die Begegnungen mit Filmen. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Akademie der Künste für die Priorität von Kunst und Kultur bei der Entwicklung von Öffnungskonzepten eingesetzt, wirksame Hygienemaßnahmen erarbeitet und die freie Szene nach Möglichkeiten unterstützt. Trotz der steigenden Fallzahlen bleiben die Kultureinrichtungen mit allen Vorsichtsmaßnahmen geöffnet. Kulturelles Erleben und künstlerisches Produzieren sind von unschätzbarem Wert für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für Filme (und für die Berlinale) ist die Präsenz des Publikums wichtigste Voraussetzung. Filme brauchen das Kino und die Zuschauer die große Leinwand. Erst dann wird Film lebendig. Gemeinsames Erleben und ein achtsamer Umgang miteinander gehören zusammen – in der gegenwärtigen Zeit vielleicht mehr als je zuvor.«
Auch in diesem Jahr ist die Akademie der Künste Spielstätte der Berlinale.
+ + +
Dazu passt eine andere Meldung, die in der deutschen Kulturpresse leider ein bisschen untergegangen ist. Über vierhundert Unterzeichner aus der Kulturszene haben sich nämlich in einem offenen Brief an die zukünftige Bürgermeisterin Franziska Giffey bereits vor deren Amtsantritt am 21.12.2021 besorgt über die Baupolitik der Hauptstadt geäußert. Sie beklagen die Intransparenz, mit der der Nachfolger der scheidenden Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bestimmt wird und fordern ein »offenes und transparentes Verfahren«. Berlin brauche einen Kandidaten, der für ein »liberales Architekturverständnis« und eine bodenpolitische Wende stehe und den Stopp der Privatisierung landeseigener Liegenschaften weiterverfolge. Den Brief haben zahlreiche Architekten wie Sauerbruch + Hutton, der Architekturtheoretiker Werner Oechslin, der Kunsthistoriker Adrian von Buttlar und Hamburgs ehemaliger Oberbaudirektor Jörn Walter unterschrieben.
+ + +
Keine Krise kennt im Gegensatz zu Berlin das Kino Saudi-Arabiens. Wie das Branchenmagazin Variety meldet, setzte Saudi-Arabien im vergangenen Jahr sein exponentielles Wachstum fort. Einnahmen in Höhe von 238 Mio. $ bedeuten eine quasi-Verdoppelung (95 % Zuwachs) im Vergleich zu 2020. Fast verdoppelt hat sich in dieser Zeit auch die Zahl der Kinos mit mehreren Leinwänden von 33 auf 53 Standorte. Saudi-Arabien verfügt damit inzwischen über 430 Kinosäle und hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 2.600 Kinosäle zu betreiben! Mehrere Analysten, darunter PwC, gehen davon aus, dass sich Saudi-Arabien in den nächsten Jahren zu einem milliardenschweren Kinomarkt entwickeln wird.
Erst vor vier Jahren hob das autoritäre Königreich ein 35 Jahre altes Kinoverbot auf, und wuchs schnell zum wichtigsten Kinomarkt des Nahen Ostens. Allerdings sind im traditionellen Kinoland Ägypten die Einnahmen durch Corona bedingt um 80 Prozent gegenüber der Vor-Pandemie-Zeit gefallen.
Insgesamt starteten 2021 in Saudi-Arabien 340 neue Spielfilme – auch ein deutlicher Zuwachs gegenüber den 222 Filmen des Jahrs 2020. Der umsatzstärkste Titel war eine ägyptische Komödie: »Waafet Reggaala« (»A Stand Worthy of Men«), die über 15 Millionen Dollar einspielte. Wie in vielen anderen Ländern war auch in Saudi-Arabien der umsatzstärkste Hollywood-Titel Spider-Man: No Way Home (11,2 Mio). Unter den Top-Ten finden sich mit »Mesh Ana« (»Not Me«) und »Mama Hamel« (»Mom Is Pregnant«) weitere Filme aus Ägypten, das sich damit als das künstlerisch wichtigste Kinoland des arabischen Sprachraums erweist.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Region sind die Eingriffe der staatlichen Zensur in Saudi-Arabien besonders rabiat: Der Marvel-Film Eternals wurde verboten, weil er einen schwulen Superhelden zeigt. Ebenso Steven Spielbergs Remake der »West Side Story mit einer transsexuellen Figur. Hollywood-Filme, die religiöse oder politische Themen, Sex und Homosexualität behandeln, werden in der Region entweder hart gekürzt oder komplett verboten.«
(to be continued)