Cinema Moralia – Folge 265
Wer nicht mag, geht nicht hin |
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Als Screener oder im Kino? François Ozons Berlinale-Eröffnungsfilm Peter von Kant | ||
(Foto: Berlinale Presseservice) |
»Es gibt Genüsse, die von der Wiederkehr leben. Das sind die ewigen Genüsse. Spargel zum Beispiel, den schon Juvenal bejubelte. Oder diese langen Abende auf Westberliner Balkons, an denen wir noch einmal WG spielen, diese alten Abende wieder holen, an denen sich westliche Schärfe mit östlichem Zeitgefühl zu mischen lernten, im Schutze der Mauer und subventionsgestützt: Das war nicht Westbindung, das war nicht Verostung, das war menschliches Maß. Und diese Gespräche auf Westberliner Balkons, in der mentalen Mitte zwischen Paris und Omsk, Kirschgarten und schmutzigen Händen, Habermas und Oblomov – die sind wie guter Spargel. ... Später erst bereden wir den Abfall Brandenburgs, die taz-Krise und die Globalisierung. Jetzt wird es aber Zeit für die Kerzen, noch einmal zischt die Butter, aus der Wohnung kommt das B-Dur-Klavierkonzert, Andante, und bis zu den Erdbeeren ist es noch sehr weit.« – Matthias Greffrath
Nur für all die, die es noch nicht mitbekommen haben: Der Karrierist ist jetzt zum Gärtner gemacht worden. Björn Böhning (SPD), einst im Berliner Senat für Film zuständig und inhaltlich komplett inkompetenter Manager der vorletzten Neubesetzung des dffb-Direktoriums, zuletzt dann Staatssekretär im Finanzministerium unter Olaf Scholz, geht als Geschäftsführer zur Produzentenallianz. Nach bisheriger Erfahrung kann der Mann auf dem Gebiet des Films nicht viel, aber er kann Karriere machen. Was Böhning auch gut kann: seine Inkompetenz bei öffentlichen Auftritten weglächeln.
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Dass wir hier noch mal die Berlinale in Schutz nehmen würden – wer hätte das gedacht? Corona sei Dank, uff!!
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Der »Extremismus der Mitte«, den Gesellschaftswissenschaftler seit bald 30 Jahren zunehmend gerade unter Wohlstands- und Bildungsbürgern konstatieren, hat neben politischen auch kulturelle Seiten. Und keiner sollte sich vorschnell über diese erhaben fühlen. Es ist ein Extremismus des Biedermeier, eines neuen Biedermeier. Ein Extremismus kultureller und sozialer Blasen, die den Realitätsbezug und Geschmackssinn durch ein gutes Gewissen ersetzen.
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Es ist eine solche, sich selbst für ganz harmlos und menschenfreundlich haltende Haltung, die sich in diesen Tagen vor allem in Kreisen von insbesondere Berliner Filmkritikern äußert.
»Wie im falschen Film« fühlte sich die für Film zuständige Redakteurin von »Zeit-online« bereits am 19. Januar. In ihrem Text kommentierte sie die doch eigentlich selbstverständliche Entscheidung, ein internationales Festival in Präsenz in Berliner Kinos stattfinden zu lassen, mit einem »Echt jetzt?«
Die Autorin schreibt »Die Qualität eines Films hängt nicht nur an seinem Abspielort.« Was ja niemand behauptet hat. Umgekehrt gibt sie dem Gedanken keinen Raum, dass die Qualität der persönlichen Filmerfahrung nicht nur am Film hängen könnte, sondern auch an der Form, wie und mit wem dieser rezipiert wird.
Sie sehnt sich stattdessen nach einem »digitalen Ausweich- oder Hybridkonzept für den internationalen Wettbewerb oder die Galaevents der Berlinale-Special-Reihe im
Friedrichstadtpalast« und resümiert »Es klingt wie Hohn.«
Tatsächlich klingt dieser Text wie Hohn auf die von der Autorin ausgeübte Profession. Da ist eine Frau Redakteurin für Film, kann oder will aber offenkundig nicht einmal ein Kinofilmfestival von einem Fernsehfestival unterscheiden, oder einen im Kino auf Leinwand, womöglich sogar von analogem Filmmaterial, projizierten Film von den digitalen Pixeln im Computer oder Fernsehbildschirm. Oder die Vorführung vor einem Publikum, das aus lauter im dunklen Saal zusammensitzenden Fremden besteht, von dem Zustand als einsame Couch-Potato zuhaus. Oder die Festival-Erfahrung des lebendigen Austauschs zwischen fremden Zuschauern von dem neuesten Post auf einem sozialen Netzwerk.
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Ähnlich dann an diesem Dienstag. Da gibt es einen auch verschriftlichten und daher nachlesbaren Kommentar einer freien Mitarbeiterin beim RBB-Kulturradio, der mit der markigen Schlagzeile betitelt ist: »Sagt die Berlinale ab!« Ein bisschen klingen ihre weiteren Ausführungen erstmal so, als sei die Autorin traurig, dass sie sich nach zwei Jahren bequemem Homeoffice, während denen die Verleiher sie mit Gratis-Streams belieferten, wieder mal ins Kino schleppen muss.
Dann aber wird der Ton schriller: »grob fahrlässig ... Ein Schlag ins Gesicht derer, die sich die letzten zwei Jahre in Solidarität geübt und an die Regeln gehalten haben« sei eine Präsenzberlinale. Und allen Ernstes wird von der Autorin behauptet, die Tatsache, dass es dazu kein paralleles Onlineangebot geben werde, sei »Realitätsverweigerung«. Als Journalist auf die Berlinale zu gehen, sei »wie Russisch Roulette spielen«. »Zu spielen« müsste es heißen. Ist aber auch sachlich Quatsch.
Im Ernst: Welcher Realität verweigert sich denn hier die Berlinale? Der Realität einer Pandemie, die im Abklingen ist, bei der die Intensivbetten trotz Abbau der Bettenzahl längst nicht mehr überlaufen und in der Infektionszahlen nicht mehr aussagekräftig sind? Der Realität der internationalen Filmproduktion und der Filmdistribution? Oder einfach der Realität der Autorin, die ihr Haus nicht verlassen möchte oder die Online-Streams einfach bequemer findet?
Und wem schlägt das Festival ins Gesicht? All den Filmschaffenden, die danach dürsten, ihre Werke vor Publikum vorzuführen, und all jenen professionellen und nichtprofessionellen Zuschauern, die den Besuch im Kino genießen und sich geimpft, geboostert, getestet und auf Abstand im Schachbrettmuster sitzend sicher und wohlfühlen und sich dieses Gefühl nicht von Panikmachern vermiesen lassen wollen – vielleicht gerade nach zwei Jahren Pandemie?
Nein! Wenn ein Präsenz-Festival überhaupt »ein Schlag ins Gesicht« von irgendwem ist, dann vielleicht ins Gesicht eben dieser Panikmacher. Ein Schlag ins Gesicht all der Kino-Verächter, für die der Ort der Rezeption immer schon egal war, die das Kino und das Filmschauen mit Mitmenschen nicht schätzen können.
Diese Panikmacher dürfen gerne zu Hause bleiben und warten, bis der Film auf DVD rauskommt.
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Aber von der Kritik an den einzelnen Texten mal abgesehen, zunächst eine Beobachtung: Der RBB ist Medienpartner der Berlinale, genauso der Holtzbrinck-Verlag, bei dem »Die Zeit« erscheint. Ausgerechnet bei diesen Medienpartnern erscheinen derartige Texte, die nicht etwa mit besseren oder schlechteren Argumenten das Programm kritisieren, sondern in denen sich Filmjournalisten als Pandemie-Experten aufspielen und den Komplettstopp einer öffentlich geförderten Kulturveranstaltung fordern. Man kann das gut finden und sagen, dies zeige doch, wie frei die deutsche Presse ist. Stimmt! Man kann aber auch resümieren: Die Medienpartner der Berlinale beschädigen das Festival.
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Wäre es nur eine einzelne Stimme, oder zwei, könnte man sie ignorierend übergehen. Was sich aber in diesen zwei öffentlichen Stimmen äußert, spiegelt eine grassierende grundsätzliche Haltung, die Haltung einer starke Minderheit, womöglich schweigenden Mehrheit unter den die Filmkritik flankierenden Medienjournalisten, die sich in persönlichen Gesprächen zu Wort melden, am Rande von Pressevorführungen herumgrummeln oder mit den Berlinalemitarbeitern Debatten über Teststrategien und Sicherheitskonzepte führen. Es ist das Juste-Milieu des deutschen Journalismus. Ein Milieu, das vor allem im eigenen Saft schwimmt und sich von der Welt da draußen ungern irritieren lässt, dieser Welt dann aber gern »die Welt wie sie eigentlich ist« erklärt.
Was daran am meisten nervt, ist gar nicht mal der unselige Jammerton und die Bedenkenträgerei. Es ist die dahinterstehende absurde Anspruchshaltung, die mit einer Verachtung für das Kino einhergeht, und oft genug der Unfähigkeit, den Unterschied zwischen Kino und Stream/Fernsehen überhaupt wahrzunehmen.
Ich sehe überhaupt nicht, worauf Filmkritiker einen Anspruch begründen sollten, im Fall der von ihnen selbst aus welchen Gründen auch immer verantworteten Absage eines
Festivalbesuchs oder umgekehrt des Festivals selbst, einen Online-Zugang zu irgendwelchen Filmen zu bekommen.
Angeführt wird da gern die prekäre ökonomische Lage mancher Kritiker. Aber es gab auch »vor Corona« Menschen, die aus gesundheitlichen oder ökonomischen oder politischen oder einfach persönlichen Gründen nicht nach Berlin reisen konnten. Obwohl es auch in solchen Fällen gute oft bessere Gründe gab, um so etwas zu bitten, hatten auch sie selbstverständlich keinen Anspruch auf Online-Besuch des Festivals – was immer das sein könnte.
Sondern es ist dann eben so. Pech,
schade. Aber nicht zu ändern.
Die Forderung nach Streamer-Zugängen zu Filmfestivals, die jetzt aus Kritikerkreisen zu hören ist, ist absurd. Ein Festival, das parallel oder komplett online stattfindet, entwertet die Kinosichtung und beschädigt die Idee eines Festivals nachhaltig. Und damit auch zumindest meine Vorstellung von Filmkritik.
Denn so gern ich gute Streaming-Angebote sehe: Wenn Filme fürs Kino gemacht sind, sollten sie auch im Kino gesehen werden. Alle Formen von Online/Stream/Hybrid/Screener sind in diesem Fall nur Notlösungen.
Die Berlinale 2021 fand in einer völlig anderen Pandemie-Situation statt als die diesjährige. Die Kinos waren geschlossen. Der Lockdown war allgemein.
In dieser Situation war eine Online-Berlinale eine akzeptable Notlösung. Sie hat den beteiligten Filmen trotzdem geschadet, und
manche Filme, die in Pressevorführungen im Kino gezeigt wurden, haben davon profitiert. Dies war aber die Option einer Ausnahmesituation.
Heute kann diese nicht wiederholt werden, schon weil viele Rechteinhaber aus guten Gründen einer Online-Berlinale gar nicht zustimmen würden.
Leider gibt es schon in der Praxis des Kinoalltags viel zu viele Pressescreener, und Kollegen, die solche fordern, wenn sie es mal wieder »leider nicht ins Kino geschafft« haben. Viele
Verleiher/Weltvertriebe/Agenturen stellen Journalisten, die sie kennen, solche Screener übrigens natürlich längst auch vor der Berlinale zur Verfügung. Aber zur Regel sollte das nicht werden, auch nicht in der Pandemie, und es ist unsere Aufgabe als Filmkritiker, die sich und das Medium Kino ernstnehmen, hier an ästhetischen Prinzipien festzuhalten, die wir sonst doch auch gern einfordern.
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Das alles ist auch unsachlich. Der Virologe Christian Drosten, lange der Heros aus dem »Team Vorsicht«, plädiert seit Wochen für vorsichtige Lockerungen und sieht, ähnlich wie seine Kollegen, das Ende der pandemischen Lage in Sicht, Dänemark macht komplett auf und schafft auch alle Maskenzwänge ab, England sowieso, in Spanien setzt man das Virus mit der Influenza gleich – nur das Berlin-Mitte-Deutschland hält dicht.
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Das alles kann einen wütend machen. Es macht vor allem traurig. Denn diese Kritiker beschädigen sich vor allem selber. Sie ziehen sich den Boden unter den Füßen weg.
Nun bleibt es jedem unbenommen, keine Lust zu haben, auf die Berlinale zu gehen, und zu beschließen, persönlich die Berlinale zu meiden. Die Frage ist bloß, wieso man den Rest der Gesellschaft dazu zwingen muss, die eigene Haltung zu übernehmen, und nicht das zu machen, was man selber offenbar nicht gerne machen würde.
Es ist mir komplett unverständlich, wieso immer wieder und immer noch in Deutschland Menschen glauben, dass alle sich so benehmen müssen wie sie selber und dass an
ihrem Wesen die Welt genesen muss.
Man ist auch erstaunt über das Selbstbewusstsein von Leuten, die es nicht anzufechten scheint, dass es ja so etwas wie wissenschaftlich abgesicherte Pandemie-Maßnahmen und Verhaltensempfehlungen gibt, nach denen das Leben in Deutschland in den letzten zwei Jahren organisiert ist, egal ob die einzelnen Bürger nun jede Maßnahme verstehen oder akzeptieren. Diese Maßnahmen gelten auch für die Berlinale. Genau genommen hat diese noch ein paar zusätzliche Maßnahmen wie eine
tägliche Test-Pflicht für alle Berlinale-Akkreditierten eingeführt.
Natürlich ist das alles nicht genug, wenn man sich so absolut schützen möchte, dass man das Haus nur noch verlässt, um schnell im Supermarkt die Dosenravioli und das Klopapier einzukaufen. Bio versteht sich. Die löffelt man dann vor dem neuesten Netflix-Stream.
Das kann ja auch jeder tun. Wer nicht mag, geht nicht hin. Nur muss es den Rest der Welt nicht weiter angehen. Schon gar nicht die Berlinale.
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Mich nervt auch die tägliche Testpflicht für Geboosterte, von mir aus könnte man darauf und auf manches andere verzichten, und einfach ein Festival durchführen. Jeder Kritiker wie jeder andere Gast nimmt an derartigen Veranstaltungen letztlich auf eigenes Risiko teil. Wir sind alle erwachsene Menschen, die für uns selbst verantwortlich sind und entsprechend handeln können.
Aber die Berlinale sieht es enger und verhält sich sehr deutsch, also übervorsichtig und
»sicherheits«-fixiert. Das macht den Alltag etwas unangenehmer, aber damit kann ich leben und finde, wir Filmkritiker können und sollten das aushalten.
Denn ein Festival, das hybrid oder gar nur digital stattfindet, findet quasi nicht statt. Ein Festival im Kino ist dagegen ein begrüßenswertes Signal für das Medium Kino.
Im vergangenen Jahr 2021 fand die Berlinale notgedrungen als sogenanntes Hybrid-Festival statt. Das wurde von den gleichen Leuten, die die Berlinale jetzt dichtmachen wollen, als »Sommermärchen« gelobt – dabei war es eine traurige Veranstaltung, die weder online noch analog funktionierte und innerhalb der Branche hart kritisiert wurde. Nicht öffentlich, aber intern. Es gab schon im vergangenen Herbst Gespräche mit Verleihen und Kinobetreibern über die gemachten
Erfahrungen und potenziellen Verbesserungen, bei denen sich die Berlinale-Leitung viel Kritik über ihr schlechtes (wenn auch von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters erzwungenes) Krisenmanagement anhören musste.
Jetzt hat die Berlinale-Leitung aus dieser Kritik gelernt und Konsequenzen gezogen – und ausgerechnet dafür werden sie jetzt von Kritikern angegriffen, denen es nicht gemütlich und sicher genug zugeht.
Stattdessen sollte das Bekenntnis der Berlinale zum Kulturort Kino als dem privilegierten, besten und normalen Ort für das Ansehen eines für eben diesen Ort eigens hergestellten Werks von Filmkritikern gefeiert und nicht kritisiert werden.
Die Anstrengung der Berlinale, überhaupt ein analoges Festival durchzuführen, muss man unbedingt unterstützen.
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Langsam, ganz allmählich darf man auch in Bezug aufs BKM die Samthandschuhe ablegen und beginnen, sich auch öffentlich ein Urteil über die neue Kulturstaatsministerin zu bilden. Bisher hat man von ihr außer gut gelaunten und sehr allgemein formulierten Bekundungen zur Berlinale nichts zum Thema Film gehört. Dagegen ist erstmal nichts zu sagen – siehe oben –, aber es genügt natürlich nicht. Es gibt im Bereich der Filmkunst und -kultur ungemein viel zu tun. Mag im Fußball
die Regel »Geld schießt keine Tore« auch eine schöne Mär sein, so trifft sie in der Kunst tatsächlich zu. Der beste Beweis dafür ist der Zustand des deutschen Kinos.
Die Finanzspritzen unter Claudia Roths Vorgängerin Monika Grütters haben »nicht bewirkt, dass der deutsche Film in künstlerischer Hinsicht an Strahlkraft gewonnen hat«, resümiert Ellen Wietstock in der aktuellen »black box« zutreffend.
Im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung steht zum Thema Film nicht viel. Aber immerhin ein Absatz, der aufhorchen lässt und den Wietstock zitiert: »Mit der Filmförderungsnovelle wollen wir die Filmförderinstrumente des Bundes und die Rahmenbedingungen des Filmmarktes neu ordnen, vereinfachen und transparenter machen, in enger Abstimmung mit der Filmbranche und den Ländern. Wir prüfen die Einführung von Investitionsverpflichtungen und steuerlichen
Anreize Modellen und schaffen gesetzliche Rahmenbedingungen, und die steuerliche Behandlung von Filmproduktionen rechtssicher zu gestalten. Kinos und Festivals fördern wir verlässlich und bewahren unser nationales Filmerbe.«
Wietstock skizziert die anstehenden Aufgaben, stellt richtige wichtige Fragen – zum Beispiel »Soll Transparenz bedeuten, dass die Förderungen und ihre Entscheidung wenigstens einmal jährlich ihre Zusagen bzw Absagen branchenöffentlich
reflektieren? ...dass die Rückflüsse aus dem bedingt rückzahlbaren Darlehen öffentlich einsehbar sind?« – und möchte, so scheint es, optimistisch klingen, ohne letztlich ein Urteil zu wagen.
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Aufhorchen muss man schon, weil in den zitierten Sätzen durch die doppelte Erwähnung des Wortes »steuerlich« tatsächlich neue Finanzierungsmodelle in Aussicht gestellt werden. Noch mehr aber, weil hier tatsächlich von einer Neuordnung die Rede ist. Schön wäre es ja!
Auch die Begriffe »Vereinfachung« und »Transparenz« bündeln eine Menge jener Forderungen, die in den letzten zwei, drei Jahren aus der Branche selbst, vor allem aus ihren unabhängigen Teilen formuliert
werden. Allerdings muss man erstmal abwarten, was von den schönen Worten dann an Taten übrig bleibt.
Wenn Claudia Roth tatsächlich die Filmförderung für den deutschen Film neu ordnen möchte, dann muss das auch bedeuten, die alten eingefahrenen Hierarchien zu zerschlagen, und die Verfilzung der Branche abzuschaffen.
Das, was ein Cem Özdemir in Bereichen der Landwirtschaft vorhat und was Robert Habeck und sein Ministerium für Wirtschaft Energie und Klima anpacken will, das braucht auch der deutsche Film: ein neues Denken. Und Rücksichtslosigkeit gegenüber alten Seilschaften und Lobby-Strukturen. Wer fossile Brennstoffe komplett abschaffen und der Massentierhaltung den Krieg erklären will, der muss auch erkennen, dass Filmförderfossilien und Massenfilmhaltung nicht besser
sind.
Und da ist man nach zwei Jahrzehnten Beobachtung der Filmbranche doch sehr skeptisch gestimmt – und das nicht nur, weil die Grünen bisher keinen erkennbaren Kultur- oder gar Filmbegriff hatten, der über Multikulti-Stadtteilfeste und Minderheiten-Förderungen hinausging. Alle Erfahrung lehrt, dass eher klimapolitisch das 1,5-Grad-Ziel erreicht wird, als dass der deutsche Film wieder jene einstigen qualitativen Höhen aus der Zeit des Neuen Deutschen Films oder der
Zwanziger Jahre erreicht und die Kinos den Publikumszuspruch haben, den heute die Franzosen haben.
Auch die deutsche Kinolandschaft ist eher eine Dinolandschaft.
(to be continued)