Cinema Moralia – Folge 269
Schluss mit der Flickschusterei! |
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Tove: Läuft unter erschwerten Bedingungen immer noch im Kino. Hier das Plakat des Verleihs | ||
(Foto: Salzgeber) |
Der Überdruss wächst, täglich und überall im deutschen Film. Bei den Etablierten und Profiteuren des deutschen Filmsystems genauso wie bei denen, die seit Jahren am Rand stehen und eigentlich nicht gewollt sind.
Alle Jahre wieder, und zum Beispiel gerade dieser Tage ist es so weit, und alle möglichen Verbände, Organisationen und Gruppen verfassen ihre »Stellungnahmen« zur anstehenden Novellierung des Filmfördergesetzes (FFG). Das FFG wurde 1967 geschrieben – das sagt schon fast alles. Seitdem gibt es unzählige Novellen, die fast immer auf eine Verschlimmbesserung hinauslaufen und jedenfalls die großen Probleme auf die lange Bank schieben.
In diesem Sinn, zumindest in diesem, ist »Corona« ein Segen. Denn zwar sagen seit Jahren alle möglichen Branchenbeteiligten, es gehe nicht mehr weiter. Aber jetzt geht es wirklich nicht mehr weiter.
Fortwährend wird an Notständen nur kosmetische Arbeit geleistet, an Widersprüchen nur herumgefrickelt, aber nichts wirklich repariert.
Was zum Beispiel gerade von vielen zu hören ist: Die FFA (Filmförderanstalt des Bundes) ist eigentlich pleite.
Wegen der Corona-Ausfälle gab es keine ausreichenden Einnahmen, nur die Abgaben der Fernsehsender bleiben übrig, und die sind ja schon in Normaljahren beschämend gering.
Intern debattiert wird offenbar darüber, ob man die FFA als Institution komplett abschaffen soll und ihre Arbeit der BKM direkt überlassen, oder ob sie als Behörde bestehen bleibt, die sich auf Abrechnung und Abwicklung des Antragsgeschehens konzentriert.
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Es könnte aus diesem Befund ein Aufbruch folgen. Aber die Lage ist immer noch deprimierend. Verbände verfolgen ihre Partikularinteressen; der Blick auf das Ganze des deutschen Films fehlt. Insofern kann man die Frustration der politischen Entscheider sogar verstehen, denn mit diesem Haufen scheint ein Neuanfang gar nicht so einfach möglich.
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»Es geht so nicht mehr weiter!« so lautete auch der Aufschrei, den Björn Koll, Chef des Salzgeber-Filmverleihs, bereits vor knapp zwei Monaten in einem Offenen Brief formulierte.
Auch er klagt dort zuallererst die Politik an: »Miserable Gesetze und aus der Zeit gefallene Regelungen«, so Koll, trügen die Hauptschuld an der traurigen Lage vieler deutscher Verleiher.
Im Vorfeld der Berlinale und voller Sorge um die persönliche körperliche Gesundheit hatte die deutsche Filmszene
diesen Brief nach meinem Eindruck ein bisschen verschlafen, jedenfalls nicht ausreichend zur Kenntnis genommen, und nicht angemessen debattiert. Darum hier eine Wiedervorlage.
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Die wichtigsten Punkte: »In Zeiten der Pandemie hätte es eigentlich Solidarität, ein engeres Zusammenrücken, pragmatische Lösungen für drängende Probleme benötigt.« Koll nennt zum Beispiel einen liberalen Umgang mit Sperrfristen. Ein Schreiben an die FFA wurde nicht einmal beantwortet.
Auf den politischen Vorschlag, die Kinos an VoD-Erlösen zu beteiligen, gibt Koll eine schlüssige Antwort. »Bei aller Solidarität gegenüber den Filmtheatern, die wir während der Pandemie
auch zur Genüge geübt haben: Wir Filmverleiher müssen Geld – auch für Euch Filmemacher:innen – verdienen und zumindest eine Chance haben, unser in die Filme investiertes Kapital zurückzuerhalten. Erst dann kann man andere beteiligen.«
Koll nennt weiter die unzureichende, weil mit fadenscheinigen Begründungen gegenüber den Anträgen durch die »MOIN Filmförderung« reduzierte Verleihförderung.
»Warum allerdings die frisch umbenannte MOIN Filmförderung uns gerade bei einem Erstlingsfilm und mitten in der Pandemie so wenig unterstützen wollte, blieb ein Geheimnis und wurde mit 'Kürzungen kommen halt vor' kommentiert. Und wie wir Filmverleiher 150 Prozent Regionaleffekte erbringen sollen und wie das
mit sparsamer Wirtschaftsführung oder ökologisch sinnvollem Handeln zu vereinbaren sein könnte, müsste auch mal diskutiert werden.«
Koll macht bei der BKM weiter, verweist auf »eine durchschnittliche Ablehnungsquote von über 50 Prozent«. Er zeigt, wie die BKM Richtlinien mittels Copy-&-Paste von Lobbyisten-Papieren verändert und von einer Stellungnahme des die Majors repräsentierenden Verbands der Filmverleiher aus dem März 2016 abgekupfert hat. Um den Vorschlag immerhin zurückzunehmen.
Sperrfristen, so Koll, behindern Verleiher in ihrer Arbeit. Er klagt über »total bescheuerte Regelungen im Filmförderungsgesetz«, »DFFF-Blödsinn«, »bornierte Förderungen« »dysfunktionales System«, »Desinteresse und mangelnde Unterstützung der eigentlich Zuständigen«, nennt »Trauer und Verzweiflung dem deutschen Film gegenüber«.
Gut, dass hier einer sich endlich so offen äußert. Hoffentlich ist er nicht der Letzte.
Koll nennt auch Zahlen. Das kann jeder selbst nachlesen. Wichtiges Fazit: Europäische Filme lohnen sich, auch der chilenische, südafrikanische und sonst-woher-Film auch, ungeförderte deutsche auch, geförderte deutsche nicht. »Handlungsfreiheit ist wertvoller als Verleihförderung.«
Geht es noch perverser?
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Und weiter: »Wir müssen einfach Folgendes verstehen: Niemand hatte und hat wirklich Lust, sich mit den Auswertungsproblemen des deutschen Films zu beschäftigen. Filmverleih war nie sexy und wird es nie sein. Und niemand analysiert wirklich die Folgen der Pandemie. In dilettantischer Flickschusterei wird ein bestimmtes Verleiher-Produzenten-Klientel bei Laune gehalten, deren Produktionen und Releases Unsummen an Steuermitteln verschlingen und die dann mit den teuer erkauften Besucherzahlen pseudo-erfolgreich sind. Und anstatt dass sich da jetzt jemand schützend vor die Kultur stellt und überhaupt mal eine Definition versucht, was Filmkultur überhaupt ist oder sein könnte ... Pustekuchen.«
Der Wortlaut des Schreibens ist hier nachzulesen.
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Nochmal: »dilettantische Flickschusterei« für ein »bestimmtes Verleiher-Produzenten-Klientel«, »Unsummen an Steuermitteln« werden für Pseudo-Erfolge in den Kamin geschoben.
Kein Schutz für Kultur, keine Definition von Filmkultur – wir haben so etwas an dieser Stelle oft geschrieben, und sind dafür von vielen immer wieder extern und intern kritisiert worden. So etwas sagt man doch nicht..., »Schon dieser Ton«.
Aber es ist genau so. Gut, dass wir nicht mehr ganz allein sind, auch im Ton.
Das FFG muss komplett in den Müll geworfen und neu geschrieben werden. Die jahrelange Flickschusterei bringt nichts mehr.
(to be continued)