Cinema Moralia – Folge 278
Zurück in die Zukunft |
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Am 9. Juli in der HFF: Sarah Morris' 1972 | ||
(Foto: Studio Sarah Morris) |
»If you want to achieve something, you have to clean the bathroom.«
- T.L., Student aus Chile, z.Zt. Berlin
Ganz überraschend war diese Nachricht nicht und doch: Cristina Nord verlässt bereits im kommenden Jahr die Leitung des »Internationalen Forums« der Berlinale, nach nur vier Ausgaben, davon zweien in der Pandemie.
Das Arsenal verpackt dies als »Rückkehr« und formuliert die Nachricht in höflicher Kühle geschäftsmäßig, ohne ein Wort des Bedauerns:
»Forums-Leiterin Cristina Nord kehrt im Juli 2023 zum Goethe-Institut zurück.
Im Sommer 2019 hat das Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. Cristina Nord die Leitung des Forums der Berlinale übertragen. Cristina Nord kam vom Goethe-Institut Brüssel, das ihr einen fast vierjährigen Sonderurlaub gewährte. Zum 1. Juli 2023 wird sie
zum Goethe-Institut zurückkehren, um die Leitung des Instituts in Nairobi zu übernehmen. Die Berlinale 2023 wird daher ihren Abschied vom Forum markieren.«
Dass da etwas gar nicht gepasst hat, war bereits nach einem knappen Jahr klar, als sich Nord für die Nachfolge der Direktion der Berliner Filmhochschule DFFB beworben hatte – was seinerzeit viele in Berlin überraschte und nicht gerade positiv. Nachdem die Bewerbung scheiterte, war das Verhältnis endgültig gestört.
Die Formulierung vom »gewährten Sonderurlaub«, die suggeriert, dass eine Rückkehr Nords zum GI nach vier Jahren immer klar gewesen wäre, ist eine fromme Lüge. Tatsächlich können solche Auszeiten verlängert werden, und im Fall eines DFFB-Engagements hätten sie das müssen.
Es ist jedenfalls eine gute Nachricht, wenn bald wieder jemand das Forum leitet, der mit ganzem Herz bei der Sache ist. Und das Forum hat es bitter nötig, eine starke, kollegiale und gegenüber allen Film-, Präsentations- und Publikumsarten offene Leitung zu bekommen. Eine Leitung, die den Unterschied zum Berlinale-Einerlei macht.
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Kuriose Koinzidenz: Am gleichen Tag kam die weitaus überraschendere Mitteilung, dass die Regisseurin Marie Wilke, die dann an Stelle von Cristina Nord erst im letzten August das Amt der künstlerischen DFFB-Direktorin übernommen hatte, die Akademie nach weiger als einem Jahr wieder verlässt. Ein Schock für die ebenfalls seit Jahren durch ständige Reibereien und unbefriedigende Direktionen erschütterte Filmhochschule.
Und eine neue Ohrfeige für die Berliner
»Filmpolitik«.
Über Ursachen und Hintergründe dieses Abschieds lässt sich im Augenblick noch nichts Weiteres sagen.
Ein Kapitel für sich ist dabei allerdings die öffentliche Nichtkommunikation der Angelegenheit. Auf der Website für »News« findet sich diese dich nicht komplett unwichtige News bislang (Donnerstagmorgen, 7.7.) nicht.
Unfassbar wie die dffb es schafft, eine Pressemitteilung derart zu verstecken, und sie zudem noch so zu formulieren, dass die eigentliche – leider schlechte – Nachricht fast versteckt komplett unsichtbar gemacht wird.
Versteht man das
neuerdings unter »guter Pressearbeit«?
In den Stellungnahmen von Co-Direktorin und Senat ist immerhin das Bedauern über die Nachricht deutlich.
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Wo wir gerade bei Personalfragen sind: Warum ist Ulrich Matthes eigentlich als Präsident der Filmakademie nach nur einer Amtszeit nicht mehr angetreten?
Kolportiert wird, dass es vor allem die Mimosenhaftigkeit und wie manche sagen würden, nun ja... Eitelkeit des Mimen ist, die hier eine Hauptrolle spielt: Zu viel interne Kritik gab es für Matthes-Haltung (und desintegrierendem Schlingerkurs) zu #allesdichtmachen
Das mochte sich der Applaus gewohnte Herr nicht
antun.
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In der Illustrierten des vergangenen Filmfests hat artechock-Kollege Sedat Aslan einen schönen Text zur Olympiade'72 und den städtischen Gedenkveranstaltungen zum 50. Jubiläum geschrieben.
Angekündigt wurde dort auch die allerletzte Filmfestveranstaltung, die zugleich eine der allerschönsten war: Zwei Tage nach dem letzten Tag, Montag, den 4. Juli, im Open-Air-Kino des Olympiapark, wurden dort einige Filmschätze aus dem Archiv des BR gezeigt, sowie vorab ein
Dokumentarfilm, der im September seine Fernsehpremiere haben wird.
Zwar fiel alles durch einen Gewitterregen ganz schön ins Wasser, die Filme waren trotzdem sehr interessant.
Nicht minder interessant wird es am kommenden Samstag (9. Juli) ab 19 Uhr in der Hochschule für Fernsehen und Film in München.
Dort läuft der 2008 uraufgeführte Film »1972« der britischen Künstlerin und Filmemacherin Sarah Morris zum Attentat auf die israelische Sportmannschaft während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München.
In der Ankündigung heißt es: »Aufnahmen des Olympia-Geländes und dessen Umgebung sind mit polizeilichem Archivmaterial der damaligen
Ereignisse kombiniert. Im Mittelpunkt steht ein intimes Interview mit Dr. Georg Sieber, dem damaligen Chefpsychologen des olympischen Sicherheitsdienstes. Weniger ein Dokumentarfilm, der versucht eine objektive Realität über die Tragödie der Geiselnahme von München darzustellen, ist die Arbeit vielmehr eine offene Fragestellung, die die komplexen Ebenen an möglichen und alternative Wahrheiten eines ganz konkreten Falles in unserer Geschichte visuell erfahrbar macht. Das
Verhältnis von Macht, Verantwortung und Kontrolle, und dem Zusammenspiel aus Vorhersagen, Planungen und schlussendlich eintretenden Ereignissen, wird in einer sensiblen Bildsprache zum Zentrum der Thematik.«
Anschließend gibt es ein Gespräch zwischen der Künstlerin und dem Lenbachhaus.
Unter dem Motto »München auf dem Weg in die Zukunft 1972-2022-2072« erinnert sich die Stadt ein ganzes Jahr lang mit verschiedensten Aktionen und Veranstaltungen an die Sommerspiele von 1972.
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Über einem Kommentar in Print- Radio- oder Onlinemedien finden sich neuerdings gern Formulierungen wie: »Diese Kritik stellt die Meinung des Autors dar.«
Ja was denn sonst?
Hinter derartigen Formulierungen verbirgt sich eigentlich eine Entmündigung des Lesers, und eine Infantilisierung der öffentlichen Kommunikation. Der Leser wird nicht als mündiges Gegenüber auf Augenhöhe angesehen, sondern als Wesen, das alles Mögliche grundsätzlich noch nicht verstanden hat, dem man Nachhilfe geben muss, dem in einfacher Sprache die Rahmenbedingungen wieder und wieder erklärt werden müssen. Ihm wird signalisiert: Wir nehmen dich nicht für voll.
Ein weiteres Element der allgemeinen Infantilisierung.
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Es gibt eine Form der Unterkomplexität und Simplifizierung, die sich hinter sehr elaboriertem Gerede verbirgt. Vielleicht verbirgt sie sich sogar so gut, dass sie selbst denen die da gerade reden, gar nicht mehr bewusst ist.
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Wenn man will, dann kann man es sich ganz einfach machen beim Münchner Filmfest: Die übliche Kritik von den üblichen Verdächtigen, ein Haken dahinter, lochen und rein in den dicken fetten Leitz-Ordner kritischer Filmfest-Kritik.
Man könnte Filmfest-Kritik aber wie jede Kritik, jedenfalls wenn sie von uns kommt, auch als die Kritik enttäuschter Liebender begreifen, als wohlwollende Kritik, als kostenlosen Ratschlag. Denn es ist klar, dass solche Texte wie die hier keine
Bewerbungsschreiben für eine zukünftige Filmfest-Direktion sind. Also keine Angst, Freunde: Euer Job wird nicht von uns bedroht, sondern vielleicht eher von Handlungen, die dazu führen, dass das Filmfest in diesem Jahr einige Schritte zurück gemacht hat, statt einen Schritt vorwärts.
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Wo bleibt das Positive? Beginnen wir damit: Eine Gesellschaftssatire, die in einer filmischen Phantasiewelt spielt, in der die Gesellschaft in drei Hauptklassen unterteilt ist, die sich aus Nebenfiguren, Hauptfiguren und Outtakes zusammensetzen, hat den Förderpreis Deutsches Kino gewonnen. Gleich doppelt für beste Regie und die beste Produktion an Sophie Linnenbaums originelle Science-Fiction-Satire The Ordinaries.
Dies ist einer der schrägsten und originellsten Filme seit langem. So etwas hat man eigentlich noch nie gesehen, schon gar nicht aus Deutschland – und darum sind die zwei großen Preise und die insgesamt 50000 Euro Preisgeld, die die Jury beim Filmfest München zum Abschluss an Sophie Linnenbaums Debütfilm The Ordinaries vergab, auch sehr gut zu verstehen.
Ein Film, in dem Filmfiguren die Hauptrollen spielen, und Plot Points und Filmschnitte und Ähnliches, das man eigentlich nur aus Filmhochschulseminaren und Drehbuchratgebern kennt.
Fine Sendel spielt eine ehrgeizige junge Frau namens Paula, die von einer Nebenrolle zu einer Hauptfigur aufsteigen will. Ein gewagter Schritt, der spannende Konsequenzen hat. Paula sucht ihren Vater, kämpft zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibungen und stellt schließlich die
gesamte Handlung in Frage, weil sie das Drehbuch nicht akzeptiert.
Vor allem aber ist The Ordinaries höchst originell und unterhaltsam: Mit Musical-Elementen und Kulissen im Retrostil zwischen Brazil und Hollywood wurde alles in Eisenhüttenstadt gedreht. Man könne kaum glauben, dass The Ordinaries der Abschlussfilm einer Hochschule sei, schrieb die Jury begeistert in der Laudatio.
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Der zweite außergewöhnliche Film in der deutschen Reihe ging bei der Preisverleihung leider leer aus: es handelt sich um Servus Papa, See You in Hell, den zweiten Kinospielfilm des Berliner Regisseurs Christopher Roth.
Roth (Baader) interessiert sich für Utopien, ihre
Versprechungen und ihr Scheitern. Gemeinsam mit seiner Co-Autorin Jeanne Tremsal entwirft er das Bild einer fiktiven Kommune, die Ende der 80er Jahre einem alternativen, antikapitalistischen Daseinsentwurf fröhnt, und bürgerliche Lebensweisen verachtet, während der eigene Lebensstil schon längst repressive, sektenähnliche Züge angenommen hat.
Ziemlich früh wird das deutlich, trotzdem malt Roth eine Weile die Möglichkeit, aus dass dieses ganz andere Leben nahe der Natur, mit
vielen Tieren, mit Gemeinschaft und viel Kunst und Musik zumindest für die Kinder und Jugendlichen eine Art paradiesischer Zustand sein könnte.
Doch bald kippt das alles und wird zum Horrortrip – bevor dies der Film wieder auf elegante Weise einfängt und ins Gleichgewicht bringt.
Ausgehend von den sehr persönlichen Erinnerungen seiner Co-Autorin, die auch als Schauspielerin in einer Nebenrolle zu sehen ist, erzählt Roth in erster Linie eine Befreiungsgeschichte,
in zweiter Ebene auch eine Allegorie auf die realen Ereignisse rund um die Kommune des österreichischen Aktionskünstlers Otto Mühl.
Aber Servus Papa, See You in Hell ist an keiner Stelle ein Dokumentarfilm. Vielmehr handelt es sich um eine abgründige Sehnsuchts-Geschichte, die zwingend, spannend und mit Stilbewusstsein erzählt ist und auch den Sinn für die Verluste der
Zivilisation wach hält. Nicht zuletzt glänzt der Film durch gute Musik und zum Teil ausgezeichnete Darstellerleistungen.
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Der deutsche Kinofilm gab, so wie er sich in München zeigte, ein disparates Bild ab. Generationenkonflikte stehen oft im Zentrum. Und man kann dies nicht immer nur mit der Jugendlichkeit mancher Filmemacher erklären. Es ist auch Zeitgeist, wenn Kinder immer wieder von Eltern bestätigt werden wollen, wenn Mütter nicht loslassen können, wenn Erwachsene in Lebenskrisen zu ihren Eltern fliehen, wenn es immer wieder um Identitäts-Probleme und Sensibilitäten der Hauptfiguren
geht, aber eigentlich nie um politische Verhältnisse, und deren Veränderung oder wenigstens Analyse. Wenn Geld kein Problem ist, die Traumata keine gesellschaftlichen, sondern private der Kindheit und die Flucht nicht in die Zukunft die Utopien führt, sondern aufs Land.
Auch stilistisch sah man – von den zwei erwähnten Ausnahmen abgesehen – einmal mehr den mittleren Realismus, der nicht einmal besonders realistisch ist, sondern konsumierbar fürs Publikum des
Fernsehens, das tatsächlich und vor allem auch im deutschen Kinofilm den Ton angibt.
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Filmfestszene 1: Studenten einer deutschen Film- und Fernsehakademie treffen den wichtigsten Redakteur eines der beiden deutschen öffentlich-rechtlichen Sender. Sein Eindruck danach: »Die haben ja von gar nichts eine Ahnung. Sie wissen nicht, mit wem sie reden sollten; sie wissen nicht, welche Redakteure bei welchen Sendern für was zuständig sind; sie finden alle Filme hier 'doof' und 'nicht innovativ genug', aber wenn man sie dann fragt, was sie denn selber für Filme machen
wollen, dann kommt überhaupt nichts. Nur immer dieses Redakteursgebashe geht mir auf die Nerven.«
Mag sein, dass dieses Bild einseitig ist. Aber was mindestens zutrifft, ist die Erfahrung, dass die Leute, die eigentlich miteinander reden müssen, aneinander vorbeireden und offenbar sehr verschiedene Erwartungen gegenüber den jeweils anderen haben. Und was auch zutrifft, ist eine generelle Blauäugigkeit sehr vieler Filmstudenten. Einerseits muss eine Akademie oder
Filmhochschule solche Blauäugigkeit pflegen, schützen und produktiv machen, denn eine Hochschule sollte nicht dazu da sein, die Leute schon vorab abzuschmirgeln, bevor das System es tut. Andererseits geht es natürlich darum, die Studis auch für die Realität zu stärken, zu empowern, ihnen Rüstzeug mit auf den Weg zu geben.
Selbstbewusstsein kommt durch Kenntnis, Ignoranz und Arroganz überspielen nur Unsicherheit.
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Filmfestszene 2: »Dass es um Gender geht, ... mit Klischees und Sehnsüchten konfrontiert, diverser geht es kaum und zwar sowohl vor als auch hinter der... Danke an sie, liebe Produzentinnen und Produzenten, liebe Autorinnen und Autoren, dass sie uns all diese Geschichten schenken... wissen sie, was mich in Cannes gerade wieder fasziniert hat: Dort wird der Film gefeiert, man präsentiert stolz die Projekte, die Produzenten, Regisseure, Autorinnen, Autoren und natürlich wird auch
der Cast gefeiert und zu recht. Wir brauchen Sie alle für einen weltoffenen kulturellen Dialog und deshalb feiern wir heute zusammen den Film. Auch wenn es Kritikpunkte gibt am deutschen Filmschaffen, an der Kreativität, an der Radikalität, an der Förderung, diese Kritik gehört für mich zum Dialog und in Klammern möchte ich aber noch ergänzen: konstruktive.
Und natürlich werden wir nicht immer einer Meinung sein, das ist auch nicht der Anspruch. Denn gerade das Abwägen, die
Auseinandersetzung mit Perspektiven ist ja genau das, was uns voranbringt.
Sie erinnern sich sicher an Toni Kroos nach dem gewonnenen Spiel Real gegen Liverpool; 'da merkt man gleich, dass Sie aus Deutschland kommen' ist es aus ihm herausgeplatzt, als ihm ein Sportjournalist unmittelbar nach dem Sieg so kritische Fragen stellte, sie hatten 90 Minuten Zeit sich vernünftige Fragen zu überlegen und dann so Scheißfragen'. Jetzt möchte ich mich nicht der Kritik an dem Reporter
anschließen, vielleicht waren die Fragen berechtigt, aber ich möchte die Grundstimmung... Bitte nicht nur das Negative sehen... lassen Sie uns auf dem, was geschafft wurde, aufbauen. Unsere Filmbranche hat in den letzten beiden Jahren Immenses geleistet: von Drehstops über Verschiebungen Motivausfälle Mehrkosten Steuerfragen Fachkräftemangel manches auch vielleicht ja vielleicht auch mitverschuldet, aber wir haben vieles geschultert und das ist toll. Jetzt sind alle
Beteiligten dringend gefragt, den Pool an Kreativität, an Talent, an Wissen und Infrastruktur, der aber Jahrzehnte gewachsen ist, auszubauen... das betrifft die kreativen Inhalte, das Publikum ebenso wie die Fachkräfte das ist für Sie, liebe Branchenmitglieder eine Chance und es ist meiner Meinung nach ein Beitrag zur Stabilität unserer Demokratie, denn teilhabe entzieht zugleich Radikalisierung den Nährboden. Ich wünsche Ihnen heute gute Gespräche... Vergessen wir nicht die
Probleme, aber heute würde ich gerne mit ihnen den Film feiern, Danke schön!«
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Filmfestszene 3: Aber ich versuche zu motivieren und sag dann hier, junge Frauen, wir brauchen euch und ihr braucht euch auch untereinander, ihr müsst euch untereinander unterstützen, das heißt: ja, redet über Euch aber wenn ihr über euch redet, dann redet gut über euch und das will ich euch auch noch mal ein bisschen zurufen, auch der Branche; ich spüre gerade wirklichen Aufbruch, die Leute sind gut drauf, auch wenn in vielen Bereichen mit Sicherheit ich die Probleme jetzt nicht ganz wegdenken will, es ist eine Aufbruchstimmung da, ich finde wir sollten die nutzen um uns auch selber noch mal gut darzustellen, um über die Branche gut zu reden...
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Filmfest ist, wenn Frauen reden. Die Programmer stehen dahinter, nicken und lächeln.
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Filmfestszene 4: Judith Gerlach, bayerische »Staatsministerin für Digitales«, darum auch für Film, redet zu Beginn des FFF-Empfangs über die Zukunft des deutschen Films und nennt, wie man das so macht, drei Frauen: Maria Furtwängler, Veronica Ferres (die sei »die dritterfolgreichste weibliche Produzentin« ... von was? Der Welt? Deutschlands? Egal!), Doris Dörrie – »ich bewundere sie nicht nur sehr, sondern sie ist auch eine, die eine extrem klare Ansprache hat, also da
steht man stramm ... das ist auch gut so glaube ich, aber auch da macht der Ton wieder die Musik und es ist einfach ja erfrischend wenn sie da mit einem spricht und mit einem in Diskussion geht, aber sie ist auch so eine Fürsprecherin für diese Branche, die sich gut deutsch nichts scheißt und hingeht und sagt: so machen wir das jetzt und ich bringe mein Fachwissen mit, aber ich sage auch klar was Sache ist...«
Wenn das die Zukunft des deutschen Films ist – was ist dann die
Vergangenheit?
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Der deutsche Film wird durch all so etwas nicht besser werden. Er wird auch nicht diverser werden, jedenfalls nicht in ästhetischen und stilistischen Fragen, nicht in Geschichten, wahrscheinlich auch nicht mal in seinen Beteiligten.
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So gut sich das Filmfest in den letzten Jahren vor der Pandemie (2016-2019) gemacht hatte, so sehr fiel es in diesem Jahr zurück auf den Stand von 2010.
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In der Filmfest-Illu gibt es ausgerechnet über die »Neuen Deutschen Kinofilme« keinen Text, obwohl das die wichtigste und einzige ernstzunehmende Reihe ist.
Im Filmfest-Trailer gab es unter denen, die da so fröhlich redeten, keine Namen. Soll man nicht wissen, wer da was sagt?
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Das Münchner Filmfest, das war einmal ein Ort, an dem man Entdeckungen machen konnte, auch wenn man zuvor in Cannes gewesen war. Es gab immer die Filme, die in Cannes liefen, in Venedig und in San Sebastian. »World Cinema« hieß das unter dem Festival Gründer Eberhard Hauff. Aber es gab auch die anderen.
Apropos Eberhard Hauff. Ich hatte es beim Nachruf auf Eberhard Hauff hier auf artechock geschrieben: Ich selbst gehöre auch zu jenen, die zu Eberhard Hauff ein, gelinde gesagt, gespaltenes Verhältnis hatten.
Aber dass sich im Filmfest-Programm nicht die kleinste Würdigung des Gründungsdirektors findet, der im vergangenen Jahr im Alter von 89 Jahren gestorben war, dass er auch bei den Reden zur Filmfesteröffnung an keiner einzigen Stelle auch nur erwähnt, geschweige denn in seinen Leistungen anerkannt wurde, das ist einfach eine Schande.
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Alle die dort jetzt arbeiten, hätten ihre Jobs nicht, hätte Hauff nicht mit viel Geschick das Festival 1982/83 aufs Gleis gestellt.
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Dass das Filmfest München relativ verregnet war in diesem Jahr, passte zum Gesamtbild: Schlecht gelaunte Verleiher genervte Filmemacher, die für ihre Premierenkarten dem Filmfest mehr bezahlen müssen, als beim Kauf Online, die vor Preisverleihungen nicht benachrichtigt werden...
Oft hat das etwas mit dem Gästemanagement des Filmfests zu tun, manchmal auch mit den Entscheidern selbst. Zu spät und zu schlecht wird kommuniziert und manche Entscheidungen sind in ihrem Gründen absolut nicht nachvollziehbar.
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Zum Beispiel der Ausfall der Indie-Party. Zugegeben: Die »Independent Party« heißt schon seit einer Weile nicht mehr so, sie heißt so allerdings immer noch bei allen Münchnern, die seit mehr als zwei Jahren zum Filmfest gehen.
Erstmals seit... »seit Menschengedenken« ist man versucht, zu formulieren, aber jedenfalls seitdem ich mich an das Filmfest erinnern kann, also den späten 80er Jahren, gab es keine Indie-Party.
Was auch immer dafür die tatsächlichen Gründe sein mögen – die Rede ist von Sparmaßnahmen und Filmfestverantwortliche haben Verleihen gegenüber erklärt, es handle sich um ein »schlechtes Zeichen«. Aber daran kann es nicht liegen, denn die Indie-Party war seit den Zeiten von Ulla Rapp als Leiterin der Sektion der »American Independents« eine Verleiher-Party, bei der ein Großteil des Geldes von den unabhängigen deutschen Filmverleihern bezahlt wurde, die – auch das sollte man nicht vergessen – ja die allermeisten Filme im Filmfest-Programm längst eingekauft haben, die sich aber gerade unter den American Independents, als es sie noch gab, oft noch ein paar Goldstücke herausgepickt hatten.
Dies zeigt zumindest, wie wenig Traditionsbewusstsein die Filmfestmacher haben, wie wenig man sich dort klar macht, was eigentlich wirklich ein Filmfestival ausmacht. Es sind nur zum Teil – und eher zum geringen Teil – die Filme. Denn die Filme kann man letztlich auch woanders sehen. Es sind die Begegnungen, es ist das Reden über die Filme, es ist die Intensität des Augenblicks.
Sowohl für die professionellen Gäste, also Regisseure und Produzenten und
Schauspieler, als auch aber für die regelmäßigen Filmfestgänger unter dem Münchner Cinephilen ist die Indie-Party immer der heimliche Höhepunkt des Filmfests gewesen.
Ein Filmfest ist, wer hätte das besser gewusst, als Eberhard Hauff, eben auch ein Fest und nicht nur Filme. So aber lässt man das Münchner Filmfest langsam den Bach runtergehen.
(to be continued)