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neuer ort für die kunst - die jahresausstellung der akademie der bildenden künste

Martin Wöhrl,  Boris und Pelé, 1998/99

Die Jahresausstellung der Akademie der Bildenden Künste ist jedes Jahr ein Ereignis, so auch dieses Jahr. Neu ist aber, daß dieses Jahr tatsächlich die Kunst im Mittelpunkt steht, und nicht wie sonst das Sommerfest im Garten und in den Räumen der Akademie. Wegen Renovierung des Gebäudes mußte man dieses Jahr nach neuen Lösungen suchen, wofür sich das Haus der Kunst samt Kurator Bernhart Schwenk anbot.
Nicht umsonst mag dem einen oder anderen Künstler dazu der Ausdruck "hehr" einfallen, schließlich hat es soviel Professionalität, aber auch Konzentration auf die Kunst in der Akademie nicht immer gegeben. Während in den Klassenräumen der Akademie doch meist das Fest im Mittelpunkt stand, und die ein oder andere Arbeit ob des bierseeligen Taumels auch mal übersehen oder gar überrannt wurde, verlangt das Haus der Kunst etwas mehr Aufmerksamkeit für die Sache an sich (sieht man einmal von der Eröffnung ab, bei der natürlich nicht die Kunst alleine den Abend gestaltete).
An die 100 Arbeiten sind ausgestellt, zwei von ihnen im gerade neu eröffneten Maximiliansforum (Unterführung Maximiliansstr./Altstadtring), der Rest auf das Haus der Kunst bzw. sogar auf die ganze Stadt (Paul Huf u. a.) verteilt.
Bei einer so großen Ausstellung ist es kaum zu vermeiden, daß es keinen roten Faden gibt, der durch die Ausstellung führt, so daß man einen Eindruck aktueller Kunst nur anhand einzelner Arbeiten gewinnen kann. Entsprechend kann eine Kritik wie diese auch nur subjektiv und ausschnittshaft ausfallen. Aber wo es kein gemeinsames Konzept gibt, muß den Arbeiten auch keines aufgezwungen werden; für die heutigen Ausstellungsmodi ein erfrischendes Novum!

Betritt man den großen Ausstellungraum im Haus der Kunst, zwingen "Weiße Inseln" aus Gips zu einem Hindernislauf zwichen den übrigen Bildern und Objekten. Jaro Vent hält mit dieser Arbeit auf intelligente Weise den großen Raum zusammen, indem er dem Besucher dezent vorgibt, wo und wie er sich zwischen den Arbeiten der anderen Studenten bewegen kann. Zu rechter Hand des Raumes befindet sich "The World of Jewellery", in der die GoldschmiedestudentenInnen ihr Debüt auf dem freien Markt geben. Zwischen Schmuck und Fotografie bewegt sich die Arbeit von Katharina Gaenssler, "München-Bologna", die Ohrläppchenporträts von deutschen und italienischen Frauen präsentiert. Die Arbeit zeigt einen Teil der Augenpartie, ein Ohr und etwas Frisur von Frauen mittleren Alters und demonstriert damit auf anrührende Weise, daß sich das Alter der Frau nun einmal in ihren Fältchen widerspiegelt - da mögen auch dunkle Sonnenbrillen, kostbarer Ohrschmuck oder aufwendiges Make-up nicht von abzulenken.

Interessant ist, daß es wider allen Versuchen, Frauen- und Männerkunst zusammenzuführen, offenbar immer noch männlich und weiblich "besetzte" Themen gibt. Der motorisierte Untersatz gehört ganz offensichtlich zu den männlichen Themen, während der unverblümte Blick auf die eigene Identität scheinbar mehr den Frauen liegt. Im zweiten großen Saal der Ausstellungsräume zeigen Alexander Laner, Wolfgang Stehle und Stefan Wischnewski ihre (Alp-) Träume zum Thema Fortbewegung in der Stadt. Alexander Laner hat seine Stadtvespa zu einem sich aufbäumenden Rodeogefährt umgestaltet (Männer seid gegrüßt!), während Wolfgang Stehle schwere Autoreifen in gläserne Skulpturen verwandelt. Stefan Wischnewski verhüllt sein Autor zwar, knüpft aber trotzdem an die von Warhol, Lichtenstein und anderen initiierte Tradition an, sein Fortbewegungsmobil kurzerhand ins Museum zu holen, nicht zuletzt auch um es damit auf den Sockel zu stellen!

Zum Glück entziehen sich ansonsten aber die meisten Arbeiten der Bewertung "männlich-weiblich". Einfach nur wunderschön anzuschauen und über alle Maßen meditativ sind etwa die "Wassertropfen" von Takeshi Egi, die von Bechern ins Skulptureninnere laufen. Weniger ästhetisch, aber ebenso einfach ist der Raumteiler "Tarreville-Le Moulin" von Florian Balze. Eine überdimensionale Wand, gekachelt und geziegelt, wie man es aus U-Bahnhöfen, Schwimmbädern etc. kennt, trennt das unschöne Käfercafé von der übrigen Ausstellung. Damit erfährt die im Ausstellungskontext vollkommen zweckentfremdete Oberfläche einen neuen funktionalen Zusammenhang, indem sie das Ende der Ausstellung und den Übergang zum Pausenraum anzeigt. Beeindruckend sind auch die kleinen Objekte von Fabian Schleicher; kleine terrariumsähnliche Kästen verbergen noch kleinere elektrisierte Wesen. Obowohl auf den ersten Blick ersichtlich ist, daß es sich hier nicht um Lebenwesen handelt - ein Plastikschlauch und ein Metallbesen lassen keinen Zweifel aufkommen - kann man bei sich selbst beobachten, wie man im Geiste beginnt, den kleinen "Tierchen" Leben einzuhauchen. Schleicher demonstriert damit auf denkbar einfache Weise, wie lenkbar unsere Wahrnehmung ist.
Von vielen, zum Teil wirklich sehr guten Arbeiten abgesehen, bleibt es dennoch erstaunlich, wie sehr sich die AkademiestudentInnen an die vorgegebenen Richtlinien gehalten haben. Kaum eine Arbeit, die aneckt oder die begrenzten Räumlichkeiten sprengt. Daß bei der Eröffnung - schwupp die wupp - eine Bar errichtet wurde, die über den geplanten Getränkeverkauf hinausging, gehört da wohl noch zu den innovativsten Aktionen.

christine walter

   

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