23.09.2010

Die Frau, die viel redet, und nichts sagt

Eat Pray Lovw
Die Roberts. Könnte so in San Sebastian rumlaufen, inkognito. Ist aber unverkennbar Eat Pray Love

Julia Roberts oder wie ich lernte, meine Mitte zu finden und Meryll Streep zu lieben

Von Rüdiger Suchsland

Beim Festival im baski­schen San Sebastián ist diesmal bislang Julia Roberts der Gast, der für den meisten Rummel bei Medien und Publikum sorgte. Das neueste Kapitel aus unserem heim­li­chen Fort­set­zungs­roman »Neues vom Star­system«.

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»Ooohhhh, ich rede schon wieder so viel«, unter­bricht sich Julia Roberts. Wenn sie doch mal etwas sagen würde. Statt­dessen kichert der US-Star, guckt nach rechts und links im prop­pe­voll besetzen Saal zu ihrem Kollegen, dem Latin Lover Javier Bardem, der ebenso stoisch die Fassung wahrt, wie die anderen auf dem Podium und brabbelt weiter: »Es war so wunderbar mit Javier zu arbeiten ... es hat unglaub­li­chen Spaß gemacht ... es war so ein tolles Script ... die Arbeit war eine ungeheure Heraus­for­de­rung ... Indien und Italien sind faszi­nie­rend« und, natürlich, nicht zu vergessen: »San Sebastián ist die enthu­si­as­tischste Stadt, die ich kenne.« Man müsste gar nicht da sein, und könnte sie doch im Schlaf noch nieder­schreiben, solche Sätze, die Holly­wood­stars immer dann sagen, wenn sie nichts zu erzählen haben, oder nichts erzählen wollen. Dann hätte man sich auch die Stunde vorher gespart: Eine halbe Stunde stand man, mit etwa 300 anderen Bericht­erstatter-Kollegen geduldig in der Schlange zur Pres­se­kon­fe­renz mit Julia Roberts. Beim Film­fes­tival in San Sebastián präsen­tiert sie ihren Film Eat Pray Love, die Verfil­mung des auto­bio­gra­phi­schen Selbst­fin­dungs­best­sel­lers von Elizabeth Gilbert. Am Abend wird sie den Preis des Festivals erhalten, den alljähr­lich verdiente und berühmte Film­per­sön­lich­keiten bekommen.

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»This is so 80’s, this is so Madonna«, spottet der Kollege einer vornehmen briti­schen Zeit­schrift. Über eine halbe Stunde ist seit dem ange­setzten Termin nun verstri­chen, ohne dass sich der Beginn der Veran­stal­tung irgendwie ankün­digte. Dann betreten acht Body­guards den Saal, plat­zieren sich in verschie­denen Ecken des Podiums und vor den gespannt wartenden Foto­grafen. Weiter zehn Minuten später endlich kommt das Filmteam, posiert gute 30 Sekunden, und noch in den Applaus hinein schnarrt der Festival-Moderator harsch: »Keine privaten Fragen!«, »Keine weiteren Fotos!!« In den folgenden Minuten wird immer wieder ein strenger Bodyguard an sein Ohr treten und ihm irgend­welche Anwei­sungen zuflüs­tern – von Roberts selbst? Vom Verleih? Von Gott? Wer weiß das schon.

Auf der Pres­se­kon­fe­renz gibt es dann nur nicht­sa­gende gegen­sei­tige Schmei­che­leien zu hören, und man wundert sich wie der doch eini­ger­maßen intel­li­gente und lässige Javier Bardem es schafft, ohne die Fassung zu verlieren, über Roberts Sätze zu sagen wie: »She is like a Co-Director. Everyone loves her. It’s a love-fest, when she’s around.« Eine Real­sa­tire. Viel­leicht liegt es auch an manchen mäßig heraus­for­dernden Fragen. »Ihre Augen erinnern an Paul Newman« – das ist noch eine der besseren Sätze.

Die meisten, die fragen, sind ca. 25-jährige TV-Mode­ra­to­rinnen, die gestylt sind, wie für den Baby­strich. Einer fragt Roberts zum Beispiel, ob sie ihr später das Stoff­mas­kott­chen des Senders über­rei­chen dürfte. Ande­rer­seits: Vor zwei Jahren saß Meryll Streep an gleicher Stelle und hatte mit blit­zendem Charme vorge­führt, wie man noch auf die dümmste Frage eine geist­reiche und witzige Antwort geben kann. Was waren das für Zeiten!

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Beim Interview später im Hotel ist es auch nicht besser. Die Body­guards gucken noch böser, ungefähr so als würden sie den US-Präsi­denten bewachen und gerade käme ein bekannter Hass­pre­diger zu Besuch. Immerhin erzählt Roberts von selbst etwas Privates: »Es ist mir schwer gefallen, diesen Film zu machen. Ich habe 19 Jahre ohne Kinder gear­beitet, jetzt habe ich welche und für diesen Film musste ich lange Wochen von ihnen weg sein.« Die Kinder, sagt Roberts, seien auch der Grund gewesen, warum dies in den letzten zehn Jahren ihre erste echte Haupt­rolle war. Mutter ist sie aller­dings erst seit sechs Jahren. Ansonsten berich­tete Roberts vor allem davon, wie anstren­gend das Leben einer Top-Schau­spie­lerin sei: »Man muss immer zu 100 Prozent wachsam sein.«

Ist das eigent­lich immer so bei einem Holly­wood­star? Nicht bei jedem. Wer einmal entspre­chende Inter­view­ter­mine mit Meryll Streep, George Clooney oder – ja, auch der! – Tom Cruise erlebt hat, weiß, dass auch berühmte Leute pünktlich und relativ unkom­pli­ziert sein können, inter­es­sante Dinge über ihren Film erzählen, und dass die Zahl der Body­guards nichts über Berühmt­heit und Gefähr­dung aussagt, sondern nur darüber wie wichtig sich jemand selbst nimmt.

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Der Premio Donostia wird übrigens norma­ler­weise für Verdienste um die Filmkunst vergeben. Ihn bekamen in den letzten Jahren Leute wie Francis Ford Coppola, Max von Sydow oder eben Meryll Streep. In diese Kategorie gehört Julia Roberts, die gerade so ungefähr ihr gefühlt fünftes Comeback erlebt, nun weder vom Alter her, noch künst­le­risch. Die spani­schen Kollegen waren übrigens noch strenger mit Roberts, und mit dem Festival, das mit solchen Ereig­nissen schnell seinen guten Ruf verlieren dürfte. Derweil machte man sich seinen Spaß mit Umfor­mu­lie­rungen des Titels: Eat Pray Shit, Eat Pray Fuck, Eat Pray Vomit...

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Viel­leicht hat Eat Pray Love, der erste Film für Roberts seit Erin Brock­ovich (2000), den sie quasi alleine tragen muss, ja mit der Person Julia Roberts mehr zu tun, als sie uns verraten will. Denn jene Liz, die sie da spielt, hat eigent­lich alles, was das Herz begehrt und ist doch unglück­lich. Also verlässt sie ihren Mann, reist nach Italien (Eat), in einen indischen Ashram (Pray) und zu einem bali­ne­si­schen Guru (Love), um den Sinn (und den Mann) des Lebens zu finden. Fernöst­liche Spiri­tua­lität und italie­ni­sche Lebens­kunst kurieren eine frus­trierte Ameri­ka­nerin.

Wer Gefallen an präch­tigen Reise­bil­dern hat, wird die Schön­heiten Italiens und Balis, eine indische Hochzeit und schöne Ferien-Apart­ments genießen: Eat Pray Love ist ein Jet Set Film, Yuppie-Kino, das von Menschen handelt, die hübsch sind und offen­kundig unglaub­lich viel Geld haben: Sonst könnten sie sich mona­te­lange Fern-Reisen ohne Arbeit und teure Wellness-Programme gar nicht leisten. Dabei ist dies kein Film, der etwa eine Geschichte erzählen würde, sondern ein mit fast zwei­ein­halb Stunden lang geratener Vorwand, um die Haupt­dar­stel­lerin vor möglichst male­ri­schen Kulissen in Szene zu setzen.

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Zuge­ge­be­ner­maßen ist Roberts der einzige Grund, sich diesen Film anzu­gu­cken. Ob er zurei­chend ist, muss jeder selbst entscheiden: In den USA half Roberts breites Lächeln wenig: Dort wurde Eat Pray Love schon am Start­wo­chen­ende von den alten Männern der Expen­da­bles um Sylvester Stallone kalt überholt. Immerhin könnte sich Roberts mit einer vielen der Film­weis­heiten trösten: »Manchmal ist das Verlieren des Gleich­ge­wichts ein Teil des Lebens.« Oder: »Ruinen sind ein Geschenk auf der Straße der Verän­de­rung.« Oder: »Nicht zuviel Gott, nicht zuviel Ich, sonst wird man verrückt.« Die beste »Weisheit« des Films heißt aller­dings: »4 weeks silence. its like a facelift.« Für Julia Roberts wird es langsam Zeit.