12.03.2015

Das Leben auf einer Hoch­zeits­torte

Subjektiv - Dokumentarfilm im 21. Jahrhundert
Läuft in der Trash Night am Samstag: der zum Schreien komische MeTube: August sings Carmen 'Habanera' von Daniel Moshel

Das Kurzfilmfestival Bunter Hund zeigt ungewöhnliche Einsichten in die menschliche Existenz

Von Nora Moschuering

Festivals anzu­kün­digen, die einen gerade deshalb begeis­tern, weil eines ihrer Merkmale und Qualitäten die Vielfalt des Programms ist, ist nicht ganz einfach. Es ist generell schwierig, Einheit in der Vielfalt zu finden (dies würde die Vielfalt ja auch als Einheit enttarnen), um dann ein Festival dementspre­chend anzu­kün­digen. Noch dazu bei einem, das sich »Bunter Hund« nennt, also gerade das Viel­ge­stal­tige in seinen Namen aufge­nommen hat. Also überlegt man sich, den Hund als Aufhänger zu nehmen, als Sinnbild des Inhalts – bunt eben und etwas wild, und ihn aufzu­for­dern, unter den vielen Kurzfilme zu suchen: »Na wo ist der gute Film, na wo ist er denn?« Okay, man geht sogar weiter: »Ja, da ist er ja, da ist er!« Entschul­di­gung! Oder doch, wer weiß, viel­leicht kann der eine oder andere ihn kraulen? Für alle anderen gilt: Hingehen, hinsehen und ganz subjektiv entscheiden, welcher Kurzfilm einem gefällt, welcher viel­leicht weniger – auch gut. Bunt heißt eben auch nicht gefällig.

Schon zum 16. Mal bringen die Macher, allesamt Filmen­thu­si­asten, das Kurz­film­fes­tival »Bunter Hund« ins Münchner Werk­statt­kino. Gewohnt geschmeidig bewegen sich die Bunten Hunde dabei durch die frucht­baren Auen der inter­na­tio­nalen Kurz­film­welt. Von einer bis zu zwanzig Minuten, von Expe­ri­men­tal­film, Animation, Spielfilm und Doku­men­ta­tion reicht das Spektrum der Programme. Aus 326 Einrei­chungen (ganz genau) wurden insgesamt 52 Filme ausge­sucht. Diese Filme laufen im inter­na­tio­nalen Wett­be­werb, bestehend aus vier unter­schied­li­chen Programmen, sowie in zwei Sonder­pro­grammen, der Trash Night und dem Kinder­pro­gramm. Unter den Filmen der vier Programme vergibt das Publikum einen Preis, den HASSO – Also werden früher oder später doch alle auf den Hund kommen. Das alles findet wie gewohnt in Münchens zwar kleinsten, aber in jedem Fall char­man­testen Kino statt, dem Werk­statt­kino, im Keller hinter der Fraun­hofer Wirt­schaft. Dort heißt es also wieder: Gucken, träumen, wundern, staunen, mitfühlen, ärgern, Filme­ma­cher treffen und über Filme und Film­er­leb­nisse reden.

Apropos Vielfalt zusam­men­fassen, den Machern ist es dann doch gelungen, die vier Programme irgendwie auch thema­tisch zu bündeln. Sie tragen die Titel: »Anders & Artig«, »Arbeit ist das halbe Leben«, »Helden wie wir« und »Liebe & andere Grau­sam­keiten«. Jedes dieser Programme kündigen sie übrigens mit einem wunderbar asso­zia­tiven und poeti­schen Text an.

»Anders & Artig« findet hypno­ti­sche Bilder zum Thema Leben, dem Lande­an­flug auf die Erde und was man auf dieser schließ­lich findet (expe­ri­men­tell: Kudryavka – Little Ball of Hair des Finnen Risto-Pekka Blom und Transit der Finnin Lauri Astala). Es werden Filme zwischen Kunst und Kultur gezeigt, etwas Science-Fiction, denn das kann der Film eben auch: Eben mal kurz die Erdan­zie­hungs­kraft aufheben (Donnerstag, 12.03., 22:00 Uhr und Freitag, 13.03., 18:00 Uhr).

»Arbeit ist das halbe Leben«, ja, klingt anstren­gend, ist es aber nicht, hier werden u.a. wichtige Fragen nach dem Freaktum gestellt, woher kommt er, der Freak, und wie ist er so schnell groß geworden? Ein Freak kann dabei ein Tourist sein, wie in dem spani­schen Bikini von Oscar Bernàcer, oder ein Abonnent, wie in dem ukrai­ni­schen Kurz­spiel­film Abonent der Geschwister Oksana und Maryna Artemenko (Donnerstag, 12.03., 20:00 Uhr und Freitag, 13.03., 22:00 Uhr).

Viel­leicht ist jeder Freak aber auch ein Held, in dem Programm »Helden wie wir« erfahren wir es – viel­leicht haben wir es auch schon immer gewusst – wir sind tagtäg­lich kleine Helden, denn wir stellen uns dem Leben und seinen Heraus­for­de­rungen, konfron­tieren uns mit unserer alltäg­li­chen Umgebung und ihrem ständigem Wandel. Wie die kleine Lara, die mit ihrer Oma Bus fährt (Nächster Halt von Robin Jochem), oder ganz aktuell gesell­schafts­po­li­tisch in dem polni­schen Kurz­spiel­film Nasza Zima Zla (Our Bad Winter) von Grzegorz Zariczny, in dem es um Pfle­ge­rinnen in einem Behin­der­ten­heim geht (Donnerstag, 12.03., 18:00 Uhr und Samstag, 14.03., 20:00 Uhr).

Paar­be­zie­hungen sind aber sicher auch Helden­auf­gaben, im vierten Programm mit dem fast zynischen Titel »Liebe & andere Grau­sam­keiten« stellt ein Pärchen im polni­schen Wulkan (Volcano) von Michal Wawrzecki nach Ausbruch des unaus­sprech­li­chen Vulkans seinen Urlaub nach. Außerdam erfährt man in dem deutschen Anima­ti­ons­film Wedding Cake von Viola Baier, wie das Leben auf einer Hoch­zeits­torte ist, Zucker­guss macht es eben auch nicht leichter (Freitag, 13.03., 20:00 Uhr und Samstag, 14.03., 18:00 Uhr).

Also: Hingehen, hinsehen und Kopf kraulen.

Bunter Hund – 16. Inter­na­tio­nales Kurz­film­fes­tival, 12.03. – 15.03.2015, Werk­statt­kino München, Fraun­ho­ferstr. 9