Der Traum von einer besseren Welt |
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Giovanni Falcone und Paolo Borsellino |
Von Elke Eckert
Der Circolo Cento Fiori, Mitglied der Filmstadt München e.V., ehrt mit der Veranstaltungsreihe »Giovanni Falcone & Paolo Borsellino: Ihr Vermächtnis« zwei Richter, die vor einem Vierteljahrhundert von der Mafia ermordet wurden. Giovanni Falcone und Paolo Borsellino haben dafür gesorgt, dass es 1987 in Palermo zum Prozess gegen 460 Angeklagte gekommen ist, der unter anderem zu 19 lebenslangen Freiheitsstrafen führte. Dieser Strafprozess war der bis dahin wirksamste Schlag des italienischen Staates gegen die Mafia – und das Todesurteil für Falcone und Borsellino. An drei Tagen (24./29. Juni und 2. Juli) wird den beiden unerschrockenen Juristen auf unterschiedliche Art und Weise gedacht – mit Filmen, Interviews, Vorträgen, Diskussionen und einer Ausstellung.
Aber die Veranstaltungsreihe will nicht nur erinnern, sondern auch zeigen, was in den letzen 25 Jahren geschehen beziehungsweise nicht geschehen ist, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, die nicht nur ein italienisches, sondern ein gesamteuropäisches Phänomen ist. Spätestens seit am 15. August 2007 in Duisburg sechs Menschen vor einem italienischen Restaurant von Angehörigen der kalabresischen 'Ndrangheta erschossen wurden, ist offensichtlich, dass die Mafia auch bei uns Fuß gefasst hat. Das hat auch mit der deutschen Rechtsprechung zu tun. Während in Italien gewaschenes Kapital sofort beschlagnahmt wird, wenn der Verdächtige nicht nachweisen kann, woher der plötzliche Geldsegen kommt, muss in Deutschland der Staat die Beweisführung übernehmen. Und Verdächtige bleiben oft straffrei, weil sie natürlich erzählen, dass sie ihr Vermögen nicht illegalen Machenschaften wie Waffen- und Drogendelikten verdanken, sondern ihren beruflichen Einkünften oder der Unterstützung hilfsbereiter Verwandter und Freunde. So können sich mafiöse Strukturen hierzulande verfestigen. Um das zu ändern, müsste auch bei uns die Spur des Geldes rigoroser verfolgt werden.
Die erste Veranstaltung am kommenden Samstag, 24. Juni 2017, macht den Auftakt mit einem Gespräch zwischen Stefan Ulrich, langjähriger Italienkorrespondent und aktuell stellvertretender Leiter des Ressorts Außenpolitik der »Süddeutschen Zeitung«, und Gian Carlo Caselli, der von 1993 bis 1999 Staatsanwalt am Gericht von Palermo und damit ein Nachfolger von Falcone und Borsellino war, und der Journalistin und Antimafia-Aktivistin Margherita Bettoni.
Im Anschluss wird der halbstündige Film Convitto Falcone (OmeU) gezeigt. Der Titel ist gleichzeitig der Name der Grundschule, in der auch Giovanni Falcone lesen und schreiben lernte und die nach seinem Tod nach ihm benannt worden ist. Weil ein altes Zeugnis von Falcone gefunden wurde, wird ein junger Journalist, der ebenfalls dort zur Schule ging, losgeschickt, um eine Geschichte darüber zu schreiben. Dabei erinnert er sich an ein Erlebnis, das sein Leben geprägt hat: Als Junge hat er versucht, bei einem Fußballspiel den Schiedsrichter zu bestechen. Als ein Lehrer das mitbekommt, zeigt er ihm ein Foto von Falcone und erzählt ihm dessen Geschichte. Und so lernt der Junge, dass man im Leben immer die Wahl hat, sich für die richtige Sache zu entscheiden.
Der Film ist anlässlich des 20. Gedenktages von Giovanni Falcones und Paolo Borsellinos Ermordung 2012 auf Initiative der »Stiftung Falcone« entstanden, die von Falcones Familie gegründet wurde.
Ergänzt wird das Programm mit dem Videointerview »Io, Falcone e Borsellino«, das die Journalistin Angela Rossi mit Oberst Sergio De Caprio auf Italienisch geführt hat. De Caprio, der auch als »Capitano Ultimo« bekannt ist, hat eng mit den zwei ermordeten Richtern zusammengearbeitet und setzt deren Kampf gegen die Mafia fort.
Weiter geht es am darauffolgenden Donnerstag, 29. Juni 2017 zum Schwerpunktthema »Frauen und die Mafia«. Dabei wird die Rolle der Frau in diesem Kontext von allen Seiten beleuchtet und auf verschiedene Weise vermittelt.
Den Anfang macht der Dokumentarfilm Die Frauen der Mafia von Barbara Conforti (2014), der auf Deutsch gezeigt wird. Im Mittelpunkt stehen Frauen, die auf irgendeine Art mit der Mafia zu tun haben oder hatten: Frauen, die als Komplizinnen agierten oder gegen die eigene Familie mit der Justiz zusammenarbeiteten.
Dieses komplette Spektrum deckt auch die Wanderausstellung »Frauen und Mafia« ab, die seit 2012 Frauen in Bild und Text porträtiert, deren Geschichten erzählt und stetig aktualisiert wird. Richterinnen, Bürgermeisterinnen, Täterinnen oder Opfer – alle sind sie im Angesicht des Verbrechens aufgewachsen und mussten sich später entscheiden: Mit der Mafia zu leben und sich mit ihr zu identifizieren oder gegen sie vorzugehen und sowohl ihre Existenz als auch ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Abgerundet wird dieser Abend mit einer Lesung. StudentInnen der Ludwig-Maximilians-Universität tragen auf Italienisch Ausschnitte aus dem Buch »Le ribelli« von Nando Dalla Chiesa vor, in dem es auch um Frauen geht, die Widerstand gegen die organisierte Kriminalität geleistet haben.
Am Sonntag, 2. Juli 2017, wird der Film Non parlo più – Das gebrochene Schweigen in Originalfassung gezeigt. Der Zweiteiler von 1995 erzählt die Lebensgeschichte der 17-jährigen, aus einer Mafiafamilie stammenden Rita Atria, die sich nach der Ermordung ihres Vaters und ihres Bruders dazu entschieden hat, mit der Justiz zusammenzuarbeiten und als Kronzeugin auszusagen. Zwischen den beiden Teilen des 215-minütigen Spielfilms gibt es Gelegenheit, dem anwesenden Regisseur Vittorio Nevano Fragen zu den Dreharbeiten zu stellen. Nach dem Film steht Nevano für eine Diskussion zur Verfügung.
Rita Atrias wichtigster Ansprechpartner und väterlicher Freund während des Prozesses war der Ermittlungsrichter Paolo Borsellino. Als dieser ermordet wird, beschließt sie, auch ihrem Leben ein Ende zu setzen. In ihr Tagebuch schreibt sie: »Wahrscheinlich wird nie eine ehrliche Welt existieren, aber wir können auf jeden Fall davon träumen und vielleicht, wenn jeder von uns seinen Beitrag leistet, schaffen wir es.«
Der Circolo Cento Fiori ist Mitglied der Filmstadt München e.V. und macht mehrmals im Jahr Filmveranstaltungen zu landeskundlichen Themen. Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe »Giovanni Falcone & Paolo Borsellino: Ihr Vermächtnis« gibt es hier.