22.06.2017

Der Traum von einer besseren Welt

Falcone und Borsellino
Giovanni Falcone und Paolo Borsellino

Die Münchner Veranstaltungsreihe »Giovanni Falcone & Paolo Borsellino: Ihr Vermächtnis« widmet sich in Filmen und mit Gesprächen dem Kampf gegen die Mafia

Von Elke Eckert

Der Circolo Cento Fiori, Mitglied der Filmstadt München e.V., ehrt mit der Veran­stal­tungs­reihe »Giovanni Falcone & Paolo Borsel­lino: Ihr Vermächtnis« zwei Richter, die vor einem Vier­tel­jahr­hun­dert von der Mafia ermordet wurden. Giovanni Falcone und Paolo Borsel­lino haben dafür gesorgt, dass es 1987 in Palermo zum Prozess gegen 460 Ange­klagte gekommen ist, der unter anderem zu 19 lebens­langen Frei­heits­strafen führte. Dieser Straf­pro­zess war der bis dahin wirk­samste Schlag des italie­ni­schen Staates gegen die Mafia – und das Todes­ur­teil für Falcone und Borsel­lino. An drei Tagen (24./29. Juni und 2. Juli) wird den beiden uner­schro­ckenen Juristen auf unter­schied­liche Art und Weise gedacht – mit Filmen, Inter­views, Vorträgen, Diskus­sionen und einer Ausstel­lung.

Aber die Veran­stal­tungs­reihe will nicht nur erinnern, sondern auch zeigen, was in den letzen 25 Jahren geschehen bezie­hungs­weise nicht geschehen ist, um die orga­ni­sierte Krimi­na­lität zu bekämpfen, die nicht nur ein italie­ni­sches, sondern ein gesamt­eu­ropäi­sches Phänomen ist. Spätes­tens seit am 15. August 2007 in Duisburg sechs Menschen vor einem italie­ni­schen Restau­rant von Angehö­rigen der kala­b­re­si­schen 'Ndran­gheta erschossen wurden, ist offen­sicht­lich, dass die Mafia auch bei uns Fuß gefasst hat. Das hat auch mit der deutschen Recht­spre­chung zu tun. Während in Italien gewa­schenes Kapital sofort beschlag­nahmt wird, wenn der Verdäch­tige nicht nach­weisen kann, woher der plötz­liche Geldsegen kommt, muss in Deutsch­land der Staat die Beweis­füh­rung über­nehmen. Und Verdäch­tige bleiben oft straffrei, weil sie natürlich erzählen, dass sie ihr Vermögen nicht illegalen Machen­schaften wie Waffen- und Drogen­de­likten verdanken, sondern ihren beruf­li­chen Einkünften oder der Unter­s­tüt­zung hilfs­be­reiter Verwandter und Freunde. So können sich mafiöse Struk­turen hier­zu­lande verfes­tigen. Um das zu ändern, müsste auch bei uns die Spur des Geldes rigoroser verfolgt werden.

Die erste Veran­stal­tung am kommenden Samstag, 24. Juni 2017, macht den Auftakt mit einem Gespräch zwischen Stefan Ulrich, lang­jäh­riger Itali­en­kor­re­spon­dent und aktuell stell­ver­tre­tender Leiter des Ressorts Außen­po­litik der »Süddeut­schen Zeitung«, und Gian Carlo Caselli, der von 1993 bis 1999 Staats­an­walt am Gericht von Palermo und damit ein Nach­folger von Falcone und Borsel­lino war, und der Jour­na­listin und Antimafia-Akti­vistin Marg­he­rita Bettoni.

Im Anschluss wird der halb­stün­dige Film Convitto Falcone (OmeU) gezeigt. Der Titel ist gleich­zeitig der Name der Grund­schule, in der auch Giovanni Falcone lesen und schreiben lernte und die nach seinem Tod nach ihm benannt worden ist. Weil ein altes Zeugnis von Falcone gefunden wurde, wird ein junger Jour­na­list, der ebenfalls dort zur Schule ging, losge­schickt, um eine Geschichte darüber zu schreiben. Dabei erinnert er sich an ein Erlebnis, das sein Leben geprägt hat: Als Junge hat er versucht, bei einem Fußball­spiel den Schieds­richter zu bestechen. Als ein Lehrer das mitbe­kommt, zeigt er ihm ein Foto von Falcone und erzählt ihm dessen Geschichte. Und so lernt der Junge, dass man im Leben immer die Wahl hat, sich für die richtige Sache zu entscheiden.

Der Film ist anläss­lich des 20. Gedenk­tages von Giovanni Falcones und Paolo Borsel­linos Ermordung 2012 auf Initia­tive der »Stiftung Falcone« entstanden, die von Falcones Familie gegründet wurde.

Ergänzt wird das Programm mit dem Video­in­ter­view »Io, Falcone e Borsel­lino«, das die Jour­na­listin Angela Rossi mit Oberst Sergio De Caprio auf Italie­nisch geführt hat. De Caprio, der auch als »Capitano Ultimo« bekannt ist, hat eng mit den zwei ermor­deten Richtern zusam­men­ge­ar­beitet und setzt deren Kampf gegen die Mafia fort.

Weiter geht es am darauf­fol­genden Donnerstag, 29. Juni 2017 zum Schwer­punkt­thema »Frauen und die Mafia«. Dabei wird die Rolle der Frau in diesem Kontext von allen Seiten beleuchtet und auf verschie­dene Weise vermit­telt.

Den Anfang macht der Doku­men­tar­film Die Frauen der Mafia von Barbara Conforti (2014), der auf Deutsch gezeigt wird. Im Mittel­punkt stehen Frauen, die auf irgend­eine Art mit der Mafia zu tun haben oder hatten: Frauen, die als Kompli­zinnen agierten oder gegen die eigene Familie mit der Justiz zusam­men­ar­bei­teten.

Dieses komplette Spektrum deckt auch die Wander­aus­stel­lung »Frauen und Mafia« ab, die seit 2012 Frauen in Bild und Text porträ­tiert, deren Geschichten erzählt und stetig aktua­li­siert wird. Rich­te­rinnen, Bürger­meis­te­rinnen, Täte­rinnen oder Opfer – alle sind sie im Angesicht des Verbre­chens aufge­wachsen und mussten sich später entscheiden: Mit der Mafia zu leben und sich mit ihr zu iden­ti­fi­zieren oder gegen sie vorzu­gehen und sowohl ihre Existenz als auch ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

Abge­rundet wird dieser Abend mit einer Lesung. Studen­tInnen der Ludwig-Maxi­mi­lians-Univer­sität tragen auf Italie­nisch Ausschnitte aus dem Buch »Le ribelli« von Nando Dalla Chiesa vor, in dem es auch um Frauen geht, die Wider­stand gegen die orga­ni­sierte Krimi­na­lität geleistet haben.

Am Sonntag, 2. Juli 2017, wird der Film Non parlo più – Das gebro­chene Schweigen in Origi­nal­fas­sung gezeigt. Der Zwei­teiler von 1995 erzählt die Lebens­ge­schichte der 17-jährigen, aus einer Mafia­f­a­milie stam­menden Rita Atria, die sich nach der Ermordung ihres Vaters und ihres Bruders dazu entschieden hat, mit der Justiz zusam­men­zu­ar­beiten und als Kron­zeugin auszu­sagen. Zwischen den beiden Teilen des 215-minütigen Spiel­films gibt es Gele­gen­heit, dem anwe­senden Regisseur Vittorio Nevano Fragen zu den Dreh­ar­beiten zu stellen. Nach dem Film steht Nevano für eine Diskus­sion zur Verfügung.

Rita Atrias wich­tigster Ansprech­partner und väter­li­cher Freund während des Prozesses war der Ermitt­lungs­richter Paolo Borsel­lino. Als dieser ermordet wird, beschließt sie, auch ihrem Leben ein Ende zu setzen. In ihr Tagebuch schreibt sie: »Wahr­schein­lich wird nie eine ehrliche Welt exis­tieren, aber wir können auf jeden Fall davon träumen und viel­leicht, wenn jeder von uns seinen Beitrag leistet, schaffen wir es.«

Der Circolo Cento Fiori ist Mitglied der Filmstadt München e.V. und macht mehrmals im Jahr Film­ver­an­stal­tungen zu landes­kund­li­chen Themen. Mehr Infor­ma­tionen zur Veran­stal­tungs­reihe »Giovanni Falcone & Paolo Borsel­lino: Ihr Vermächtnis« gibt es hier.