Hippes Georgien |
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Scary Mother spielt vor einer kafkaesken Kulisse |
Von Hanni Beckmann
Wer hätte das gedacht. Geheimer Dreh- und Angelpunkt der Georgischen Filmtage ist: Claus Hipp. Der Babygläschen-Unternehmer ist, wie kaum einer weiß, unter seinem Geburtsnamen Nikolaus Hipp ein anerkannter bildender Künstler, der in den bewegten 1960er Jahren in München an der Kunstakademie studierte. Heute ist der mittlerweile 80-Jährige ordentlicher Professor an der Staatlichen Kunstakademie in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, und seit 2008 gar Honorarkonsul für die Georgische Botschaft in Deutschland.
Diese kuriose Verbundenheit Münchens mit Georgien mag einer der Gründe sein, wieso es in München seit 2017 ein weiteres Länderfestival gibt – zumindest hält Claus Hipp am heutigen Donnerstag die Eröffnungsrede zu den Georgischen Filmtagen im Filmmuseum München. Abgesehen davon, dass die Unterteilung des Weltkinos in die Filmnationen irgendwie an die Olympischen Spiele und den Einmarsch der Nationen erinnert, ist Georgien aber auch ein Filmland, das in den letzten Jahren eine immer stärkere internationale Präsenz erhielt. Ein wenig hat es sich den Stil der Rumänen abgeguckt und macht Filme mit langen Einstellungen, Geschichten der kleinen Leute, zeigt Sozialmisere, ist karg-poetisch und meist ohne Kitsch.
Das Programm der Georgischen Filmtage, das die in München lebende georgische Musikproduzentin Tea Robakidze-Brown zusammengestellt hat, zeigt durch seine Auswahl, dass das Filmland Georgien in den 2010er Jahren bedeutsam geworden ist. Da ist zum Beispiel Scary Mother (2017), ein kafkaesker Film von Ana Urushadze. Der Film erzählt von einer Mutter, die ganz in einer Parallelwelt als Schriftstellerin aufgeht, in ihrem Verleger einen Seelenverwandten findet und ihre Familie verlässt. Der Familienvater zwingt sie mit allen Mitteln zu bleiben, schließlich driftet der Film in subtilen Horror ab. Ein Glanzstück des zeitgenössischen Georgischen Films, der vor der atemberaubenden Kulisse eines heruntergekommenen riesigen Mietshauses spielt, das mit dem Rest der Stadt durch eine Art Zugbrücke verbunden ist. (Freitag, 3.5., 17:30 Uhr, Werkstattkino)
Eröffnet werden die Georgischen Filmtage am heutigen Donnerstag mit Namme von Zaza Khalvashi, der 2015 mit seinem rauh-poetischen Solomon bekannt wurde. Namme spielt in der Abgeschiedenheit der Berge. Eine Heilquelle bildet das Zentrum des Films, ihr Antagonist ist ein
Wasserkraftwerk, das in der Nähe gebaut wird. Namme, die Tochter der Familie, die die Quelle hütet, wirkt in dem zunehmend entvölkerten Dorf wie ein ätherisches Wesen von einer anderen Welt. In dem wunderschön anzuschauenden (Kamera: Giorgi Shvelidze) und nach innerer Einkehr verlangenden Film geht es natürlich um die Frage, wie die Tradition – und die Natur – angesichts der sich rasant verändernden Welt weiterbestehen kann.
(Donnerstag, 2.5., 19 Uhr, Filmmuseum
München, in Anwesenheit von Zaza Khalvashi)
Die Welt ist in den Filmen Georgiens eigentlich immer poetisch, lakonisch, meditativ, karg, aber auch wunderschön. City of the Sun (2017) von Rati Oneli ist so ein stiller, ins Schöne abdriftender Dokumentarfilm, der auf zahlreichen Festivals lief und viele Preise gewann. Es geht um die Mangan-Minen in Tschiatura, die heute stillgelegt sind. Eine Reise in eine apoklyptische Geisterstadt.(Samstag, 4.5., 20 Uhr, Werkstattkino, in Anwesenheit von Rati Oneli)
The Confession von Zaza Urushadze dringt ebenfalls tief in die Einsamkeit des Landes ein. Im Zentrum steht ein Priester, der in ein kleines Bergdorf geschickt wird. Dort trifft er auf eine blonde Schönheit, die sein Priestergelübde auf die Probe stellt. Was sich im Plot reißerisch anhört, ist auf der Leinwand ein durch und durch berührender Film. (Sonntag, 5.5., 17:30 Uhr, Werkstattkino)
Den Abschluss macht ein Werk des berühmten Otar Iosseliani: Die Singdrossel. Die melancholische Komödie um einen jungen Musiker, der im Orchester von Tiflis auf die Pauke haut und sich ansonsten mehr schlecht denn recht durchs sowjetische Leben schlägt, entstand 1970 und ist der erst zweite Film des georgischen Großmeisters. Der Film wurde damals in russischer Synchronisation in den Sowjetrepubliken aufgeführt, erst später wurde die georgische Originalfassung gezeigt. Diese ist jetzt bei den Georgischen Filmtagen zu sehen, als 35mm-Kopie. (Sonntag, 5.5., 20:00, Werkstattkino)
Georgische Filmtage
2. bis 5. Mai 2019
Filmmuseum München (Eröffnung), Werkstattkino
Veranstalter: Tea’s Tea Cup Festival
Mehr Informationen und komplette Programmübersicht: teacupfilmfestival.jimdofree.com/