Der Frauenversteher |
||
Il sole negli occhi (1953), Antonio Pietrangelis Regiedebüt |
Von Elke Eckert
Die Retrospektive umfasst acht seiner Filme, die zwischen 1953 und 1965 entstanden sind. Bevor Pietrangeli seinen ersten eigenen Film drehte, schloss er ein Medizinstudium ab und war einige Jahre als Filmkritiker tätig. Später schrieb er Drehbücher, unter anderem für Die Erde bebt von Luchino Visconti, und arbeitete als Regieassistent. Mittelpunkt seiner Werke sind häufig Frauen, deren Rolle sich in der modernen Nachkriegsgesellschaft veränderte, und die versuchten, neu gewonnene Freiheiten gegen traditionelle Wertvorstellungen zu verteidigen. Ihre Wünsche und Sehnsüchte, aber auch ihre Enttäuschungen in einer immer noch männerdominierten Welt stehen im Vordergrund. Pietrangeli erzählt seine gesellschaftskritischen Geschichten im Stil der „Commedia all’ Italiana“, indem er Komik mit Sarkasmus und Melancholie kombiniert.
Der erste Film der Reihe ist gleichzeitig Antonio Pietrangelis Regiedebüt von 1953. In Il sole negli occhi (Sonne in den Augen) kommt eine junge Frau vom Land in die Hauptstadt. Rund um den antiken Kern Roms wachsen Neubausiedlungen in die Höhe. Celestina fällt es schwer, sich in der kalten Gleichförmigkeit zurechtzufinden. Auf sich allein gestellt und als Dienstmädchen arbeitend, lernt sie einen Mann kennen, der sich als Enttäuschung entpuppt. Rückhalt findet sie bei anderen Frauen, die sich ihr gegenüber solidarisch zeigen. Im Anschluss an die Vorstellung führt Ambra Sorrentino-Becker, die die gezeigten Filme auswählte, das Publikum in das Werk Pietrangelis ein. (Freitag, 29. November ab 18.30 Uhr)
Der Unterschied zwischen Stadt und Land kommt auch in Lo scapolo (Der Junggeselle) zum Tragen. Der sehr auf sein Äußeres bedachte Paolo verlässt sein Heimatdorf, um in der Stadt die Frauen mit seinen Verführungskünsten zu beglücken. Die Beziehung zu einer Stewardess verläuft im Sand, weil Paolo jemand anderen mehr liebt: sich selbst. Die mit Alberto Sordi in der Titelrolle glänzend besetzte Komödie von 1956 durchzieht ein melancholischer Grundton. Sordi spielt Paolo als tragikomischen Antihelden, der sich wegen seiner Ichbezogenheit selbst im Weg steht. Nach dem Film findet im Foyer des Filmmuseums, im ersten Obergeschoss, ein Empfang statt. (Samstag, 30. November ab 18.30 Uhr)
Heiter-melancholisch lässt sich auch Adua e le compagne (Adua und ihre Gefährtinnen) von 1960 an. Weil 1958 Bordelle in Italien für illegal erklärt wurden, wollen sich nach der Schließung eines solchen Etablissements vier Frauen mit einer Trattoria selbstständig machen. Doch ihre Euphorie wird schnell durch Korruption und andere unerfreuliche Nebenerscheinungen gebremst. Eine Paraderolle für Simone Signoret, die als Adua ihr Leben gemeinsam mit ihren Freundinnen endlich selbst in die Hand nehmen will. Insgesamt hervorragend besetzt, unter anderem auch mit Marcello Mastroianni, zeichnet Pietrangeli ein Porträt der italienischen Gesellschaft Ende der 1950er-Jahre. (Sonntag, 1. Dezember ab 18.30 Uhr)
In Fantasmi A Roma (Das Spukschloss in der Via Veneto) spielt Marcello Mastroianni einen jungen Mann, der einen alten Palazzo in Rom erbt. Statt in das morbide Anwesen einzuziehen, will er den Nachlass schnell verkaufen. Der altehrwürdige Stammsitz des seligen Principe Don Annibale soll nämlich einem Einkaufszentrum weichen. Doch der junge Erbe hat seine Rechung ohne die
Schlossgeister gemacht, die alles tun, um den Verkauf zu verhindern. Die Komödie mit Fantasy-Elementen von 1961 ist eine ironische Hommage an das alte Rom beziehungsweise an das ursprüngliche Italien der Vergangenheit, das immer mehr einer modernen Fortschrittlichkeit Platz machen muss. Pietrangeli macht damit, wie in einigen seiner Filme, auch auf das wachsende Profitdenken aufmerksam und nimmt es auf die Schippe. Filmkritiker Gerhard Midding gibt zu Beginn der Veranstaltung
eine Einführung.
(Freitag, 6. Dezember ab 18.30 Uhr)
Gerhard Midding führt auch in die Beziehungskomödie La Visita (Der Ehekandidat) von 1963 ein. Pina ist Mitte 30 und lebt mit ihren Tieren in einem Haus auf dem Land. Ab und zu hat sie eine Affäre. Über eine Kontaktanzeige lernt sie einen Buchhändler aus Rom kennen. Adolfo, so heißt der Ehekandidat, kommt zu Pina in die Poebene. In Rückblenden erfährt der Zuschauer mehr über das Leben der beiden, ihre Vorstellungen und Träume. Wie Pietrangeli die Begegnung zwischen der unabhängigen, aber einsamen Mittdreißigerin und dem unbeholfenen Kauz schildert, ist fein beobachtet. In einer Nebenrolle ist Mario Adorf zu sehen. (Samstag, 7. Dezember ab 18.30 Uhr)
Eine selbstbewusste Frauenfigur, die sich nicht von überholten Moralvorstellungen vorschreiben lassen will, wie sie zu leben und zu lieben hat, ist auch La Parmigiana (Das Mädchen aus Parma). Auf der Suche nach dem richtigen und vor allem ebenbürtigen Mann, gerät diese Dora an einen Priesterseminaristen, einen Werbefotografen und bei einem Neustart in Parma an einen naiven Sizilianer, der mit ihrer Freizügigkeit und Selbstbestimmtheit nur schwer zurechtkommt. Pietrangeli erzählt auch hier mit vielen Rückblenden die Geschichte einer Frau, die ihrer Zeit voraus ist. Die in Paris geborene und bei den Dreharbeiten 1963 erst 18-Jährige Catherine Spaak, wurde in den 1960er-Jahren häufig als Lolita besetzt, ließ sich aber nie als Lustobjekt vereinnahmen und wurde damit zu einer Vorreiterin der Emanzipationsbewegung. (Sonntag, 8. Dezember ab 18.30 Uhr)
Um den Wandel der Geschlechterrollen geht es auch in der Gesellschaftskomödie Il Magnifico Cornuto (Cocü) von 1964. Der reiche Hutfabrikant Artusi befürchtet, dass seine attraktive Frau fremdgeht, und will ihr unbedingt auf die Schliche kommen. Für ihn selbst gelten andere Regeln, seine Seitensprünge sind eine Selbstverständlichkeit. Ugo Tognazzi und Claudia Cardinale glänzen als Ehepaar auf Abwegen. Während Tognazzi erst in den 1970er-Jahren mit „Das große Fressen“ und „Ein Käfig voller Narren“ seine ganz großen Erfolge feiern konnte, war die Cardinale schon in den Sechzigern ein Star, unter anderem dank Rocco und seine Brüder und Der Leopard. (Freitag, 13. Dezember ab 18.30 Uhr)
In Io la conoscevo bene (Ich habe sie gut gekannt) von 1965 kommt mit Adriana wieder eine junge Frau aus der Provinz nach Rom. Sie will den wirtschaftlichen Aufschwung für sich nutzen und als Schauspielerin berühmt werden. In der Zwischenzeit verdient sie ihr Geld mit Gelegenheitsjobs und hat wechselnde Männerbekanntschaften. Dass sie wie viele von Pietrangelis Protagonistinnen letztendlich nicht nur an ihren eigenen Ansprüchen, sondern vor allem an ausbeuterischen Beziehungsverhältnissen scheitert, wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die immer noch sehr starren und verlogenen Moralvorstellungen der damaligen Zeit. Antonio Pietrangeli bekam für diesen gesellschaftskritischen Film, der gleichzeitig sein letzter war, den er noch selbst vor seinem Unfalltod fertig stellen konnte, viel Anerkennung. Unter anderem erhielt er den Preis der italienischen Filmkritiker für die beste Regie, das beste Drehbuch und den besten Nebendarsteller, Ugo Tognazzi. An dessen Seite brillierte die 19-jährige Stefania Sandrelli in ihrer ersten Hauptrolle. Bei dieser letzten Vorstellung ist Carmen Accaputo vom „Cineteca di Bologna“ zu Gast. (Samstag, 14. Dezember ab 18.30 Uhr)
Die Filmreihe Antonio Pietrangeli – Der Regisseur, der die Frauen liebte ist vom 29. November bis 14. Dezember im Filmmuseum München zu sehen.