35. DOK.fest München 2020
Buena Vista Headbang Club |
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Nicht alle Konzerte laufen wie geplant | ||
(Foto: Nicholas Brennan / DOK.fest München@home) |
»They hated us, because we were something different.« Mit diesem Satz begrüßt uns Dionisio Arce, Sänger der kubanischen Metal-Band Zeus in Los Últimos Frikis. Hierzulande dürften lange Haare, Totenkopf-Shirts, harte Riffs und Schreigesang nur noch die Wenigsten schockieren. Allerspätestens seit Wacken ist Heavy Metal auch in der deutschen Gesellschaft angekommen. Ganz anders in Kuba: Unter Castros sozialistischer Diktatur waren Anhänger der Subkultur Polizeigewalt und staatlicher Repression ausgesetzt. Für Dionisio setzte es sogar Knast. Trotzem halten er und seine Mitstreiter auch heute noch die Fahne hoch. »But here we are. We are the last freaks in Havanna.«
Dem kann man schwer widersprechen. Trotz ihres 25-jährigen Bestehens sind Zeus eine exotische Randerscheinung in ihrem Heimatland. Außerhalb Kubas sind sie nicht mal das, da kennt sie nämlich kein Mensch. Für die Kinder auf den Straßen Havannas ist Dionisio in erster Linie dieser komische, langhaarige Typ, der schreit. Für die wenigen treuen Fans sind sie Legenden, wie es sie kein zweites Mal gibt. Auch ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung ziehen sie ein Stammpublikum an, das feiert, bis Blut fließt (anschließende Krankenversorgung inklusive). Anlass genug, auf die erste Tour durch ihr Heimatland zu gehen.
Regisseur Nicholas Brennan hat kein Interesse daran, die Musiker als überlebensgroße Rocklegenden zu inszenieren. Sie sind recht normale Männer mittleren Alters mit ihren Familien und Brotberufen. An sich nichts Ungewöhnliches, sieht doch das Privatleben der meisten Musiker aus der härteren Richtung genauso geregelt aus. Was das Besondere an Zeus ist, kann man in Deutschland auch nicht verstehen. Wo sich hier um Heavy Metal eine rege Szene gebildet hat, war es den Jugendlichen in Kuba von Staates wegen verboten, sich in der feindlichen Musik des Westens zu verlieren. In den Achtzigern gründete Dionisio die Gruppe Venus, die ihm einen sechsjährigen Gefängnisaufenthalt einbrachte. Während seiner Gefangenschaft wurde auch Kuba liberaler und wieder in Freiheit fand er fruchtbaren Nährboden für sein nächstes Projekt. Musikalisch im Thrash Metal beheimatet, verarbeiteten sie die jahrelange Frustration, Unterdrückung und Knechtschaft, gaben der jungen Generation endlich den Soundtrack, den sie brauchten.
Und wie sieht es heute aus? Los Últimos frikis macht leider klar, dass die Saat nicht so aufgegangen ist wie erhofft. Die kubanische Jugend des 21. Jahrhunderts findet sich eher in kommerzieller Tanzmucke wieder, als in donnernden Riffs und gegrowlten Wuttiraden. In den angesagten Clubs ist für die Band kein Platz mehr. Teilweise findet man am vereinbarten Veranstaltungsort auch noch gähnende Leere vor. Zeus stehen vor den Folgen jahrzehntelanger Nichtbeachtung einer Underground-Kultur. Sie waren damals mit der richtigen Message am richtigen Ort, doch die Zeit war ihnen hinterher.
Trotzdem ist Nicholas Brennans Film mehr als ein pessimistischer Lagebericht. Los Últimos frikis ist durchzogen von Aufbruchsgeist und dem unerschütterlichen Willen, sein eigenes Ding zu machen. Stilistisch bleibt er in einem recht konventionellen Rockumentary-Stil, inhaltlich jedoch erzählt er eine ganz eigene Geschichte, die nur in einem Land wie Kuba spielen kann. Wo sonst würde ein Tourbus normales Reisevolk mit aufgabeln? Man muss kein Headbanger sein, um Gefallen an diesem Stück übersehener kubanischer Musikgeschichte zu finden. Und letzten Endes bleibt die Hoffnung, dass es in Kuba bald wieder ein paar Freaks mehr gibt.