09.04.2020
35. DOK.fest München 2020

Auf ein Neues!

Filmfest wegen Corona abgesagt
Dieses Jahr fällt der Sommer an der Isar aus
(Foto: Filmfest München / artechock)

Das Filmfest München wurde Corona-bedingt abgesagt. Digitalministerin Gerlach und Festivalleiterin Iljine kündigen für das nächste Jahr eine »Neuausrichtung« an

Von Dunja Bialas

Über­ra­schend kam sie nicht, die Absage des Filmfest München, sie war seit der Ankün­di­gung von Cannes, auf den Termin des Filmfests zu gehen, absehbar – keine Filme aus Cannes, keine illustren Gäste, keine Fach­be­su­cher, keine Presse hätte das bedeutet. So wurde in »Abstim­mung mit den Gesell­schaf­tern«, wie es in der Pres­se­mit­tei­lung absi­chernd heißt, das Festival für 2020 abgesagt. Vor dem Hinter­grund der Unvor­her­sag­bar­keit der Corona-Epidemie und der erwart­baren »Konzen­tra­tion aller auf die wesent­li­chen Schlüs­sel­bran­chen und vor allem auf das Gesund­heits­wesen« sei »es leider nicht möglich, ein Festival weiter zu planen, das ganz essen­tiell auf die Begegnung von Film­schaf­fenden aus aller Welt mitein­ander und mit dem Münchner Publikum ange­wiesen ist«, heißt es in der Pres­se­mit­tei­lung. Wie richtig, wie traurig, wie wahr.

Was dann aber doch über­rascht, ist, dass der virus­er­starkte Söder, der gerade bundes­weit ein kaum zu fassendes Umfra­ge­hoch genießt, nicht auf die Digi­ta­lität und Virtua­lität des Filmfests gepocht hat. Hatte er doch die Erhöhung der Bezu­schus­sung des Festivals um 3 Millionen Euro mit der Vorgabe an das Filmfest, »Games« und »Virtual Reality« zum Thema zu machen, verspro­chen. Letztes Jahr hatte man von dieser Planung nur eine Schrumpf­stufe in Form einer kleinen begeh­baren VR-Ausstel­lung mit nur wenigen Konsolen vorge­funden, zu deren Eröffnung noch nicht einmal ein offi­zi­eller Vertreter vorbei­ge­schickt worden war. Will­kommen in den »Virtual Worlds«. Jetzt wäre der Moment gewesen, die Digi­ta­li­sie­rung des Festivals voran­zu­treiben. Mit Masken, versteht sich, aber auch Brillen, die dann nach Benutzung stets desin­fi­ziert worden wären, damit der nächste, unter Wahrung der Abstands­vor­schriften, sich in die virtuelle Wirk­lich­keit hätte eska­pieren können. Endlich weg vom Balkon.

Aber anschei­nend ist das Filmfest noch nicht so weit. Im Gegenteil. Die »Virtual Worlds« sollen im Spätherbst als eigen­s­tän­dige Veran­stal­tung statt­finden.

Ein Statement von Digi­tal­minis­terin Judith Gerlach, das als offi­zi­elle Verlaut­ba­rung den Weg in die Pres­se­mit­tei­lung gefunden hat, beun­ru­higt in diesem Zusam­men­hang aber dennoch, sogar sehr. »Corona verändert unser aller Leben. (…) Das nächste Ziel ist die Neuaus­rich­tung des Filmfests, um nächstes Jahr hoffent­lich gestärkt wieder durch­starten zu können.« Die Neuaus­rich­tung des Filmfests. Das Jahr 2020 hätte die zweite Edition unter der Finanz­spritze von Söder werden sollen, wobei mir auch aus Film­fest­kreisen noch nicht glaub­würdig versi­chert wurde, dass bislang signi­fi­kantes Geld geflossen sei. Noch gibt es keinen neu einge­rich­teten Posten, damit sich einer mit Kompetenz um Games und VR kümmern kann, lediglich eine »enge« Zusam­men­ar­beit mit dem Festival »Virtual Worlds Festival«, das inklusive Mitbe­grün­derin Astrid Kahmke Anfang Februar in die Medien.Bayern GmbH einge­glie­dert wurde.

Wer weiß, wie sich das entwi­ckelt. Am Ende nehmen Frau Gerlach und Herr Söder Corona als Chance, die vom Virus verun­mög­lichte Kultur­praxis »Filme im Kino sehen« wenn nicht abzulösen (dagegen spricht die Cine­philie der Festi­val­mit­ar­beiter*innen), so doch wesent­lich zurück­zu­drängen, durch die Verein­ze­lung der Besucher*innen hinter die Brillen der Reali­täts­si­mu­la­tionen.

Auch Festi­val­lei­terin Diana Iljine stellt in Aussicht: »Wir haben für die Zukunft noch viel vor mit dem Filmfest München und genau daran werden wir jetzt als Team arbeiten. 2021 wird das Filmfest München wieder all das bieten, für das die Leute es lieben – und so viel wage ich zu verspre­chen: nicht nur das Bekannte, sondern mehr und Neues.«

Klingt das jetzt eher wie ein Verspre­chen oder wie eine Drohung? In den in der Pres­se­mit­tei­lung ebenfalls verlaut­barten Worten der Digi­tal­minis­terin »Corona verändert unser aller Leben« steht nicht unbedingt das Bedauern an erster Stelle. Akzen­tu­iert wird mehr die Tatsa­chen­be­haup­tung und die jetzt einge­for­derte Adap­ti­ons­be­reit­schaft aller an die verän­derten Verhält­nisse – die bis nach Corona andauern werden, darauf werden wir schon vorbe­reitet. Am Ende werden die behaup­tete Alter­na­tiv­lo­sig­keit, die Schaffung voll­endeter Tatsachen, die tech­no­lo­gi­sche Evolution und auf der anderen Seite die natür­liche Auslese – biolo­gisch, ökono­misch und kulturell – unser aller Leben verändert haben.

Das Filmfest München jeden­falls hat in seiner alten Form wohl letztes Jahr auch zum letzten Mal statt­ge­funden. Wie schade.