35. DOK.fest München 2020
Auf ein Neues! |
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Dieses Jahr fällt der Sommer an der Isar aus | ||
(Foto: Filmfest München / artechock) |
Von Dunja Bialas
Überraschend kam sie nicht, die Absage des Filmfest München, sie war seit der Ankündigung von Cannes, auf den Termin des Filmfests zu gehen, absehbar – keine Filme aus Cannes, keine illustren Gäste, keine Fachbesucher, keine Presse hätte das bedeutet. So wurde in »Abstimmung mit den Gesellschaftern«, wie es in der Pressemitteilung absichernd heißt, das Festival für 2020 abgesagt. Vor dem Hintergrund der Unvorhersagbarkeit der Corona-Epidemie und der erwartbaren »Konzentration aller auf die wesentlichen Schlüsselbranchen und vor allem auf das Gesundheitswesen« sei »es leider nicht möglich, ein Festival weiter zu planen, das ganz essentiell auf die Begegnung von Filmschaffenden aus aller Welt miteinander und mit dem Münchner Publikum angewiesen ist«, heißt es in der Pressemitteilung. Wie richtig, wie traurig, wie wahr.
Was dann aber doch überrascht, ist, dass der viruserstarkte Söder, der gerade bundesweit ein kaum zu fassendes Umfragehoch genießt, nicht auf die Digitalität und Virtualität des Filmfests gepocht hat. Hatte er doch die Erhöhung der Bezuschussung des Festivals um 3 Millionen Euro mit der Vorgabe an das Filmfest, »Games« und »Virtual Reality« zum Thema zu machen, versprochen. Letztes Jahr hatte man von dieser Planung nur eine Schrumpfstufe in Form einer kleinen begehbaren VR-Ausstellung mit nur wenigen Konsolen vorgefunden, zu deren Eröffnung noch nicht einmal ein offizieller Vertreter vorbeigeschickt worden war. Willkommen in den »Virtual Worlds«. Jetzt wäre der Moment gewesen, die Digitalisierung des Festivals voranzutreiben. Mit Masken, versteht sich, aber auch Brillen, die dann nach Benutzung stets desinfiziert worden wären, damit der nächste, unter Wahrung der Abstandsvorschriften, sich in die virtuelle Wirklichkeit hätte eskapieren können. Endlich weg vom Balkon.
Aber anscheinend ist das Filmfest noch nicht so weit. Im Gegenteil. Die »Virtual Worlds« sollen im Spätherbst als eigenständige Veranstaltung stattfinden.
Ein Statement von Digitalministerin Judith Gerlach, das als offizielle Verlautbarung den Weg in die Pressemitteilung gefunden hat, beunruhigt in diesem Zusammenhang aber dennoch, sogar sehr. »Corona verändert unser aller Leben. (…) Das nächste Ziel ist die Neuausrichtung des Filmfests, um nächstes Jahr hoffentlich gestärkt wieder durchstarten zu können.« Die Neuausrichtung des Filmfests. Das Jahr 2020 hätte die zweite Edition unter der Finanzspritze von Söder werden sollen, wobei mir auch aus Filmfestkreisen noch nicht glaubwürdig versichert wurde, dass bislang signifikantes Geld geflossen sei. Noch gibt es keinen neu eingerichteten Posten, damit sich einer mit Kompetenz um Games und VR kümmern kann, lediglich eine »enge« Zusammenarbeit mit dem Festival »Virtual Worlds Festival«, das inklusive Mitbegründerin Astrid Kahmke Anfang Februar in die Medien.Bayern GmbH eingegliedert wurde.
Wer weiß, wie sich das entwickelt. Am Ende nehmen Frau Gerlach und Herr Söder Corona als Chance, die vom Virus verunmöglichte Kulturpraxis »Filme im Kino sehen« wenn nicht abzulösen (dagegen spricht die Cinephilie der Festivalmitarbeiter*innen), so doch wesentlich zurückzudrängen, durch die Vereinzelung der Besucher*innen hinter die Brillen der Realitätssimulationen.
Auch Festivalleiterin Diana Iljine stellt in Aussicht: »Wir haben für die Zukunft noch viel vor mit dem Filmfest München und genau daran werden wir jetzt als Team arbeiten. 2021 wird das Filmfest München wieder all das bieten, für das die Leute es lieben – und so viel wage ich zu versprechen: nicht nur das Bekannte, sondern mehr und Neues.«
Klingt das jetzt eher wie ein Versprechen oder wie eine Drohung? In den in der Pressemitteilung ebenfalls verlautbarten Worten der Digitalministerin »Corona verändert unser aller Leben« steht nicht unbedingt das Bedauern an erster Stelle. Akzentuiert wird mehr die Tatsachenbehauptung und die jetzt eingeforderte Adaptionsbereitschaft aller an die veränderten Verhältnisse – die bis nach Corona andauern werden, darauf werden wir schon vorbereitet. Am Ende werden die behauptete Alternativlosigkeit, die Schaffung vollendeter Tatsachen, die technologische Evolution und auf der anderen Seite die natürliche Auslese – biologisch, ökonomisch und kulturell – unser aller Leben verändert haben.
Das Filmfest München jedenfalls hat in seiner alten Form wohl letztes Jahr auch zum letzten Mal stattgefunden. Wie schade.