11.07.2024
41. Filmfest München 2024

Wer bin ich und warum bin ich auf dieser Welt?

Im Rosengarten
Leis Bagdachs „Identitätsdrama“ Im Rosengarten...
(Foto: Neufilm / 41. Filmfest München)

Das Neue Deutsche Kino auf dem 41. Filmfest ist so divers wie nie zuvor, alles scheint möglich – unter der Voraussetzung, dass es mit all den neuen und alten Identitäten auch wirklich klappt

Von Axel Timo Purr

Hatten die letzten Ausgeben der Sektion neues deutsches Kino auf dem Filmfest München noch relativ eng umrissene Schnitt­mengen wie 2022 die der Heimat oder 2023 die eher toxische Welt der sozialen Blasen, ist der gegen­wär­tige Jahrgang gar nicht so einfach auf ein Schlag­wort fest­zu­legen. Es ist vielmehr eine neue Diver­sität, die heraus­sticht und die viel­leicht als Gegen­ge­wicht zu der zuneh­menden Verdich­tung popu­lis­ti­scher Politik begriffen werden muss. Denn sucht die popu­lis­ti­sche Politik ja stets nach einer soge­nannten einfachen Lösung im Minions-Stil, so geht zumindest der neue deutsche Film den schwie­ri­geren Weg – er zeigt Tendenzen auf, mal priva­tis­tisch, dann wieder politisch oder einfach nur eska­pis­tisch, die zeigen, wohin unser gesell­schaft­li­cher Weg in den kommenden Jahren führen kann.

Private Fluchten und Selbst­fin­dungen

In einer Gesell­schaft, die, wie Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim schon Mitte der 1990er Jahre konsta­tierten, riskanten Frei­heiten ausge­setzt ist, bedeutet Freiheit immer auch, sie sich immer wieder neu erkämpfen zu müssen. Auch wenn dies noch so »priva­tis­tisch« und viel­leicht »eska­pis­tisch« aussehen mag, ist diese Möglich­keit natürlich immer auch das Spie­gel­bild eines noch freien poli­ti­schen Systems, in dem für einen Filme­ma­cher, wie den Helden aus Fabians Stumms Sad Jokes, Trau­rig­keit erlaubt sein muss, mehr noch sogar gefragt werden darf, ob nicht Trau­rig­keit und Scheitern die eigent­liche Grundlage jeden Humors sind? Stumm gibt nicht nur eine Antwort, sondern über sein bis in die kleinste Neben­rolle groß­ar­tiges Ensemble variiert er Antworten auf beruf­li­cher und persön­li­cher Ebene mit Dialogen, die fast immer unter die Haut gehen und über­ra­schen und dann auch wirklich komisch sind. Allein der sich grandios entwi­ckelnde Monolog aus Schillers Jungfrau von Orleans erzählt ein ganzes Leben, so traurig wie schön. Keine Über­ra­schung also, dass Stumms Film sowohl den FIPRESCI- als auch den Förder­preis Neues Deutsches Kino für Regie erhalten hat.

Auch in Aaron Arens’ Sonnen­plätze ist eine tiefe Trau­rig­keit omni­prä­sent, gibt es Liebe ohne Leiden nicht und ist die Hölle immer zuerst die eigene Familie. Da hilft es natürlich auch nicht, wenn die Familie sich wie in Arens Fami­li­en­drama im intel­lek­tu­ellen Milieu einer Schrift­steller- und Verle­ger­fa­milie bewegt und das Reflek­tieren über das eigene Leben zum beruf­li­chen und privaten Alltag wie die Butter aufs Brot gehört. Arens Intro­spek­tive einer dysfunk­tio­nalen Familie überzeugt vor allem durch den mutigen Ansatz, keine Person sympa­thisch zu zeichnen und irgendwie alle schlecht wegkommen zu lassen – so wie in dem Debü­t­roman der hier gezeigten Tochter und Jung­s­chrift­stel­lerin. Dass es auch hier ein Sehn­suchtsort der Deutschen sein muss, so wie in Sabba­tical und All We Ever Wanted, um eine deutsche Familie zu dekon­stru­ieren, also eine etwas banale Hinter­fra­gung eines vermeint­li­chen Para­dieses, hätte nicht unbedingt sein müssen, aber für den Drehbuch-Förder­preis Neues Deutsches Kino hat es dennoch gereicht.

Leider ist der eben genannte Sabba­tical bezüglich der Preise leer ausge­gangen, doch hat er alles, was ein gutes Fami­li­en­drama braucht, das mit der Prämisse beginnt, dass es allen gut geht. Was natürlich alles andere als wahr ist, so wie bei jedem, der das von sich und seiner Beziehung behauptet. In Judith Anger­bauers dichtem Psycho­gramm über ein Paar mit Kind während einer Auszeit auf einer grie­chi­schen Insel bricht das Karten­haus der behaup­teten Fami­li­en­idylle jedoch schneller als erwartet zusammen, gibt es wuchtige, wahr­haf­tige Streit­szenen und nicht mal der Sex ist noch schmerz­frei. Anger­bauer zieht die Schrauben mit weiteren Prot­ago­nisten souverän und psycho­lo­gisch diffe­ren­ziert an, so dass am Ende ein Totentanz der Dysfunk­tio­na­lität entsteht, der kaum besser insze­niert sein könnte und immer wieder an den großen Klassiker einer erodie­renden Beziehung, an Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe erinnert.

Um Familie etwas anderer Art, aber auch um eine grup­pen­dy­na­mi­sche Selbst­fin­dung an einem Sehn­suchtsort geht es in Frédéric Jaegers Abschluss­film an der UdK Berlin. All We Ever Wanted ließe sich am besten als eine Anein­an­der­rei­hung unin­ter­es­santer Gespräche unin­ter­es­santer Menschen in unin­ter­es­santen Land­schaften beschreiben. Dabei ist die Grund­dis­po­si­tion durchaus inter­es­sant, weil der Sehn­suchtsort Fuer­te­ven­tura wunderbar gegen den Strich gebürstet wird und Jaeger dafür groß­ar­tige Bilder findet. Doch das Personal, das hier ein wenig expe­ri­men­tell sein spät­pu­ber­täres Coming-of-Age erlebt, bleibt bei all den Leer­stellen so sche­men­haft wie der Ort und die Gespräche, die hier geführt werden. Ein paar Realo-Anleihen aus Mithu M. Sanyals Identitti oder Yandé Secks Weiße Wolken hätten dem Film gut getan. Statt­dessen gibt es neben leeren Blicken und dürftigen Erklär­dia­logen eine Portion magischen Realismus in Form einer erra­ti­schen Griot, die mit mahnendem Blick klärt, was nicht zu klären ist.

Viel zu klären und zu finden hat auch die Heldin in Camilla Guttners Die Akademie. Wie schon vor zwei Jahren in der Reihe Neues Deutsches Kino mit The Ordi­na­ries, ist auch Guttners Film ein wunder­schöner, wenn auch manchmal etwas zu durch­kom­po­nierter München-Film. Das München von Camilla Guttner ist jedoch kein Gedan­ken­spiel wie in den Ordi­na­ries, sondern die sehr reale, bitter-böse Welt des Münchner Kunst­be­triebs. Guttner mag sich nicht zwischen Satire und Drama entscheiden, aber das ist auch egal, denn mit einer großartig leuch­tenden Maja Bons und ihrer düsteren Anta­go­nistin Luise Aschen­brenner muss und will dieser Film mehr als nur über ein Jahr über ein Coming-of-Age als Künst­lerin an der Akademie in München zu erzählen. Das gelingt auch deshalb so gut, weil sich Guttner über ihr kluges Drehbuch der Schwarz-Weiß-Malerei verwei­gert und selbst die toxischen, alten, weißen Männer-Profes­soren eben nicht nur als Gift, sondern auch als Möglich­keit zeichnet. Jeder, der regel­mäßiger Gast der Jahres­aus­stel­lungen an der Akademie ist – in zwei Wochen ist es wieder soweit –, dürfte nicht nur sie, sondern auch das auf diesem Weg vergos­sene Blut junger Künstler mit anderen Augen sehen.

Poli­ti­sche Fluchten und Selbst­fin­dungen

In Zeiten popu­lis­ti­scher Politik, in denen wider besseres Wissen das Thema Migration nur allzu gerne instru­men­ta­li­siert wird – jeder lese bitte unbedingt Hein de Haas’ Migration – 22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt – ist es natürlich ein wirk­li­cher Segen, wenn sich auch der Film dieses Themas annimmt und Hinter­gründe liefert, die in der Alltags­po­li­tik­be­trach­tung eher vom Tisch fallen.

Klan­destin von Angelina Maccarone ist ein gutes Beispiel dafür, ein Film, der alles will und wenig dabei verliert. Der die Sehnsucht nach Europa, die Flücht­lings­po­litik und Flücht­lings­mi­sere in die richtigen, doppel­bö­digen und doppel­mo­ra­li­schen Bilder gießt und sich dabei immer wieder genug Zeit lässt, um seine ebenso politisch ange­legten Charak­tere nach und nach zu ange­mes­sener Komple­xität zu entwi­ckeln. Wie ein Schach­spiel, das aus seiner schwarz-weißen Polarität subtile Spannung und Grau­zo­nen­ana­lyse entwi­ckeln kann. Über­ra­gend spielt Barbara Sukowa, die ein Herz aus Stein gibt und Euro­pa­po­litik mit Privat­po­litik furios amal­ga­miert und in ihrer Ambi­va­lenz ähnlich angelegt ist wie die von Anne Ratte-Polle verkör­perte Marion Bach in İlker Çataks Es gilt das gespro­chene Wort.

So wie in Macca­rones Klan­destin, so korrum­piert die Macht auch in Irene von Albertis Die Geschützten Männer. Diese Binsen­weis­heit dekli­niert Irene von Alberti für eine queere Partei durch, die durch eine bizarre Epidemie, die nur Alpha-Männchen trifft (also alle Politiker), an die Macht kommt. Das erinnert in den Auswüchsen an Thomas Cailleys exzel­lente Dystopie Animalia. Doch Alberti will die Komödie und zeigt einmal mehr, wie schwer die Königs­dis­zi­plin Komödie ist und wie wenig funk­tio­nieren kann, auch und viel­leicht gerade, wenn die Absichten besonders gut ist. Das mag auch daran liegen, dass die Realität im Grunde die Fiktion und die Gedan­ken­spiele dieses Films schon längst von unserer woken Cancel-Realität und den Irrungen und Wirrungen der Grünen eingeholt worden sind. Der schwächste der poli­ti­schen Selbst­fin­dungs­filme in der dies­jäh­rigen Ausgabe Neues Deutsches Kino.

Auch Jan Henrik Stahl­bergs Muxmäu­schen­still x scheitert gerade an seinem poli­ti­schen Anspruch, denn wie bei Alberti überholt die Realität die Satire auch hier, funk­tio­niert die Film­sa­tire nicht mehr. Vor 20 Jahren, als Stahlberg den groß­ar­tigen ersten Muxmäu­schen­still gemacht hat, ging das noch. Jetzt gibt es kaum noch über­ra­schende Momente, weder wenn die Deutsche Bahn abge­watscht wird, noch die Melange aus AFD, BSW und Selbst­jus­tiz­for­maten lustvoll insze­niert wird. Zwar gibt es kluge Andeu­tungen an Nicht-Satiren wie Je Suis Karl und The East, doch Stahl­bergs Mocku­men­tary dreht sich im Kreis und zündet nur ganz selten die anar­chi­sche Wucht, mit der Stahlberg etwa in seinem letzten Film Fikke­fuchs noch so gnadenlos wie brillant jonglierte.

Doch zum Glück geht poli­ti­sches Kino und das Thema Migration auch andere Wege, abseits der Satire, so wie Im Rosen­garten von Leis Bagdach mit seinen Vexier­bil­dern migran­ti­scher Realität. Bagdachs Roadmovie ist einer der über­ra­schendsten Filme dieses Jahrgangs Neues Deutsches Kino. Nicht nur, weil er die richtigen Fragen bezüglich migran­ti­scher Realität(en!) stellt, sondern auch, weil er dafür die richtigen und immer wieder hervor­ra­gend foto­gra­fierten Bilder findet. Wie in Max Frisch’s »Andorra« geht es auch bei Bagdach um die »Bild­nis­pro­ble­matik«: wie kann sich der einzelne seine eigene Identität bewahren gegenüber dem Bild, das sich die Umwelt von ihm macht? Vor allem auch gegenüber dem Bild, das er von sich selbst macht! Dieser so hoch­po­li­tisch wie tief­pri­vate Ansatz wird in eine hyper­reale, winter­liche Reise durch Deutsch­land einge­bettet, die durch über­ra­schende Begeg­nungen und exzel­lente Dialoge eine subtile Spannung erzeugt. Dass Bagdachs Held viel mehr ist und sogar der Prototyp eines Coming-of-Age eines Neuen Deutsch­land – so schön, dass es schmerzt – sein könnte, wird in der letzten Szene deutlich, in der die Musik dem Wort die Show stiehlt. Oder anders: Worüber man nicht reden kann, darüber muss man singen.

Auch Xoftex von Noaz Deshe wird sehr konkret, wenn es um den Traum der neuen Heimat Europa geht: Mit einem eindring­li­chen Elektro-Score erzählt Noaz Deshe von dem surrealen, dann wieder hyper­realen Alltag in einem grie­chi­schen Flücht­lings­camp. Ein wenig stört der magische Realismus, den Deshe immer wieder benutzt, um seine Geschichte mit einem allzu vagen mora­li­schen Impetus zu verankern. Doch der Film ist gerade dann am stärksten, wenn er sich wie die Fort­set­zung von Agnieszka Hollands Green Border sieht, wenn er von Trau­ma­ti­sie­rung und Klein­grup­pen­po­li­ti­sie­rung und von völlig grotesken Sehn­süchten nach einem Europa spricht, das es so natürlich gar nicht gibt, das dann auch in dem finalen Teil des Films einem asep­ti­schen Tagtraum gleicht.

Dass es nicht immer Migration sein muss, auch wenn es um ein klas­si­sches Herkunfts­land für Migration geht, zeigt der exzel­lente O Chale von Jan Hendrik Lübbers. Überhaupt ist hier einiges anders und manch einer dürfte sich die Frage stellen: Ja, darf man das noch? Als deutscher Regisseur nach Ghana gehen und einen Film über das Coming-of-Age von ein paar basket­ball­be­geis­terten Jugend­li­chen in Ghanas Haupt­stadt Accra machen, ohne dass irgendwer den Vorwurf kultu­reller Aneignung äußert? Man sollte, man muss dürfen, denn Jan Hendrik Lübbers Hybrid aus Spiel- Doku­mentar- und modernem ethno­gra­fi­schem Film ist eine groß­ar­tige Liebes­er­klärung an Accra und seine Bewohner. Lübbers dringt mit einer präzise suchenden Kamera und einem subtilen und gott­sei­dank überhaupt nicht folk­lo­ris­ti­schen Score bis in den intimsten Alltag seiner Helden, zeigt die Hinter­höfe und Wäsche­leinen genauso wie das Essen und Alltags­hand­lungen wie Busfahrten mit irren Predigern. Und dann gibt es genaue, wichtige Dialoge, wie der zwischen Mutter und Sohn, der so viel mehr von der ghanai­schen Gesell­schaft erzählt als der Reuters-Jour­na­lismus und man merkt, dass Lübbers nach dem Abitur elf Monate lang als frei­wil­liger Basket­ball­trainer in Accra gear­beitet hat. Lübbers’ Film ist auch ein hervor­ra­gendes Beispiel dafür, dass man anders als etwa Matteo Garrone in Io Capitano auch ohne magischen Realismus und einen Schwer­punkt Migration (obwohl das Thema durchaus zur Sprache kommt) auskommen kann, wenn man von West­afrika erzählt.

Histo­ri­sche Fluchten und Selbst­fin­dungen

Statt nach West­afrika führt der neue deutsche Filme aber auch dieses Jahr ins Herz unserer deutschen Heimat und stellt die Frage, ob das, was einst war, doch noch gültig sein könnte. Justine Bauer findet dafür in Milch ins Feuer gleich noch ein paar mehr Fragen, wie etwas jene, warum Schnecken nicht 5 Meter hoch werden? Darum geht es auch, aber vor allem um bäuer­li­ches Leben im Hier und Jetzt. Wer sich vor zwei Jahren nicht so recht mit der Darstel­lung bäuer­li­chen Lebens in Sabrina Sarabis Niemand ist bei den Kälbern anfreunden konnte, sollte sich Justine Bauers Film ansehen. Mit einer starken, eigen­wil­ligen Bild­sprache erzählt sie von Jugend­li­chen und jungen Erwach­senen, die dem Leben und Sterben des bäuer­li­chen Berufs, ja sogar einer Schwan­ger­schaft, mit über­ra­schender und beein­dru­ckender Noncha­lance begegnen und dementspre­chend auch Verlo­ckungen und Berufs­ver­bes­se­rungs­al­ter­na­tiven wie bei Aldi an der Kasse zu arbeiten, eine atem­be­rau­bende Resilienz entge­gen­bringen. Und wenn es auch nur in diesem einen erzählten Sommer so ist, in dem die stillen Heldin dieses stillen Films aufs Joghurt­glas gekommen sind. Allein die Eingangs­se­quenz mit Schaukel und der immer wieder­keh­renden Stimme aus dem Off ist es wert, diesen Film anzusehen. Und das nicht nur wegen des umwer­fenden deutschen Dialekts des Aleman­nisch-Hohen­lo­hi­schen, der hier gespro­chen wird.

Auch Another German Tank Story von Jannis Alexander Kiefer erzählt von einer verlo­renen Heimat und über­rascht mit seinem Film an diesem Ort. Denn gibt es im Lite­ra­tur­be­trieb gerade auf allen Ebenen Aufar­bei­tungen und Preise für Post-DDR-Themen, scheint es zumindest in dieser Ausgabe Neues Deutsches Kino gerade ad acta gelegt zu sein. Jannis Alexander Kiefers Film ist wie schon ange­deutet die große Ausnahme. Kiefer variiert das Thema sehr originell und immer wieder über­ra­schend. Sein Film im Film inte­griert intel­li­gent auch die Zeit, ohne die es weder BRD noch DDR gegeben hätte, und erzählt mit exzellent foto­gra­fierten Bildern ein Klein­stadt­leben, das in seiner Absur­dität und fast schon zärtlich anmu­tenden Hoff­nungs­lo­sig­keit an das Kino von Aki Kauris­mäkis erinnert. Hoffnung und Verzweif­lung sind hier offen­sicht­lich die Seiten der gleichen Medaille, doch viel schöner als in der Szene, als sich einer der Prot­ago­nisten über seine Beat­boxing-Fähig­keiten für Momente aus der Umklam­me­rung seiner Sozia­li­sie­rung befreien kann, lässt sich davon kaum erzählen.

Passend zu Kiefers Film nimmt sich Doris Metz’ einfühl­same, doku­men­ta­ri­sche Suche nach dem Leben Petra Kellys aus. Denn obwohl Metz in Petra Kelly – Act Now! vom privaten Leben dieses charis­ma­ti­schen Grün­dungs­mit­glieds der Grünen erzählt, ist ihr Porträt auch ein Porträt der alten BRD und den Ursprungs­ideen einer Partei, die sich immer wieder selbst erfinden musste, um zu überleben, ganz so wie die von Barbara Sukowa darge­stellte Poli­ti­kerin in Klan­destin oder all die anderen Charak­tere, die die neuen deutschen Filme dieses Jahrgangs bevöl­kerten, denn nur wer seine Identität neu erfindet oder seine alte Identität »reloaded«, hat eine Chance die Zukunft zu erleben und zu überleben.