Kinos in München – Filmtheater Sendlinger Tor - Schließung
»Es gibt kein Kinosterben, nur gierige Vermieter« |
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Was für ein Theater! | ||
(Foto: Filmtheater Sendlinger Tor · Familie Preßmar) |
Von Dunja Bialas
Schon bei Vergabe der Kinoprogrammpreise München letzte Woche war alles entschieden. Obwohl Kinobetreiber Christian Pfeil den Stadtrat mit Blick auf das Kino Sendlinger Tor noch aufrief, im Kampf gegen die Kinoschließungen das »Schwert des Denkmalschutzes« zu zücken (wir berichteten). Die Betreiberfamilie Preßmar muss nach 80 Jahren den Spielbetrieb im Filmtheater Sendlinger Tor aufgeben. Die Vermieter wollen das so.
Das kam nicht ganz überraschend, trotzdem spielte sich der letzte Akt hinter den Kulissen ab. In den letzten fünfzehn Jahren hatte es einen langen Rechtsstreit zwischen der Vermögensverwaltung WIFA und der Filmtheater Sendlinger Tor GmbH gegeben. Mit dem pikanten Detail, dass die federführende Vertreterin der Eigentümergemeinschaft, Frau Winkelmann, auch Gesellschafterin der GmbH ist (oder war) und wie ein Trojanisches Pferd geschäftsschädigend gegen die Ur-Interessen der GmbH gehandelt hat, das Kino zu erhalten. Es kam ihr aber der Formfehler in die Quere, nicht alle Unterschriften der Eigentümer eingeholt zu haben – womit sich der Pachtvertrag auf weitere fünf Jahre verlängerte. Dennoch war einer Räumungsklage der Vermögensverwaltung WIFA im Sommer 2023 stattgegeben worden – und mit einem zwischenzeitlich erzielten Vergleich nichtig gemacht.
Die Familie Preßmar blieb und blieb. Die letzte Pachtverlängerung kam im Juni 2020, nach einer formal unkorrekten Kündigung. Was die WIFA-Geschäftsführerin damals versäumt hatte, wurde jetzt nachgeholt: Alle Eigentümer haben per Vollmacht zugestimmt, den Preßmars zu kündigen. Der letzte Film werde am 15. Januar 2025 gezeigt, sagen diese, ein besonderes Abschieds-Programm wollen sie nicht machen. Lieber sang- und klanglos gehen.
Das Kino am Eingangstor zur Münchner Innenstadt betreibt die Familie Preßmar seit 1945. Fritz Preßmar sr. zeigte schon Filme für die amerikanischen GIs, Fritz jr. übernahm, heute achtzig Jahre alt. Dessen Sohn Christoph, 50, führt seit einiger Zeit die Geschäfte und hat zuletzt auch mit der WIFA verhandelt. Was in den Jahren der Streitigkeiten immer wieder durchschien: Besonders grün waren sich die Winkelmanns und Preßmars nicht, auf persönlicher Ebene gab es da eine jahrzehntelang angewachsene Antipathie. Das macht es leichter, wenn es um Geld geht. Die Eigentümergemeinschaft, so die Gerichtsverhandlungen, wollte mehr Geld. Die Pacht sollte von 5.000 Euro monatlich auf 20.000 steigen. Das mag einer solchen Immobilie in Bestlage entsprechen, geht aber trotzdem komplett an der Realität vorbei.
Das Filmtheater Sendlinger Tor ist ein sogenanntes Ein-Leinwand-Kino, mit stattlichen 400 Plätzen, und steht unter Denkmalschutz. Wie schwer ein solches Haus zu bespielen ist, zeigt die Tatsache, dass es kaum noch Kinos mit nur einem Saal gibt. Die wenigen, die geblieben sind, sind das kommunal geförderte Filmmuseum, das als Verein arbeitende kleine Werkstattkino, das Studio Isabella, das Neue Rottmann und das denkmalgeschützte Theatiner. Viele der ehemaligen Ein-Saal-Kinos haben um einen zweiten Saal erweitert und sich dadurch bessere Programm-Möglichkeiten geschaffen. Umgebaut haben im letzten Jahrzehnt das Arena (2012), das Neue Rex (2017) und das Maxim (2017). Der Rio Filmpalast baute schon 1977 um und wandelte die Loge seines 700-Plätze-Saals in einen zweiten Saal um. Das mittlerweile abgerissene Gabriel-Kino hatte seinen 550-Plätze-Saal 1995 auf zwei Säle aufgeteilt. Oder aber es wurde eine Wirtschaftsgemeinschaft geschaffen, wie für das Einsaal-ABC-Kino, das unter der Leopold ABC Kinos GmbH mit den drei Sälen des Leopold gewissermaßen als vierter Saal abgerechnet werden kann.
Derartige Umbaumöglichkeiten sind für das denkmalgeschützte Filmtheater Sendlinger Tor nicht gegeben. Preßmars hatten sich zuletzt bereit erklärt, eine Pacht von 10.000 Euro monatlich zu zahlen, auf der realistischen Grundlage der Bilanzen. Das sei das »Maximum«, ließen sie ausrichten.
Bei dem Urteil, das der Räumung stattgegeben hatte, hieß es noch, es sei nicht ausgeschlossen, dass in den Bau wieder ein Kino einziehe. Gerüchte machen seitdem die Runde. Ein Theater soll interessiert sein. Eine Kinogemeinschaft könnte sich bilden. Es gäbe Pläne von McDonald’s, das denkmalgeschützte Interieur durch Boxen zu verhüllen, um an den begehrten Standort einziehen zu können. Das Gericht selbst hatte bei Verkündung der Räumungsklage aufgeworfen, dass auch ein vorübergehender Leerstand in Betracht gezogen werden könne.
Ja, und was ist mit dem sogenannten »Kinosterben«? Der Begriff hält sich hartnäckig und wird immer wieder gerne auf Podien ausgebreitet, ohne dass jemand widerspricht. Auf dem Land mag das stimmen – dort siechen aber eher die Multiplexe dahin als die inhabergeführten Kinos. In München dagegen geht es beim Todeskampf nicht darum, dass die Besucher wegbleiben. Sondern um Nutzungsänderungen (geopfert: die Kinos Münchner Freiheit) und Immobilienpreise (Damoklesschwert für alle Kinos der Stadt). Der Denkmalschutz mag dabei ein glühendes Schwert sein, solange aber ein Kino nicht im Grundbuch steht, wie im Falle des ABC Kinos, kann das schnell verglühen und zu Bruch gehen.
Ein Kinobetreiber bringt es auf den Punkt: »Es gibt kein Kinosterben. Es gibt nur gierige Vermieter.«