19.09.2024
Kinos in München – Filmtheater Sendlinger Tor - Schließung

»Es gibt kein Kinosterben, nur gierige Vermieter«

Filmtheater Sendlinger Tor
Was für ein Theater!
(Foto: Filmtheater Sendlinger Tor · Familie Preßmar)

Kinobetreiber-Familie Preßmar gibt auf und verlässt zum Jahresbeginn das Kino Sendlinger Tor. Laut Gericht darf es auch leerstehen

Von Dunja Bialas

Schon bei Vergabe der Kino­pro­gramm­preise München letzte Woche war alles entschieden. Obwohl Kino­be­treiber Christian Pfeil den Stadtrat mit Blick auf das Kino Send­linger Tor noch aufrief, im Kampf gegen die Kino­schließungen das »Schwert des Denk­mal­schutzes« zu zücken (wir berich­teten). Die Betreiberfa­milie Preßmar muss nach 80 Jahren den Spiel­be­trieb im Film­theater Send­linger Tor aufgeben. Die Vermieter wollen das so.

Das kam nicht ganz über­ra­schend, trotzdem spielte sich der letzte Akt hinter den Kulissen ab. In den letzten fünfzehn Jahren hatte es einen langen Rechts­streit zwischen der Vermö­gens­ver­wal­tung WIFA und der Film­theater Send­linger Tor GmbH gegeben. Mit dem pikanten Detail, dass die feder­füh­rende Vertre­terin der Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft, Frau Winkel­mann, auch Gesell­schaf­terin der GmbH ist (oder war) und wie ein Troja­ni­sches Pferd geschäfts­schä­di­gend gegen die Ur-Inter­essen der GmbH gehandelt hat, das Kino zu erhalten. Es kam ihr aber der Form­fehler in die Quere, nicht alle Unter­schriften der Eigen­tümer eingeholt zu haben – womit sich der Pacht­ver­trag auf weitere fünf Jahre verlän­gerte. Dennoch war einer Räumungs­klage der Vermö­gens­ver­wal­tung WIFA im Sommer 2023 statt­ge­geben worden – und mit einem zwischen­zeit­lich erzielten Vergleich nichtig gemacht.

Filmtheater Sendlinger Tor | Lichter an
Große Fassade (Foto: artechock)

Die Familie Preßmar blieb und blieb. Die letzte Pacht­ver­län­ge­rung kam im Juni 2020, nach einer formal unkor­rekten Kündigung. Was die WIFA-Geschäfts­füh­rerin damals versäumt hatte, wurde jetzt nach­ge­holt: Alle Eigen­tümer haben per Vollmacht zuge­stimmt, den Preßmars zu kündigen. Der letzte Film werde am 15. Januar 2025 gezeigt, sagen diese, ein beson­deres Abschieds-Programm wollen sie nicht machen. Lieber sang- und klanglos gehen.

Das Kino am Eingangstor zur Münchner Innen­stadt betreibt die Familie Preßmar seit 1945. Fritz Preßmar sr. zeigte schon Filme für die ameri­ka­ni­schen GIs, Fritz jr. übernahm, heute achtzig Jahre alt. Dessen Sohn Christoph, 50, führt seit einiger Zeit die Geschäfte und hat zuletzt auch mit der WIFA verhan­delt. Was in den Jahren der Strei­tig­keiten immer wieder durch­schien: Besonders grün waren sich die Winkel­manns und Preßmars nicht, auf persön­li­cher Ebene gab es da eine jahr­zehn­te­lang ange­wach­sene Anti­pa­thie. Das macht es leichter, wenn es um Geld geht. Die Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft, so die Gerichts­ver­hand­lungen, wollte mehr Geld. Die Pacht sollte von 5.000 Euro monatlich auf 20.000 steigen. Das mag einer solchen Immobilie in Bestlage entspre­chen, geht aber trotzdem komplett an der Realität vorbei.

Filmtheater Sendlinger Tor
Dimen­sionen wie der Berlinale-Palast (Foto: Film­theater Send­linger Tor | Familie Preßmar)

Das Film­theater Send­linger Tor ist ein soge­nanntes Ein-Leinwand-Kino, mit statt­li­chen 400 Plätzen, und steht unter Denk­mal­schutz. Wie schwer ein solches Haus zu bespielen ist, zeigt die Tatsache, dass es kaum noch Kinos mit nur einem Saal gibt. Die wenigen, die geblieben sind, sind das kommunal geför­derte Film­mu­seum, das als Verein arbei­tende kleine Werk­statt­kino, das Studio Isabella, das Neue Rottmann und das denk­mal­ge­schützte Theatiner. Viele der ehema­ligen Ein-Saal-Kinos haben um einen zweiten Saal erweitert und sich dadurch bessere Programm-Möglich­keiten geschaffen. Umgebaut haben im letzten Jahrzehnt das Arena (2012), das Neue Rex (2017) und das Maxim (2017). Der Rio Film­pa­last baute schon 1977 um und wandelte die Loge seines 700-Plätze-Saals in einen zweiten Saal um. Das mitt­ler­weile abge­ris­sene Gabriel-Kino hatte seinen 550-Plätze-Saal 1995 auf zwei Säle aufge­teilt. Oder aber es wurde eine Wirt­schafts­ge­mein­schaft geschaffen, wie für das Einsaal-ABC-Kino, das unter der Leopold ABC Kinos GmbH mit den drei Sälen des Leopold gewis­ser­maßen als vierter Saal abge­rechnet werden kann.

Filmtheater Sendlinger Tor | Lichter aus
Die Lichter gehen aus… (Foto: artechock)

Derartige Umbaumög­lich­keiten sind für das denk­mal­ge­schützte Film­theater Send­linger Tor nicht gegeben. Preßmars hatten sich zuletzt bereit erklärt, eine Pacht von 10.000 Euro monatlich zu zahlen, auf der realis­ti­schen Grundlage der Bilanzen. Das sei das »Maximum«, ließen sie ausrichten.

Bei dem Urteil, das der Räumung statt­ge­geben hatte, hieß es noch, es sei nicht ausge­schlossen, dass in den Bau wieder ein Kino einziehe. Gerüchte machen seitdem die Runde. Ein Theater soll inter­es­siert sein. Eine Kino­ge­mein­schaft könnte sich bilden. Es gäbe Pläne von McDonald’s, das denk­mal­ge­schützte Interieur durch Boxen zu verhüllen, um an den begehrten Standort einziehen zu können. Das Gericht selbst hatte bei Verkün­dung der Räumungs­klage aufge­worfen, dass auch ein vorü­ber­ge­hender Leerstand in Betracht gezogen werden könne.

Ja, und was ist mit dem soge­nannten »Kinosterben«? Der Begriff hält sich hart­nä­ckig und wird immer wieder gerne auf Podien ausge­breitet, ohne dass jemand wider­spricht. Auf dem Land mag das stimmen – dort siechen aber eher die Multi­plexe dahin als die inha­ber­ge­führten Kinos. In München dagegen geht es beim Todes­kampf nicht darum, dass die Besucher wegbleiben. Sondern um Nutzungs­än­de­rungen (geopfert: die Kinos Münchner Freiheit) und Immo­bi­li­en­preise (Damo­kles­schwert für alle Kinos der Stadt). Der Denk­mal­schutz mag dabei ein glühendes Schwert sein, solange aber ein Kino nicht im Grundbuch steht, wie im Falle des ABC Kinos, kann das schnell verglühen und zu Bruch gehen.

Ein Kino­be­treiber bringt es auf den Punkt: »Es gibt kein Kinosterben. Es gibt nur gierige Vermieter.«