Mit allen Sinnen |
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Khavns Abschlussfilm Makamisa: Phantasm of Revenge mit Lilith Stangenberg | ||
(Foto: Rapid Eye Movies) |
Von Nora Moschuering
Auch Worte kann man in Kisten stecken und so ist das mit dem Wort Awareness, ich stecke es eher in die Kiste: Ganzheitlichkeit, Waldbaden, Empfindsamkeit, bei weiterem Nachdenken, aber noch in eine andere, die der Rockkonzerte und einer sicheren Wiesn, also dem rücksichtsvollen Umgang miteinander und Aufeinander-Achten. Aber das Münchner Filmfestival UNDERDOX und Awareness in eine Schublade zu stecken, darauf wäre ich bisher nicht gekommen.
Nun also: Filme mit Trigger-Warnung und ein Festival voll Verständnis? Oder doch eher eine Kombination von LSD und Yoga – im filmischen Sinn natürlich? Die beiden Festivalleiter Dunja Bialas und Bernd Brehmer schreiben zu Awareness, dem diesjährigen Festivalthema: »Alles was unsere Aufmerksamkeit braucht, alles, was unser Bewusstsein schärft: Das ist die awareness, die wir meinen.« UNDERDOX ist also auf der Suche nach Awareness im cinephilen Sinn und damit im
jeweiligen Film selbst. Wie erzeugt der Film etwas, das unsere besondere Aufmerksamkeit braucht? In dem er »unüblich« agiert, sich ungewöhnlich verhält, indem er z.B. Dinge weglässt, reduziert, Formen nutzt, die wir nicht (mehr) gewohnt sind, oder indem er an seinem eigenen Material kratzt ... oft führt ja auch Verunsicherung zu mehr Aufmerksamkeit. So steigert sich z.B. in Stanley Schtinters Schneewittchen die Bedeutung des Tons. Schneewittchen ist eine Kriminalgeschichte und gleichzeitig eine Hommage an den portugiesischen Meister João César Monteiro, der beim Dreh von Branca de neve aus Versehen seinen Mantel über die Kamera gehängt hatte.
Samstag 12 Okt., 18:00 Filmmuseum | zu Gast: Stanley Schtinter (Regisseur), Hanns Zischler
(der Jäger) und Joshua Bonnetta (Filmeditor)
Artist in Focus des Festivals ist dieses Jahr der Baske Oskar Alegria. In seinem Eröffnungsfilm Zinzindurrunkarratz macht er sich, mit der Super-8-Kamera seines Vaters und in der Begleitung eines Esels, auf die Suche nach einem alten Hirtenpfad. Dabei entdeckt er Gesten und dörfliche Traditionen, spürt mit seiner Kamera der Vergangenheit nach. (Donnerstag 10 Okt 19:00 Filmmuseum | zu
Gast: Oskar Alegria). Auch Alegrias zweiter Film Emak Bakia baita, ein Essayfilm, forscht nach etwas. Wir begleiten diese Bewegung mit all ihren Abwegen, Umwegen und Entdeckungen. Ausgangspunkt ist dieses Mal Man Rays surrealistisches Cine-Poem Emak Bakia (1926) (baskisch für: »Lass mich in Ruhe!«). Alegria macht sich auf die Suche nach einem Haus mit gleichem Namen in Biarritz. Dabei führt er Interviews und entdeckt Schrifttafeln,
die einen eigenen Tonfall haben. Mit ihnen folgt Alegria dem Glück, dem Wind und den Clowns.
Freitag 11 Okt 21.30 Werkstattkino | zu Gast: Oskar Alegria
Surreal, aber auf eine andere Weise als Man Ray, sind die überbordenden Filme des philippinischen Künstlers, Musikers und Filmemachers KHAVN, der zweite Artist in Focus (der aber aufgrund seiner Beharrlichkeit, alles mit »this is not« zu labeln, inklusive seiner eigenen Filme, zu einem »this is not«-Artist in Focus wird). Als Abschlussfilm des Festivals läuft sein Film Makamisa: Phantasm of Revenge mit Lilith Stangenberg. Er spielt auf den Philippinen, Ende des 19. Jahrhunderts, im Übergang von der spanischen zur amerikanischen Kolonialmacht, und ist inspiriert von José Rizals unvollendetem dritten Roman. Die drei Hauptfiguren, der traurige philippinische Dichter Simoun Rizal, der böse spanische Priester Pater Agaton Damaso und die amerikanische Verrückte Sisa Bracken bewegen sich dabei so wild und exaltiert, wie das handcolorierte und selbst entwickelte 35mmm-Stummfilm-Material. Closing Night, in Begleitung von Babel Gun ein Ciné-Concert auf dem Flügel des Filmmuseums | Mittwoch 16 Okt 21.00 Filmmuseum | zu Gast: Khavn, Lilith Stangenberg
So viel zum Anfang und zum Ende, jetzt ein paar Eindrücke zum Dazwischen. Kühl und eine ganz eigene Art von Science Fiction ist Katharina Hubers Ein schöner Ort. Irgendetwas schwebt über allem, die nahende Apokalypse oder ein Raketenstart, man erfährt davon durch alte Radios und Fernseher. Eine Gruppe von Menschen lebt auf dem Land, die beiden Frauen Margarite und Güte warten, ein Countdown wird
runtergezählt. Alle Menschen befinden sich in einer Art Vergangenheit, einer braun-beigen Landgemeinschaft, es ist Herbst. Das Landleben scheint sich selber aufzulösen, es wird Feuer gelegt, Menschen werden vergiftet, sie werden krank oder gehen ins Wasser. Schön ist das, ein bisschen traurig und etwas surreal, aber Güte gibt nicht auf.
Sonntag 13 Okt 20:00 Werkstattkino | zu Gast: Katharina Huber
artechock-Besprechung
In Grand Tour erzählt der Regisseur Miguel Gomes von einer Reise quer über den asiatischen Kontinent. Im 19. Jahrhundert war der »Grand Tour« eine Reise des gehobenen Bürgertums durch Europa. Hier, 1917, wird sie zu einer Reise im asiatischen Raum, durch seine Legenden und Volkserzählungen und durch die letzte Phase der britischen Kolonien.
Samstag 12 Okt 21:00 Filmmuseum
artechock-Besprechung
Das Nilpferd Pepe berichtet in Pepe von Nelson Carlo de los Santos Arias von seiner eigenen Geschichte und das in den vier Sprachen der Orte, an denen es gelebt hat, von Namibia in Afrika bis nach Lateinamerika. Seinen Namen hat Pepe von »Pepe Pótamo«, einem Star einer in Lateinamerika in den 60er Jahren sehr populären Zeichentrick-Serie. Pepe und andere
Nilpferde fliehen 2009 aus dem Privatzoo des Drogenbarons Pablo Escobar in die freie Wildbahn
Samstag, 11 Okt 21:00 Filmmuseum
artechock-Besprechung
Das Programm von »Munich Vibrations« zeigt drei Positionen von Tanz, die den Film als eigene künstlerische Position nutzen. Gezeigt werden Arbeiten von drei in München ansässigen Choreografen. Micha Purucker wählt dazu das 3:4-Format, das Körper teilt, Ausschnitte zeigt, die durch Körper durchrannt werden, die zu Linien werden, die als eine Art Nachbild in unserem Kopf bleiben. Judith Hummels Arbeiten beschäftigen sich mit den Körpern, z.B. was ist ein Akt, was ist der Körper an
sich. Sie spielt dabei auch mit den Blicken, mit dem Anschauen und Angesehen-Werden. In einer weiteren Arbeit verknoten sich die Körper in einem Menschenknäul, werden zu einem einzigen Wesen, ein wenig grotesk, ein wenig verzweifelt, aber auch liebevoll. Stephan Herwigs Diptychon My body is my monument (2024) zeigt eine Tänzerin und ihre Bewegung, man hört ihren Atem und verfolgt ihrem Körper, der vom Raum und dem Ausschnitt, den die Kamera zeigt, beeinflusst wird
(Kamera: Laura Kansy).
Sonntag 13 Okt 17.00 Werkstattkino | zu Gast: Micha Purucker, Judith Hummel, Stephan Herwig
Außerdem gibt es dieses Jahr zum zweiten Mal das internationale Nachwuchs-Förderprogramm »young people’s choice«, das junge Menschen dazu einlädt, selbst ein Programm mit Kurzfilmen zusammenzustellen. Dieses Jahr sind es Vid Radičević aus Belgrad und Paula Ruppert aus München. Sie zeigen Filme der »Belgrade Youth«.
Dienstag 15 okt 19.00 werkstattkino |zu gast: Vid Radičević, Paula Ruppert und die Filmemacher:innen Teodora Arsic, Veljko
Petrovic, Petar Tkalec, Mina Simendić
10. – 16. Oktober, Filmmuseum München, Theatiner, Werkstattkino
Eintritt: 7 € (Überlänge 8 €)
5er-Karte: 30 €