Innen. Kino. Nacht. |
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Vom Thriller zum Making Of: Ext. Car. Night | ||
(Foto: Adi Marineci) |
Von Dunja Bialas
Auf der Mobra konnte man zu zweit fahren. Für die sozialistischen Zeiten Rumäniens war dies eine Schlagzeile wert, versprach Verführung und hedonistische Ausfahrten auf dem Motorrad. Auf einer roten Mobra soll nun der junge Horia Abenteuer und Liebe finden, so will es zumindest sein Vater, der seinem Sohn breitbeinig von seinen Draufgängerfahrten erzählt – und es ihm zum Geburtstag schenkt. Horia aber hat andere Pläne. Die wahre Liebe zum Beispiel.
Ana Maria Comanescu hat ihr Langfilmdebüt nach der unscheinbaren Hauptfigur benannt und bleibt der vor zwei Jahrzehnten losgetretenen Neuen Rumänischen Welle in ihrer Erzählweise noch ziemlich treu, portraitiert die verzweifelt um ein gutes Leben ringende postsozialistische Mittelklasse. Ihr Film beginnt in der ländlichen Einöde, wo die Männer noch das Sagen haben – und wo es für den Vater eine Vollkatastrophe ist, dass sein Sohn eher eine Memme ist.
Horia ist ein großartiger Auftakt für das diesjährige Rumänische Filmfestival, setzt es doch gleich zu Beginn diese eigentümlich nonchalante, faszinierende Tonlage des rumänischen Kinos, ein Suhl aus Hundegebell in der Nacht, knatterndem Motor und wortlosen Protagonisten. (Do 07.11. 19:00 Filmmuseum München, zu Gast: Ana-Maria Comanescu)
Mit einem in den wechselnden Schärfen des Bildes chaotisch wirkenden Establishing Shot taucht Where Elephants Go tief in die Straßen von Bukarest ein. Unter der bewegten Handkamera (Adrian Paduretu) und vielen Zooms, die mal diese, mal jene Straßenszene fokussieren, dauert es eine Weile, bis Orientierung da ist. Dann ein verbundenes Handgelenk, Blut. Den Blouson des dazugehörenden jungen Mannes haben wir vorher schon einmal kurz gesehen. Dann verschwindet er wieder zwischen den Passanten.
Gabi Virginia Sarga und Catalin Rotaru finden in ihrem zweiten gemeinsamen Film ohne Umschweife zu einer modernen Erzählweise, die einen strauchelnden Protagonisten rahmt. Es geht um Tod, Autopsie, ums Pleitesein, um die Mimikri des Lebens in einer kapitalistischen Stadt, die ihre Menschen abgehängt hat. (Fr 08.11. 18:00 Filmmuseum München, zu Gast: Adrian Paduretu (Kamera))
Adrian Paduretu hat auch für Marian Crisans Warboy die Kamera geführt und schlägt hier eine völlig andere, ruhige und klassische Ästhetik an. Es geht zurück ins Jahr 1944. Nicu hütete die Pferde der Familie, der Vater ist im Krieg. Deutsche Soldaten sind da, die Rote Armee schon nah, die Fronten werden hier im einsamen Wald gezogen, mit den Baumstämmen, die das Arbeitspferd hinter sich herzieht. Wie aus einem Kind ein Kämpfer wird, auch davon erzählt Marian Crisan inmitten einer ins Sonnenlicht getauchten Natur. (Fr 08.11. 21:00 Filmmuseum München, zu Gast: Adrian Paduretu (Kamera))
Kein Rumänisches Filmfest ohne Calin Peter Netzer. Sein Film Mutter & Sohn über eine selbstsüchtige Frau der urbanen Oberschicht bekam 2013 den Goldenen Bären der Berlinale, es war die Hochzeit des Neuen rumänischen Films. Sein neuer Film nun heißt ebenso generisch Familiar und seziert nach allen Raffinessen der Kunst ein brüchiges Familiengefüge, das sich auch noch in die Fänge der Securitate begeben hat. Alter Ego von Netzer ist der Protagonist, ein Filmemacher, der diesen Film über seine eigenen Eltern macht. Eine Matroschka-Erzählung, die im Vexierspiel der Wahrheitssuche immer neue narrative Böden durchdringt. (Sa 09.11. 18:00 Filmmuseum München)
»Am wichtigsten«, so highlightet der Kurator Klaus Volkmer vom Filmmuseum München, sei ihm jedoch Andrei Cretulescu. Volkmer macht seit bald zwei Jahrzehnten das Programm des Rumänischen Filmfestivals zusammen mit Filmkritiker Bert Rebhandl und Brigitte Drodtloff von der Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und Tradition. Cretulescu begann als neue Stimme eines schon etwas müde gewordenen Neuen rumänischen Kinos, lancierte zusammen mit Radu Jude und Adrian Sitaru Kurzfilme, die sie als eigenständiges Format – nicht als Schrumpfstufe der Langform – verstanden. Es ging auch um die Überwindung der rumänischen Welle, um das Umspielen der wiedererkennbaren Signaturen – keine Musik, lange Einstellungen, Helden des Alltags. Lang erwartet wurde Ext. Car. Night, benannt nach den Regieanweisungen in einem Drehbuch: Außen. Auto. Nacht. Am besten überlässt man für die Vorstellung dieses komplex verschachtelten Films, der leichthändig in die Metaebene findet, das Wort dem Urheber selbst: »Ein blutiger Thriller verwandelt sich in sein eigenes 'Making Of' – ein Gespräch über Angst, über Film, über Fiktion. Der Film hat 12 Figuren, die von vier Schauspielern gespielt werden, und er wurde in Sequenz-Einstellungen gedreht, die nicht in chronologischer Reihenfolge gezeigt werden. Ein besserer Titel wäre übrigens F For Fake gewesen, aber der war schon vergeben.«
Ein Film, den man mit eigenen Augen gesehen haben muss, um zu wissen, worum es geht. Dem vertrauen wir sogar blind. (Sa 09.11. 21:00 Filmmuseum München)
Eintritt: 4 €